„Ungewissheit ist Gift für die Urlaubsplanung“

Nachdem im südlichen Afrika die neue Corona-Variante Omikron entdeckt wurde, wurden Länder wie Südafrika, Namibia und Botswana als Virusvariantengebiete eingestuft. Einige Staaten haben den Flugverkehr ins südliche Afrika unterbrochen. Was das für die dortige Tourismusbranche und für Afrika-Veranstalter bedeutet, darüber habe ich mit Florian Keller vom Individualveranstalter Enchanting Travels gesprochen, der selbst in Nairobi lebt.

Herr Keller, inzwischen wurde die neue Corona-Mutante Omikron auch in Europa festgestellt. Das Virus reist also jetzt schon um die Welt. Trotzdem wird vor allem vor Reisen ins Südliche Afrika gewarnt. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa kritisierte die Reisebeschränkung als Diskriminierung. Teilen Sie seine Meinung?
Florian Keller. Ich teile diese Meinung. Die Weltgesundheitsorganisation hat diese Reisebeschränkungen ebenfalls kritisiert und hervorgehoben, dass allgemeine Reiseverbote, wie sie von zahlreichen Ländern verhängt wurden, die Ausbreitung der Omikron-Variante des Corona-Virus „nicht verhindern“ können. Zudem könnten sie sich negativ auf die künftige Bereitschaft der Staaten auswirken, die entscheidenden Gesundheitsdaten zu neu auftretenden Varianten zu übermitteln.

Buchungen in das südliche Afrika – hier Namibia – hatten gerade wieder angezogen

Welche Folgen befürchten Sie denn für den Kontinent, der ohnehin stark unter Corona leidet?
Florian Keller. Alle Länder im südlichen Afrika sind sehr stark vom internationalen Tourismus abhängig. Dieser Einnahmequelle ist enorm wichtig für die Schaffung und Erhaltung von hundert tausenden von Arbeitsplätzen. Viele von diesen sind in den letzten zwei Jahren verloren gegangen, da die internationalen Touristen aufgrund von Corona ausblieben. Nun begann sich der Tourismus Sektor gerade zu erholen, und die ersten Gäste reisten wieder in das südliche Afrika. Dies ist nun mit einem Schlag wieder vorbei – für viele Tourismus Unternehmen, die sich durch die letzten beiden Jahre durchgekämpft haben, könnte sich dies verheerend auswirken, und damit auch auf die Menschen, die dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren.

Vor allem der Safari-Tourismus spielt in Südafrika, Botswana, Simbabwe, Namibia aber auch in Kenia eine wichtige Rolle. Wie gefährlich ist es für die geschützten Tiere, wenn die Touristen ausbleiben?
Florian Keller. Buchstäblich lebensgefährlich. Die Existenz vieler Wildreservate hängen von den Einnahmen aus dem Tourismus ab. Nur so können sie es sich leisten, die Gehälter von Rangern und anderen Angestellten zu zahlen und damit sicherzustellen, dass die Tiere in den Wildreservaten vor Wilderern geschützt werden und dass der Lebensraum den Tieren vorbehalten bleibt. Darüber hinaus wird die Wilderei zunehmen, wenn Menschen ihren Arbeitsplatz im Tourismus verlieren und damit oft auch ihre Existenzgrundlage. Viel Wilderei resultiert ja aus Verzweiflung und Mangel an alternativen Einkommensquellen.

Selbst für die Löwen sind Tierschutzreservate überlebenswichtig

In Südafrika explodieren die Ansteckungszahlen vor allem bei jüngeren Leuten. Wissenschaftler glauben, dass sich die Mutante in Zusammenhang mit dem HIV-Virus entwickelt haben könnte, einem Virus, das in Afrika grassiert. Können Sie trotzdem Touristen guten Gewissens in die Länder des südlichen Afrikas schicken?
Florian Keller. Ich war bis letzte Woche selber in Südafrika und habe vor Ort erlebt, dass alle Hotels und andere Reiseanbieter sehr strikte Corona Hygieneregeln befolgen. Ich habe mich zu jeder Zeit sicher gefühlt in Südafrika und wir haben das gleiche Feedback von allen unseren Gästen erhalten.

Was raten Sie unternehmungslustigen Touristen, die trotz Corona nicht auf Reisen nach Afrika verzichten wollen?
Florian Keller. Das östliche Afrika ist bisher von keinen Reiserestriktionen betroffen, die Inzidenzrate beispielsweise in Kenia, wo ich lebe, ist sehr niedrig, und das Land verfolgt eine sehr transparente Coronapolitik. Daher ist derzeit aus meiner Sicht eine fantastische Zeit für eine Reise. Und wer jetzt reist, leistet einen Beitrag für die Wirtschaft des Landes und damit auch für die Menschen.

Auch die Straßenhändler sind auf Touristen angewiesen.

Wie können Sie sicher sein, dass die Devisen auch bei den Menschen ankommen und nicht in zweifelhaften Kanälen versickern oder von Hotelkonzernen abgesaugt werden?
Florian Keller.  Diese Frage stellt sich aus meiner Sicht durchaus bei Entwicklungshilfeprojekten und Spendenaktionen, jedoch deutlich weniger im Tourismus.  Hier werden klar definierte Leistungen von meist lokalen Dienstleistern erbracht, durch die Arbeitsplätze vor Ort geschaffen werden. Dies beinhaltet Hotels, Transportunternehmen, Fluglinien, Reiseführer, Anbieter von Aktivitäten usw. So kommen durch die Reisen unserer Gäste nach Afrika pro Jahr mehr als eine halbe Million Euro an Parkgebühren zusammen. Dieser Betrag deckt die Gehälter von 200 Park- Rangern ab, die wiederum den Schutz gefährdeter Wildtiere in fragilen Lebensräumen gewährleisten.

Wie schätzen Sie die Ansteckungsgefahr speziell in Südafrika ein?
Florian Keller. Insgesamt gering. Auf Safaris ist Social Distancing einfach. Alle Lodges haben eigene Hygiene-Maßnahmen und Abstandsregeln. Oft ist man mit dem Guide allein unterwegs, auch bei der Begegnung mit Wildtieren. Das ist eigentlich ein Luxus, den man in normalen Zeiten extra bezahlen müsste. Jetzt könnte man Afrika erleben, wie man es vielleicht vor 30 oder gar 50 Jahren erlebt hat – und wahrscheinlich nie wieder.

Fast auf Augenhöhe: Rhinos bei der Wellness

Haben Sie Sorge, dass die Ausbreitung von Omikron den Tourismus weltweit wieder ausbremsen könnte?
Florian Keller. Die Sorge ist auf jeden Fall da. Wie es weiter geht, wird von den Erkenntnissen abhängen, die die Wissenschaft in den kommenden Wochen über die Omikron Variante gewinnen wird und von den Reaktionen der Regierungen darauf. Fest steht aber jetzt schon, dass uns im südlichen Afrika die Weihnachtszeit und damit eine Hochreisezeit kurzfristig wegbricht – nach einer langen Flaute. Was langfristig passiert, das weiß derzeit niemand. Eines ist jedenfalls sicher: Die Ungewissheit ist Gift für jede Urlaubsplanung.

Wie wollen Sie die Menschen wieder zum Reisen bringen?
Florian Keller. Wichtig sind Flexibilität und eine offene Kommunikation. Grundsätzlich kann ich einfach nur jedem und jeder empfehlen jetzt zu reisen. Das Preis-Leistungsverhältnis ist gut wie selten. Und nicht selten hat man im Reiseland sogar mehr Sicherheit als zu Hause. Selbst die Flugzeuge sind oft leer, und sonst überlaufene Ziele erlebt man jetzt ohne Touristenmassen.

Info: Florian Keller ist Chief Product Officer (CPO) von Enchanting Travels. Der Veranstalter bietet maßgeschneiderte Individualreisen nach Afrika, Asien, Lateinamerika, Australien und Ozeanien, Europa sowie in die Polarregionen an:  www.enchantingtravels.com/de

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