Neue Reiseformen: Alles ändert sich – auch der Tourismus

Hinkt die Tourismusindustrie dem Zeitgeist hinterdrein? Bei der touristischen Runde in München zum Thema „Neue Reiseformen“ macht Freizeitforscherin Dr. Felizitas Romeiss-Stracke klar, dass sich die Branche schon seit zehn Jahren in einem Paradigmenwechsel befinde. Nur habe sie es noch nicht gemerkt.
Und ganz einfach ist es ja auch nicht, auf die individualisierten Wünsche einzugehen. Denn noch, so Romeiss-Stracke, existiere vieles nebeneinander – die Spaßgesellschaft und die Sinngesellschaft. Und dass seit 1990 sei eine neue Spaßgesellschaft aus den ehemaligen Mangelgesellschaften hinter dem Eisernen Vorhang hinzugekommen ist, mache das Durcheinander perfekt. Erschwert werde die Nachfrage-Analyse auch durch die gesellschaftlichen
Entwicklungen. Allein an Singles zeigte die Freizeitforscherin die
unterschiedlichsten Arten, von Nestflüchtlingen über weibliche Panik-
und männliche Frust-Singles bis zu allein lebenden Senioren. Ähnlich
kompliziert sind die familiären Verhältnisse, unter die man
nicht-eheliche Lebensgemeinschaften ebenso zählen müsse wie
gleichgeschlechtliche Beziehungen, Patchwork-Familien ebenso wie
Wohngemeinschaften und neue Großfamilien.
Alle diese Lebensformen äußern sich auch in unterschiedlichen Wünschen
und Perspektiven. Romeiss-Stracke macht eine Dreiteilung der
Gesellschaft aus: Auf der einen Seite die Spaßtouristen, denen es um
„Konsum, Spektakel, Völlerei und Wellness“ geht. Auf der anderen Seite
die Lohas (Lifestyle of health and sustainability) und Lovos (Liftstyle
of voluntary simplicity), die nach „Ästhetik, Authentizität,
Nachhaltigkeit, Gesundheit, Entschleunigung“ streben. Und dazwischen
die „aktiven Lifestyler“ mit einem Faible für „Kultur, Kommunikation,
Gastronomie, Ästhetik, Outdoor und Selfness“. Dass es bei diesen drei
Säulen auch Überlappungen gebe, schließt die Freizeitforscherin nicht
aus.
Auch den Reiseveranstaltern ist bewusst, dass sich die Gesellschaft
höchst unterschiedlich entwickelt – und damit auch die Reise. „Gerade bei Fernreisen geht der
Trend weg von Sonne und Strand hin zu Erleben und Erholen“, räumt
TUI-Fernreisechef Dr. Oliver Dörschuck ein. Die Menschen wollten zu sich
selbst finden und dabei auch was erleben. Das signalisiere schon die
Entwicklung im Fernreisemarkt, der „nach einer Delle im letzten Jahr“
wieder wachse, weil Fernreisen „einzigartige Erlebnisse“ böten. Mit
einem kleinen Angebot an exklusiven Entdeckerreisen will die TUI solche
Erlebnisse noch intensivieren und den Markt testen. Zu sieben Terminen
bietet sie sieben Reisen in sieben Länder an: Rundreisen voller
Überraschungen, u.a. auch mit einem Blick hinter die Kulissen des
Veranstalters, kombiniert mit einem Badeaufenthalt.
Die Inhalte dieser Reisen wurden zusammen mit Reisebüro-Expedienten und
den Reiseleitern vor Ort entwickelt. „Es hat unheimlich Spaß gemacht,
das Konzept mit Leben zu füllen,“ sagt Dörschuck und erzählt
begeistert, dass die Entdecker-Gruppe auf Jamaica nicht nur Bob Marleys
Studio besuchen, sondern dort auch einen Song aufnehmen werde. „Wir
machen Dinge möglich, die für andere nicht erreichbar sind“, stellt der
Fernreisechef befriedigt fest.
Auch Frano Ilic, Pressemann bei Studiosus, fühlt sich mit einem neuen
Reiseangebot auf der sicheren Seite. „Extratouren“ heißt das Rezept,
mit dem der Münchner Studienreisespezialist die Studienreise „neu
erfinden“ will. „Wir haben das ganze Programm komplett überarbeitet“,
berichtet Illic, „und weisen zum geführten Gruppenprogramm immer
Alternativen aus.“ Das Konzept funktioniere in 128 Ländern der Welt,
„auch in Usbekistan“. Vor allem jüngere Menschen, die mehr Freiheit für
spontane Entscheidungen auch auf Reisen forderten, sind die Zielgruppe.
Dass das Ganze vor allem für die Reiseleiter eine neue Herausforderung
bedeutet, will Illic nicht verhehlen.
Für Freizeitforscherin Romeiss-Stracke ist es wichtig, dass bei Reisen
das gesellschaftliche Korsett aufgebrochen wird. „Ich will mich auch
mal gehen lassen können“, gibt sie einen Trend vor. Oliver Dörschuck
sieht bei ein und demselben Gast die unterschiedlichsten Wünsche
vereint: „Mal Ballermann dann Erlebnisfernreise“.
Auf all das muss man sich bei den neuen Reisen einstellen und auch
darauf, dass „die Sehnsucht nach Nähe verbunden ist mit dem Gefühl, die
Gruppe immer weniger auszuhalten“ (Romeiss-Stracke). Frano Ilic ahnt,
dass bei den Extratouren noch „nachjustiert werden muss“.

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Den richtigen Kunden mit ihren aktuellen Motivlagen die Such nach dem richtigen Ziel und der richtigen Urlaubsform zu erleichtern, das sieht TUI-Mann Dörschuck
als wichtiges Ziel an, „eine Herausforderung an die Kataloge“. Und da,
räumt er freimütig ein, „haben wir noch einiges an Hausaufgaben vor
uns.“ 

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