In den letzten Wochen war das Wetter deutschlandweit sehr unterschiedlich. Trocken und sonnig im Norden, regnerisch und trüb im Süden. Trotzdem: Es ist immer noch zu trocken – im ganzen Land. Die Bauern können ein Lied davon singen. Und der Sommer soll heiß werden. Wo das hinführen könnte, darüber hat Wolf Harlander ein Buch geschrieben: „42 Grad“ erscheint Ende des Monats bei Rowohlt, ein Thriller, der in nicht allzu ferner Zukunft spielt. Ich habe mir dem Autor, der als Wirtschaftsjournalist gearbeitet hat, darüber geredet, was uns seiner Meinung nach in Zukunft erwarten könnte.
Der Klimawandel ist wegen der Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt. Aber er macht sich bemerkbar – mit ausbleibendem Regen und zu warmen Wintermonaten. Das Szenario, das Sie in Ihrem Roman ausmalen, scheint also gar nicht so weit hergeholt…
Wolf Harlander. Aktuell prognostizieren die Wetterexperten für Deutschland den dritten Jahrhundert-Sommer in Folge seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der US-Wetterdienst Accuweather spricht von einem „Katastrophenszenario“. Schon jetzt sind die Böden völlig ausgetrocknet, es fehlt der dringend benötigte Regen. Wir alle genießen solche Hitzesommer, es ist ein wunderbares Gefühl – wie Urlaub im Süden. Aber wer hätte früher geglaubt, dass wir hier bei uns Zustände wie in Afrika bekommen? Der sich beschleunigende Temperaturanstieg ist keine Erfindung, sondern leider Fakt. Und die Folgen verschonen auch uns nicht.
Sie zeigen in Ihrer Dystopie die möglichen Kehrseiten eines Jahrhundertsommers: Wassermangel und Dürre. Die Folgen sind ausgetrocknete Süßwasserspeicher und Flüsse, vernichtete Ernten, verdurstende Tiere und Menschen, Wasserflüchtlinge und Waldbrände, die außer Kontrolle geraten. Das könnte einem schon Angst machen. Sehen Sie wirklich so schwarz für unsere Zukunft?
Wolf Harlander. Nachrichten über die Wasserkrise und über ausgetrocknete Flüsse, verdorrte Landschaften und brennende Wälder sind doch bei uns längst Realität – jeder von uns hat das die vergangenen Jahre regelmäßig in den Medien mitverfolgt. An keiner Stelle sind wir so verwundbar wie beim Wasserbedarf. Wenn das Trinkwasser knapp wird, haben wir nur wenige Tage, um einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes zu entgehen. Wir denken, das kann uns nicht passieren. Aber dasselbe haben wir noch vor ein paar Monaten vor der Corona-Krise auch gedacht. Und nun ist mit einem Schlag unser gewohntes Leben vorbei und wir haben über 100 000 Tote in Europa. Die Wasserkrise wird nicht heute passieren und nicht morgen. Aber vielleicht in einem Monat. Oder in einem Jahr. Wir wissen nicht, wann sie kommt, wir wissen nur, dass sie kommt.
140 Liter Wasser für eine Tasse Kaffee
Unser „blauer Planet“ hat ja viel Wasser – der Großteil ist Salzwasser. Entsalzungsanlagen helfen dabei, mehr Trinkwasser zu gewinnen. Reicht das nicht?
Wolf Harlander. Unsere Erde hat Ozeane, Flüsse und Seen. Da denkt jeder: Ist doch genug Wasser da. Doch genau das Gegenteil ist richtig: Nur einen mikroskopisch kleinen Anteil davon können wir als Trinkwasser nutzen – 0,3 Prozent. Das ist verdammt wenig. Auf der anderen Seite ist unser Wasserverbrauch enorm: Jeder Deutsche verbraucht persönlich über 120 Liter am Tag für Kochen, Duschen oder die Klospülung. Dazu addiert sich das Wasser, das für die Herstellung von Essen und Trinken verbraucht wird. Wer weiß schon, dass eine Tasse Kaffee in Wirklichkeit 140 Liter Wasser benötigt, ein Mittagessen mit Hamburger, Pommes und Cola sogar 6000 Liter Wasser?
Schon jetzt leiden weltweit 2,9 Millionen Menschen unter Wasserknappheit. Bereits in ihrem „World Water Development Report 2015“ warnten die Vereinten Nationen davor, dass weltweit das Wasser knapp zu werden droht. „Der Planet war noch nie so durstig“, schreiben die UN-Experten. Das stimmt heute mehr denn je. Und Deutschland steht mit einem „Wasserfußabdruck“ von 3800 Litern täglich zu den Ländern die überdurchschnittlich viel Wasser verbrauchen. Was hilft dagegen? Weniger duschen?
Wolf Harlander. Ich befürchte, es wird extrem schwer, unsere lieb gewonnenen Rituale und Gewohnheiten aufzugeben. Wer will tatsächlich nur einmal in der Woche duschen? Oder in heutigen Zeiten aufs Händewaschen verzichten? Und wir brauchen nun mal Wasser jeden Tag zum Kochen – und zum Trinken. Denn der Körper des Menschen kann leider Wasser nicht speichern, sondern braucht ständig Nachschub.
Wasseraktien versprechen „sprudelnde Gewinne“, sie gelten als das „blaue Gold“ und sie empfehlen sich als ökologische Geldanlage. Wie das?
Wolf Harlander. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Tatsache ist: Wasser ist das Gold des 21. Jahrhunderts. Die Privatisierung der Wasserversorgung ist eine Lizenz zum Gelddrucken.
Wer das Wasser beherrscht, beherrscht die Menschheit
Allein Nestlé machte nach eigenen Angaben mit Wasserproduktion einen Umsatz von rund 6,9 Milliarden Euro. Und der Konzern verkauft sein Wasser,das er aus Grundwasservorkommen oft in Quellgebieten gewinnt, teuer. Für eine Tankerladung Wasser bezahlt Nestle laut der Recherchen des Schweizer Journalisten Res Gehringer 10 Dollar. Einmal in Pet-Flaschen verlangt Nestlé 50 000 Dollar. Der aus diesen Recherchen hervorgegangene Film „Bottled Life“ zeigt, wie der Konzern agiert, um sein Flaschenwasser an die Leute zu bringen. Gleichzeitig inszeniert sich Nestlé als Wohltäter. Haben Sie sich davon inspirieren lassen?
Wolf Harlander. Man muss sehen, dass das Geschäft mit dem Wasser hoch monopolisiert ist. Nur eine Handvoll Konzerne, die meisten aus der EU, teilt sich weltweit den privaten Wassermarkt. Es bleibt die Frage, ob das wünschenswert ist. Privatisierung der Wasserversorgung bedeutet in der Konsequenz, dass wir privaten Konzernen die totale Macht über unser Leben einräumen. Wer das Wasser beherrscht, beherrscht die Menschheit.
Im letzten Sommer hat sich das Fichtensterben verstärkt, selbst die Buchen leiden bereits unter der Trockenheit. Ist unser Wald tatsächlich in Gefahr?
Wolf Harlander. Die Wasserkrise löst das neue Waldsterben aus. Da sind sich die Fachleute einig. Der deutsche Wald wird bald nur noch eine romantische Erinnerung sein, ein Mythos. Denn von den Bäumen, die seit Jahrhunderten unsere Landschaft prägen, werden die meisten in wenigen Jahren tot sein. Verdurstet und verbrannt. Schon jetzt leiden ganze Regionen in Deutschland unter absterbenden Wäldern.
In ihrem Buch sind es von Moskau gesteuerte Terroristen, die den GAU beschleunigen. Doch auch ohne Gift im Trinkwasser und Brandanschläge könnten einige Landstriche vor allem im Süden wegen der anhaltenden Dürre unbewohnbar werden. Können wir da überhaupt noch gegensteuern?
Wolf Harlander. Es gab bereits in der Vergangenheit mehrere Anschläge auf die heimische Wasserversorgung. Die Gefahr hat mittlerweile auch die Bundesregierung erkannt: Das Bundesforschungsministerium fördert aktuell ein Projekt mit Namen „Terrorabwehr in der Trinkwasserversorgung“. Es geht dabei um die Frage, wie die deutsche Trinkwasserversorgung Sicherheit gegenüber Sabotage oder Terroranschlägen herstellen kann.
Das Versagen der Behörden
Vieles in ihrem Roman zeigt Parallelen zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Aber die gab es noch gar nicht, als Sie den Roman schrieben. Wie gut sind Ihrer Meinung nach Berlin oder Brüssel auf mögliche Naturkatastrophen wie eine großflächige Dürre vorbereitet?
Wolf Harlander. In Deutschland sind Regierung und Behörden nicht auf eine Wasserkrise vorbereitet. Für ein solches Katastrophen-Ereignis gibt es keine erprobten Notfallkonzepte, wie die Wasserversorgung für die über 80 Millionen Menschen sichergestellt werden kann. Und es fehlt überdies die nötige Ausrüstung. Dieses Versagen wird sich im Ernstfall bitter rächen.
Info: Das Buch von Wolf Harlander „42 Grad“ erscheint am 30. Juni bei Rowohlt und kostet 15 Euro.
Juli 21, 2020
Vieles an diesem Bericht erinnert mich an die dunkeln Jahre meiner ponsichen Kindheit. Die Bewältigung des Alltages in Polen war unter dem Sozialismus und den damit einhergehenden Einschränkungen prägten das Leben dre Menschen. Heute bereisen auch wir Polen die Welt und dürfen so schon seit vielen Jahren das exotische Bestaunen und bewundern. Leider gerät all zu oft in Vergessenheit, dass auch wir mal ein exotisches Land waren. Heute sind wir das zum Glück nicht mehr, heute reisen die Menschen aus der ganzen Welt nach Polen und erleben hier von der Ostseeküste bis in die Mittelgebiergslagen ein attraktives ud nicht zu teures Reiseland. Möge auch unser ehemaliges exotisches Land auch in Zukunft noch liberal und frei sein.