Das ist nicht das Tallin, das ich kenne. Vor Jahren im Winter, von Schnee und Raureif überzuckert, hatte sich die estnische Hauptstadt als Winterkönigs Märchenreich präsentiert. Jetzt sehe ich vor lauter gleisenden Glastürmen kaum mehr den „langen Hermann“ auf dem Domberg, das Symbol des Landes, auf dem blau-schwarz-weiß die estnische Trikolore weht und das Parlament residiert. Tallinn, das die Nabelschnur zur neueren Geschichte rabiat durchtrennt hat, ist dabei, sich erneut zu häuten. Der baltische Tiger hat zwar in der Weltwirtschaftskrise an Biss verloren. Aber in Tallin, zusammen mit dem finnischen Turku europäische Kulturhauptstadt, zeigt das, was man einmal Raubtierkapitalismus nannte, die Zähne.
02Jun. 2011