Tegernsee: Da denkt der eine an teure Läden, noble Hotels, exklusive Sternerestaurants und protzige Fußballer-Villen. An den Lago di Bonzo eben, wie der See schon im Dritten Reich hieß, als Nazigrößen wie Himmler und Röhm hier wohnten. Der andere fühlt sich vom glasklaren Wasser angezogen, von den properen und kostenlosen (!) Strandbädern, vom unverbauten Rundblick und den Bergen ringsum. Bergsteigen und Baden – auch das kann man am Tegernsee. Wir haben’s ausprobiert.
Fußlahm sollte nicht sein, wer sich den Riederstein als Wanderziel aussucht. Der von einer Kapelle gekrönte Felssporn ist weithin sichtbar und verspricht nach einem schweißtreibenden Aufstieg über 600 Stufen einen Rundumblick im 3D-Format. Los geht’s ganz harmlos in Tegernsee. Ein schattiger Weg führt aufwärts, vorbei an Häusern und Gärten bis hinauf zu einem großen Anwesen, das ein stattlicher bronzener Steinbock bewacht. Der 59-jährige Rudi Hauptvogel, ein kerniges Mannsbild, weiß, dass der Pflieglhof früher ein klösterlicher Lehenhof war. Das war einmal. Bäuerliche Anwesen gibt es rund um den See kaum mehr, dafür immer mehr Alpenchalets, exklusive Hotels wie den Lanserhof und teure Villen. Baugrund am Tegernsee ist Gold wert – nicht erst seit Uli Hoeneß hier sein Domizil hat.
Der Weg führt weiter durch ein Wäldchen hinauf zum aussichtsreichen Pfliegleck, das von einem Kreuz gekrönt wird. Von hier oben hat man einen Postkarten-Blick auf den See, der alles relativiert: Auch die großen Villen wirken klein wie Spielzeughäuser. Ein Schluck aus der Sprudelflasche, eine kurze Rast zum Verschnaufen, ehe es weiter geht in Richtung Riederstein. Die Sonne brennt vom Himmel und ohne den Schatten der Bäume gerät man beim Wandern schnell ins Schwitzen. Verführerisch liegt die Galaun-Hütte im sattgrünen Grashang vor dem Felssporn des Riedersteins. Ein Weißbier wäre jetzt schön! Aber vielleicht ist es besser, zuerst hinaufzusteigen zur Kapelle und auf dem Rückweg einzukehren.
Die vielen Stufen kosten so manchen Wanderer die letzte Puste. Auch deshalb macht der Alpenrudi zwischendurch Halt. Der studierte Diplom-Ingenieur, der lange als Manager bei der Telekom gearbeitet hat, ist ein erfahrener Heimatführer und weiß, wie man Wanderungen mit Informationen und kleinen Anekdoten würzt. Bei der Lourdes-Grotte gleich neben den Stufen erzählt er von dem Wildschütz, der von Jägern erschossen wurde. Wo seine Gebeine gefunden wurden, erinnert heute ein Marterl an das für Bayern so typische Jager-Drama. Zum Innehalten (und unauffälligem Verschnaufen) laden auch die 14 vom Tegernseer Malermeister Babl gestalteten Kreuzwegstationen ein, die 1898 eingeweiht wurden – die eher ungewöhnliche 14. Tafel zeigt die Grablegung Jesu.
Endlich oben! Der Rundum-Blick auf schroffe Bergspitzen, auf Häuserwürfel im Märklin-Format, auf Wiesengrün und Himmelblau entlohnt für die Mühen des Aufstiegs. Und Rudi hat Zeit, uns die Legende zu erzählen, die sich um den Bau der neugotischen Kapelle rankt. Auch hier ist die Hauptperson ein Jäger. Der gute Mann traf auf dem Felssporn auf einen angriffslustigen Bären, den er mit einem Schuss außer Gefecht setzte. Der Bär fiel vom Felssporn und rettete dem Jäger das Leben. Denn der Schütze stürzte ebenfalls in die Tiefe, landete aber weich – auf dem toten Bären. Zum Dank für die Lebensrettung gelobte er den Bau der Kapelle. Durch die Fenster kann man die Pieta im Inneren bewundern, ehe es an den Abstieg geht. Diesmal vermeidet Rudi die Stufen und führt sein Grüppchen über einen urigen Waldsteig hinunter zur Galaun-Hütte. Das Weißbier auf der Terrasse schmeckt himmlisch und der Weg hinunter nach Tegernsee ist danach eine leichte Übung.
Der See, angenehm temperiert, lockt zum Bade. Und siehe da: Rund um den rund sechs Kilometer langen und 70 Meter See gibt es viele Möglichkeiten, mal schnell ins Wasser zu springen. Zwischen Tegernsee und Rottach sogar mit Sandstrand und – bei freiem Eintritt. Wer redet da noch vom Lago di Bonzo? Info: Tegernseer Tal Tourismus GmbH, Hauptstr. 2, 83684 Tegernsee, Tel. 08022/92738-0, E-Mail: info@tegernsee.com, www.tegernsee.com Kontakt zu Rudi Hauptvogel: http://www.alpenrudi.de
05Aug. 2014