München feiert 850 Jahre und hält Hof

„Die Bezeichnung Millionendorf für die Stadt ist zutreffender als das Gerücht von der heimlichen Hauptstadt.“

Es spricht für die Stadt, dass sie das eher zweifelhafte Kompliment von Herbert Rosendorfer an der Wand ihrer Tourismusinformation im neuen Rathaus präsentiert. Da also, wo die meisten Besucher sich ihre ersten Eindrücke von der weiß-blauen Metropole verschaffen. Wenn sie sich dann mit einer Stadtführerin auf den Weg machen, die ähnlich engagiert ist wie Helga Strohmayr, die im Fremdenverkehrsamt für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, dann wissen sie schon nach einem kurzen Rundgang, warum München trotz Schicki-Micki-Attitüde und vergangener Stoiber-Herrlichkeit eine lebens- und liebenswerte Stadt ist. So jedenfalls ging es der Touristischen Runde, die sich in knappen zwei Stunden von Helga Strohmayr und ihrer Kollegin Wagner nicht nur gut informiert, sondern auch glänzend unterhalten fühlte.
 

Die Entwicklung vom Kloster zur Millionenmetropole und zum High-Tech-Zentrum verlief geradezu sprunghaft und natürlich blieb dabei so manches auf der Strecke. Jetzt, zum 850. Geburtstag, will München Brücken bauen und den Bogen spannen von der Stadtgründung bis in die heutige Zeit. Brücken aber auch, die Gegensätze überwinden sollen: zwischen Alt und Jung, Arm und Reich, zwischen Ur-Münchnern und Zug’roisten und zwischen den verschiedenen Religionen.
Wer wissen will, wie alles anfing, muss zurück zu Heinrich dem Löwen, der durch einen Handstreich die Zolleinnahmen durch den Salzhandel an sich brachte. Der Welfe leitete den lukrativen Handel um, indem er kurzerhand die Brücke ins Brachland an der Isar nahe „Munichen“ verlegte. Ein Jahr später legitimierte Kaiser Barbarossa im „Augsburger Schied“ diese Aktion. Von da an wuchs München und wurde unter den Wittelsbachern immer prächtiger. Vor allem Ludwig I., weniger durch seine Vorliebe für die Antike als seine Affäre mit der Tänzerin Lola Montez berüchtigt, prägte die Stadt mit der prachtvollen Ludwigsstraße samt Feldherrenhalle und Siegestor, mit dem neoklassizistischem Königsplatz, der Alten und der Neuen Pinakothek und der Bavaria-Statue. Auch die Münchner Bürger hingen mehr am Klassischen als am Modernen. Mit elf zu zehn Stimmen sprach sich der Stadtrat 1867 dafür aus, das neue Rathaus in neugotischem Stil zu bauen, fast als eine Kopie des Brüsseler Rathauses. Und noch heute stehen Scharen von Touristen staunend vor der mächtigen, in Ehren ergrauten Fassade mit ihren filigranen Türmchen, dem Wittelsbacher Fürstenzyklus, den Fratzen und Sagengestalten und dem Glockenspiel.
Tatsächlich spätgotisch ist der Backsteinbau der Frauenkirche mit den beiden charakteristischen von Hauben gekrönten Türmen, die bis heute die Stadtsilhouette prägen. „Bei dem Bau haben sich die Münchner hoffnungslos übernommen“, erzählt Helga Strohmayr. „5000 Einwohner bauten eine Kirche für 20 000 Menschen.“ Kein Wunder, dass das Geld ausging und man den Kirchenbau schließlich durch Ablasshandel finanzieren musste. Bis heute hält sich das Gerücht, dass der Baumeister mit dem Teufel im Bunde war, weil er gerade mal 20 Jahre für den Bau benötigte und des Teufels Fußabdruck im Eingangsbereich, der Teufelstritt, wird immer noch gerne besichtigt. Soll doch hier der um seinen Lohn gebrachte teuflische Bauhelfer in die Hölle gefahren sein.
99 Meter hoch ragen die beiden Türme in den weißblauen Himmel und sind auch im heutigen München noch das Maß aller Dinge. Nach einem vom ehemaligen Münchner Oberbürgermeister Kronawitter initiiertem Bürgerbegehren darf innerhalb des Stadtgebietes kein neues Gebäude mehr diese Höhe überschreiten. „München stirbt“ titelte ein ehemaliger Münchner anlässlich des Stadtjubiläums und beklagte den architektonischen Stillstand in der selbst ernannten Weltstadt mit Herz.
Dass München auch anders kann ist in den Fünf Höfen zu sehen, die Brücke zur Tradition schlägt die Ziegelsteinarchitektur im Schäfflerhof. In den eher mondän anmutenden Fünf Höfen treten die Besucher Manhattan und andere Städte mit den Füßen. Nachtaufnahmen des Fotokünstlers Thomas Ruffs sind in den Boden eingelassen. Die Architekten Herzog & de Meuron haben auf den mehrheitlichen Wunsch der Bürger die Außenfassaden aus der Nachkriegszeit belassen, die Häuser ausgehöhlt und so Höfe und Passagen gestaltet. Hängende Gärten bringen Grün in die moderne Einkaufsmeile. „Das ist alles miteinander verrohrt und wird computerbetreut gegossen und gedüngt“, erklärt Helga Strohmayr. Die nicht gerade niedrigen Energiekosten werden auf die Geschäfte, die Hypobank und die Bewohner umgelegt. Im Viscardihof fällt die riesige Kugel aus  ineinander geschlungenen Edelstahlbändern ins Auge, die – immerhin zehn Tonnen schwer – ganz luftig und leicht wirkt. Geschaffen wurde die Skulptur vom isländischen Künstler Olafur Eliasson. Kunst und Kommerz gehen in den Fünf Höfen Hand in Hand.
Dass man nichts umsonst bekommt, wusste auch schon Max Joseph, der 1806 als Maximilian I. Joseph erster bayerischer König wurde  – von Napoleons Gnaden. „Bayern wurde Königreich und 30 000 bayerische Soldaten starben 1812 in Russland“, kommentiert Helga Strohmayr den hohen Preis. Trotzdem war „König Max“ in Bayern beliebt. Seinen Untertanen schenkte er  das Nationaltheater, dem anfangs kein Glück beschert war. Als das Theater im Januar 1823 durch ein Feuer, das in den Kulissen entstand, bis auf die Grundmauern nieder brannte, war es so kalt, dass das Löschwasser gefror. Auch der Versuch, mit Bier zu löschen, misslang. Doch der Bierpfennig erbrachte innerhalb von zwei Jahren das Geld für den Wiederaufbau. Da waren die bayerischen Bierdimpfl doch zu etwas gut.
Dass Bier in München Tradition hat, ist im Bier- und Oktoberfestmuseum in der Sterneckergasse zu sehen, wo die Bierbarone von gestern aus ihren Bildern streng auf die Besucher von heute blicken. Im angeblich ältesten Bürgerhaus der Stadt, das lange Zeit leer stand und zum „Taubennest und Rattenloch“ verkommen war, können die Besucher jetzt alles Wichtige über die Geschichte des Gerstensafts erfahren bis hin zum bayerischen Reinheitsgebot und den letzten sechs, die von den ehemals 70 Münchner Brauereien noch übrig geblieben sind. Und natürlich darf auch das Oktoberfest nicht fehlen, wo ja der Gerstensaft alljährlich im September (!) in Strömen fließt. 6,2 Millionen Besucher aus aller Welt strömten im vergangenen Jahr auf die Theresienwiese.
Jetzt hofft die Stadt, dass möglichst viele Touristen zu ihrem Geburtstagsfest kommen, für das sie sich in Schale geworfen hat. Das Cuvillies-Theater, eines der schönsten Rokokotheater der Welt, eröffnet rechtzeitig zum Stadtgründungsfest am 14. und 15. Juni  und auch sonst gibt es viel zu sehen und zu erleben. Das Altstadtringfest am 19. und 20. Juli etwa mit einer Stadt-Revue und Szenen aus dem bäuerlichen München, das Isarbrückenfest vom 1. bis 3. August mit Musik, Tanz und Lichterglanz auf und unter den Brücken oder das Nachbarschaftsfest auf dem St. Jakobsplatz rund um das jüdische Museum mit Straßentheater und Klezmer-Musik.  Die Museen präsentieren Sonder-Ausstellungen   wie „Typisch München“ im Münchner Stadtmuseum oder „Münchner Secession“ in der Villa Stuck. Ein kultureller Höhepunkt ist die große Kandinsky-Ausstellung im Oktober im Lenbachhaus. 240 Seiten dick ist das Programm fürs Jubiläumsjahr und nicht nur Helga Strohmayr hofft, dass alle Besucher von der Weltstadt mit Herz überzeugt werden und Ernst Heimeran recht geben, der sagte:
„München will gar nicht erörtert, München will gelebt und geliebt sein.“ 

Informationen, Broschüren und Programme zum Jubiläumsjahr beim Tourismusamt, Tel. 089/233 96500, E-Mail:tourismus@muenchen.de, www.muenchen.de oder www.muenchen-tourismus.de

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