Er ist ein Dieb, einer, vor dem keine Brieftasche sicher ist. Geld bedeutet ihm nichts. Er stiehlt, um in Übung zu bleiben oder auch um des Hochgefühls willen, das ihn bei erfolgreichen Beutezügen überkommt. Klauen ist für ihn Kunst und kunstfertig ist er. Eigentlich ist dieser Dieb aber ein netter Kerl mit einem guten Herzen. Dass ihm genau das zum Schicksal wird, ist die bittere Ironie dieser seltsam eindringlichen Geschichte, die der Japaner Fuminori Nakamura in einer schnörkellosen Sprache aber mit unerhörter Wucht erzählt.
Sein schmaler Roman, der so harmlos mit diebischen Streifzügen beginnt, spricht existentielle Fragen des Menschseins an. Ohne es zu ahnen ist der Dieb schon lange nicht mehr Herr seines Geschicks. Da kann er sich noch so sehr bemühen, er entkommt dem nicht, was ein scheinbar allmächtiger und allgegenwärtiger Gangsterboss ihm zugedacht hat. Dieser Kizaki, ein wandlungsfähiger Sadist aus den Reihen der japanischen Gangsterorganisation Yakuza, ist ein Strippenzieher aus Leidenschaft. Menschenleben bedeuten ihm nichts. Er inszeniert Morde wie Bühnenstücke. Schicksal, davon ist er überzeugt, „ist wie das Verhältnis zwischen Topdog und Underdog.“ Wobei klar ist, wer hier der Underdog ist oder auch die Marionette. Der Dieb geht buchstäblich durch die Hölle, ehe sich sein Schicksal erfüllt. Oder hat er doch noch eine Chance?
Am Ende findet er eine Münze in seiner sonst leeren Hosentasche. „Dieser Bastard unterschätzt Taschendiebe, dachte ich.“ Und dann schleudert er die Münze in die Luft: „Der Schmerz war fast unerträglich. Die blutrot gefärbte Scheibe schob sich vor die Sonne und leuchtete schwarz am Himmel, als hoffe sie auf ein Wunder.“
Info: Fuminori Nakamura, Der Dieb, Diogenes, 211 S., 22 Euro
01Okt. 2015