Taugen Filmdrehorte als Touristen-Ziele?

Filme sind die beste Werbung für Urlaubsgebiete, haben Marktforscher herausgefunden. 2012 etwa haben sich laut einer Studie weltweit etwa 40 Millionen Reisende von Filmen zu ihren Reisen inspirieren lassen. Vor allem junge Menschen, Erstbesucher, Städtetouristen und Angehörige der aufstrebenden BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) reisen gerne an Filmdrehorte, so das Team von TCI Research, einer in Brüssel ansässigen Forschungsgemeinschaft. Deren CEO Olivier Henry-Biabaud ist sogar überzeugt davon, dass die Unterstützung von Filmaufnahmen für eine Destination mehr bringen könnte als groß angelegte Werbekampagnen. Und damit steht er nicht allein. Immer mehr Reiseländer, Agenturen, ja sogar Hotels entdecken das Potenzial von Filmdrehorten für sich, allen voran Neuseeland, das sich erfolgreich als Heimat der Hobbits vermarktet, aber auch Indien, das nach dem Erfolg des Film „Life of Pi“, Schiffbruch mit Tiger nun sogar einen „Tiger-Tourismus“ in der ehemals französischen Kolonie Pondicherry propagiert. Doch wir müssen gar nicht in die Ferne schweifen. Auch Bayern positioniert sich immer erfolgreicher als Filmland. Der in den Bavaria Filmstudios gedrehte Film „3096 Tage" über Natascha Kampusch ist derzeit in den Kinos zu sehen. Welches touristische Potenzial haben Filmdrehorte, fragte die Touristische Runde

Das Potenzial sahen die Experten wohl, schränkten aber ein, dass Filmdrehorte eher etwas für Spezialisten seien, kein Massenphänomen. Nico Rössler, Leiter der Bavaria Filmstadt, freut sich zwar über jeden Film, der in den Kulissen der Filmstadt gedreht wird, weiß aber auch, dass Problemfilme wie der über NataschaKampusch keine Besucher bringen. Das Beste seien Comedy-Blockbuster, die familienfreundlich sind wie etwa „Traumschiff Surprise – Periode 1“, „Asterix und Obelix gegen Caesar“ oder der 5. Teil der „Die Wilden Kerle“–Reihe. Könne man dazu auch noch interaktive Attraktionen anbieten, seien die Besucher glücklich. „Leider sind Filme, die uns gut tun, nicht so häufig“, bedauert Rössler. Eine Ausnahme unter den Problemfilmen ist seiner Meinung nach „Das Boot“, da die Besucher diesen Filmklassiker mit der Bavaria Filmstadt verbinden und die „unmittelbare Erfahrung“ suchen, sich durch das Originalmodell des U-Boots zu zwängen und hautnah nicht nur zu erleben, wie eng ein U-Boot tatsächlich ist, sondern auch nachzuempfinden unter welchen räumlich sehr begrenzten Bedingungen die Dreharbeiten in der Kulisse stattfanden. Immerhin lassen sich durchschnittlich 400 000 Besucher pro Jahr von den rund 30 Attraktionen der Filmstadt in eine andere Welt entführen. 
Dass Bayern als Kulisse auch für internationale Filme immer beliebter wird, bestätigt Anja Metzger, Film Commissionerin beim FilmFernsehFonds Bayern. Als 2010 „Die drei Musketiere“ unter weiß-blauem Himmel gedreht wurden, habe die Region um Burghausen als Gascogne herhalten müssen. Mehr noch: „Wir haben auch Venedig gecovert oder den Orient bei dem Film Baron Münchhausen.“ Bayern könne alles, auch Berlin, sagt Metzger zufrieden. Wo gedreht werde, habe mit Finanzierungsbausteinen zu tun und natürlich auch mit dem nötigen Personal und den vor Ort vorhanden Studiobetrieben. Vor allem in Sachen Filmtechnik seiBayern die Nummer 1, betont die Fachfrau und verweist auf die 16 Technik-Oskars für Arri. Touristentauglich wurden die Drehorte ihrer Meinung nach allerdings erst mit dem „Bullen von Tölz“, also vor rund zehn Jahren. Damals sei man in Bad Tölz zunächst ratlos gewesen, wie man sich als Drehort vermarkten soll. Inzwischen nennen sich der Ort das „Beverly Hills von Oberbayern“ und biete witzige Führungen hinter den Kulissen an. „Das hat sich herumgesprochen“, sagt Metzger, „und daraufhin wollte jede Region ihren ‚Bullen‘ haben“. Auch in der Vorabendserie „Rosenheim Cops“ sieht sie einen Riesen-Werbeeffekt für Bayern: „Wir erleben gerade die Kriminalisierung Bayerns.“ Als Film Commissioner ist Anja Metzger regelmäßig in ganz Bayern unterwegs und sie arbeitet auch eng mit derBayern Tourismus Marketing zusammen – eine „WinWin-Situation für beide“. Allerdings dauere es, bis die Politik diese „fantastischen Synergien“ erkenne. Dass Städte und Regionen finanzielle Anreize bieten, um als Drehorte berücksichtigt zu werden, ist nach Metzgers Erfahrung eher selten. Als absolutes Novum bezeichnet sie die Absicht Nürnbergs, für FFF-geförderte Filme keine Drehgebühr zu verlangen. Grundsätzlich seien die Konditionen für Dreharbeiten in der Region günstiger als in der Großstadt München. Jeder Ort hoffe natürlich darauf, dass er durch Filme in den Köpfen der Zuschauer verankert werde.
Markus Aicher, Leiter der BR Kinoredaktion im Hörfunk und Gründer der Musikfilmtage Oberaudorf, ist da eher skeptisch. Seiner Meinung nach funktioniert es nur bei echten Kultfilmen oder Serien, dass sich Filmdrehorte in den Köpfe der Zuschauer einprägen. Noch schwieriger sei es, die Bürgermeister davon zu überzeugen, dass vor Ort gedreht Filme sich auch finanziell lohnen könnten. Oberdorf ist da laut Aicher eine echte Ausnahme. Eine wirkliche touristische Nachfrage können seiner Meinung ohnehin nur Serien generieren – durch ständige Wiederholung. Dass Kultregisseur Marcus Rosenmüller seinen Erfolgsfilm „Wer früher stirbt ist länger tot“ zu Teilen in Brannenburg gedreht habe, habe dem Ort keinen einzigen Touristen mehr gebracht – „oder ich vermute, die Tourismus-Information weiß nichts davon“. Allerdings sieht auch Aicher in Filmen durchaus ein touristisches Potenzial, das darauf wartet, gehoben zu werden. Der Bergdoktor etwa habe dem Zillertal einen Boom verschafft und die BR-Serie „Dahoam is dahoam“ sei ein wichtiger Magnet. So etwas hätte auch Oberaudorf gerne und hat nun mit Unterstützung von örtlichen Sponsoren einen mit 15 000 Euro dotierten Drehbuchpreis ausgeschrieben. 
Was die Rosenheim Cops für Oberbayern ist Kommissar Kluftinger für das Allgäu. Erih Gößler, die in Füssen Führungen auf den Spuren des grantelnden Allgäuer Ermittlers durchführt, spricht von einer Riesen-Resonanz. Und die Allgäu GmbH hat nach der Verfilmung von „Erntedank“ eine Panoramakarte mit Dreh- und Tatorten aufgelegt. „Unser beliebtestes Werbemittel“, sagt Pressesprecherin Simone Zehnpfennig dazu. 
Dass die Wirkung von Filmdrehorten auch lange anhalten kann, hat Erih Gößler auch erfahren. Im vorigen Jahr führte sie eine internationale Fan-Gruppe, die sich nach 50 Jahren auf die Spuren von Steve Mc Queen und dem Film  „The great escape“ (Gesprengte Ketten) machen wollte. Glücklich hätten die Fans die Pension in Beschlag genommen, wo McQueen vor 50 Jahren übernachtet hatte und ehrfürchtig seien sie an der Stelle verharrt, wo der Star ausgerufen habe „Die Schweiz“ – und man den Säuling vor sich sähe. In diesem Jahr wollen sie alle wieder kommen und noch mehr Fans mitbringen, hat die Führerin erfahren, die sich von der Begeisterung der Gruppe auf der Suche nach den Original-Drehorten anstecken ließ. 
Für Dietmar Schulz, bei FTI Bereichsleiter Ozeanien, ist diese Erfahrung nicht generell übertragbar. Er hat mit der Vermarktung von Filmdrehorten eher schlechte Erfahrungen gemacht. Das liegt auch an den Rechten, die Autoren und Filmproduzenten für sich reklamieren. So habe FTI in der Vergangenheit schon Touren auf den Spuren der Hobbits gemacht. „Das ging gut bis zur Verfilmung, ab da wurde es gefährlich.“ Für die Verwendung von Begriffen wie Hobbit oder Mittelerde habe eine beträchtliche Geldstrafe gedroht. Nun hießen die Touren „Follow the film“ und nur im Kleingedruckten könne man nachlesen, worum es dabei gehe. Grundsätzlich glaubt Schulz, dass die Zielgruppe für solche Touren klein ist. Das hohe Budget, das für eine Neuseeland-Reise nötig sei, habe schließlich nicht jeder. Oft könne man die Motivation für die Reise auch nicht mehr feststellen, weil eine lange Zeit zwischen „Wunscherweckung und Realisierung der Reise“ liege. „Man weiß nie, ob’s funktioniert“, räumt der Experte ein. So wie bei Crocodile Dundee, der lange nachgewirkt habe – auch touristisch. Als Veranstalter gebe man deshalb die Hoffnung nicht auf, dass erfolgreiche Filme auch viele Touristen in ferne Länder locken. Wohl wissend, dass die Zielgruppe in dem Ausmaß schrumpfe in dem die Distanz wachse. 
Und was suchen die Touristen nun, die auf Filmdrehorte abfahren? „Bayerisches Lebensgefühl“ hofft Anja Metzger. „Eine Möglichkeit der Selbst-Versicherung“ meint Markus Aicher. „Touristischen Mehrwert“ vermutet Dietmar Schulz. Dass übrigens Städten das touristische Potenzial von Filmdrehorten durchaus bewusst ist, hat Barcelona bewiesen. Die Stadt lockte Woody Allen mit einer Million Euro und bekam mit „Vicki Christina Barcelona“ eine cineastisch geadelte Leinwand-Werbung.
Ein Kommentare
  • Simone Zehnpfennig
    Mai 6, 2013

    Wir hatten jetzt wieder 2 Gruppen im Allgäu, die die Kluftinger-Tatorte im Original sehen wollen. Reiseanlass war tatsächlich Kluftinger, als Mittel der Orienteirung diente die karte und durch düe Führungen ging man ins Detail.

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