Mit der „Premium Economy“, die Lufthansa – dem Vorbild anderer Marken-Airlines folgend – gerade einführt, wiederholt sich dieses Spiel. Wieder löst mit dem neuen Sparzwang ein Wandel in der Geschäftsreise-Welt die Innovation aus. Wieder wird eine zusätzliche Klasse eingeschoben. Wieder spielen Abgrenzung und Status eine Rolle. Aber auch handfeste wirtschaftliche Fragen. Noch sind sich die Airlines dieser Welt nicht ganz einig, wie die perfekte „Premium Eco“ aussieht, wie und wo sie vermarket wird – und ob sie überhaupt sein muss. In der Touristischen Runde stellte Annette Mann, Leiterin Einführungsmanagement Premium Economy bei Lufthansa, die neue Klasse vor, Stefan Eiche, General Manager Central Europa bei SAS, 2011 für die weltbeste Premium Economy ausgezeichnet, berichtete über die Erfahrungen mit der Luxus-Eco, und Bernd Behrend, Inhaber der Beratungsgesellschaft Aviation & Tourism Networks, bewertete die Chancen. Mit ihrem Modell einer Premium-Economy-Sitzgruppe punktet Annette Mann gleich zu Anfang – und Moderator Ulrich Pfaffenberger fühlt sich sogleich an die Business Class in früheren Zeiten erinnert. In der Tat wäre der Sitzabstand mit 96,5 cm (Economy 78,7 cm) vor 20 Jahren noch Business-tauglich gewesen. Doch inzwischen hat sich viel verändert, wie Annette Mann erklärt: Die Business Class wurde immer luxuriöser und der Abstand zur Economy immer größer. In diese Lücke stoße nun die Premium Economy, die es bei der LH nur auf der Langstrecke geben werde. Mit der Einführung betritt Lufthansa erstmals seit 35 Jahren wieder Neuland. So lange hat es gedauert, bis man sich an eine neue Klasse wagte. Alles andere als Routine also, wie Annette Mann betont. Wenn im September 2015 die gesamte Flotte umgerüstet sein wird, wird es auf etwa zwei Dritte der Lufthansa-Maschinen außerhalb Europas vier Klassen geben. Damit will die Airline den Geschäftsleuten ein Angebot machen, die „nicht mehr Business fliegen dürfen“, aber auch Touristen, die mehr Wert auf Bequemlichkeit legen, dürfen sich angesprochen fühlen. Mit der Premium Economy kommt Lufthansa auch dem wachsenden Komfortbedürfnis der alternden Gesellschaft entgegen. Die Einführung lässt sich die Airline 130 Millionen Euro kosten. Zum Vergleich: Die neue noch komfortablere Business Class schlägt mit einer Milliarde zu Buche.
Was genau bringt nun die Premium Eco der Lufthansa, Frau Mann? Die Lufthansa-Frau verweist auf das Modell: Der Sitz ist breiter, die Beinfreiheit größer. „Selbst ein Zweimeter-Mann stößt mit den Knien nicht mehr an.“ Von der Qualität des Sitzes aus dem badischen Markdorf, der bereits mit dem international renommierten Red Dot Design Award ausgezeichnet wurde, ist Annette Mann überzeugt. „Wir glauben wirklich, dass wir einen Sitz haben, der an der Spitze ist.“ Dazu kommt: Ein zweites Freigepäck-Stück und verbesserter Service an Bord wie Porzellan-Geschirr, Welcome-Drink und Amenity-Kit. Wer sich den Komfort gönnen will, muss mit rund 600 Euro Aufpreis für ein Return-Ticket rechnen. Allerdings werden in den einzelnen Flugzeugen nur zehn Prozent der Sitzplätze Premium Economy sein. Das ist bei der SAS, die bereits seit 2001 über eine Premium Economy, SAS Plus genannt, verfügt, anders, selbst wenn das Konzept „extremst nah an dem der Lufthansa“ ist, wie Stefan Eiche einräumt. Auch bei der SAS gebe es „komplett andere Sitze, anderen Service und andere Meilengutschriften“. Doch bei einer Drei-Klassen-Konfiguration mit Economy, SAS Plus und Business Class nehme für die SAS „die Wertigkeit der Premium Economy weiter zu“. Bei der Umrüstung der Flotte bis 2015 würden deshalb auch mehr Sitze dazukommen. Auch Unternehmensberater Behrend sieht einen wachsenden Markt für die nicht mehr ganz so neue Klasse. Immerhin verfüge EVA Air mit der Elite Class schon seit 1992 über eine Premium Economy. Der Lufthansa zollt er trotzdem Lob für den Schritt in eine Vier-Klassen-Fluggesellschaft. Bei den Ferienfliegern sieht Behrend Probleme mit der zusätzlichen Klasse, nicht nur wegen der geringeren Margen, auch wegen saisonaler Abhängigkeiten. Was den Preis angeht, müsse er „irgendwo zwischen Business und Economy liegen, „je nachdem was der Markt hergibt“. Wobei durchaus zu unterscheiden sei, wie die einzelnen Airlines ihre Premium Economy definieren. Bei Delta, berichtet Ulrich Pfaffenberger, seien es zehn Zentimeter Abstand, für die z.B. bei einem normalen Transatlantikflug ein Aufpreis von 60 Dollar fällig sei. Und Thai Airways setze teilweise alte Business Sessel in der Premium Economy ein. Da stelle sich dann auch die Frage, wie Allianz verträglich die neue Klasse sei. Für SAS-Mann Stefan Eiche ist es „immer ein Problem, wenn der Partner nicht die gleichen Klassen-Kriterien erfüllt“. Der Luftfahrt-Markt sei extrem komplex. Aber „wir wollen keinen Kunden wegschicken“. Deshalb lege die SAS auch Wert darauf, dass Preise und Konditionen für die Passagiere so einfach und transparent wie möglich sind. Grundsätzlich, so bestätigt auch Annette Mann, gilt: Je konditionierter ein Ticket ist, desto günstiger ist es – in jeder Reiseklasse. Je flexibler es ist, desto teurer. Spielraum nach unten in der Economy sieht keiner der Referenten. Die Lufthansa schon gar nicht, so Mann, strebe die Airline doch fünf Sterne bei Skytrax an. Und für Stefan Eiche ist das (k)eine Frage des Qualitätscarriers, „entscheidend ist die Bequemlichkeit des Sitzes“. Bernd Behrend weist zum Schluss auf das Nadelöhr Flughafen hin und die Unbequemlichkeit des Check-ins für Economy-Passagiere. Für die Premium Eco der LH werde das auch weiterhin so sein, bedauert Annette Mann. Bei SAS dagegen werden SAS Plus-Gäste bei Check-in und Sicherheitskontrolle wie Business-Passagiere behandelt und erhalten auch Zugang zu Business-Lounges. Und was bringt die Zukunft? Etihad will künftig seinen betuchten Kunden mehr Privatheit im Drei-Zimmer-Luxusappartement samt Butler bieten – für schlappe 20 000 Dollar. Dagegen nehmen sich die Einstiegspreise der LH für die Premium Economy von 1200 Euro ausgesprochen bescheiden aus.
19Mai. 2014