Der Schlossherr trägt Tracht: Kommerzialrat Otto Schober – grauer Schnauzer – empfängt im Innenhof von Schluss Weyer in Gmunden. „A kloaner Kasten“ sei das, sagt Schober, der seit 40 Jahren zusammen mit seiner Frau Renate – zierlich, weißer Haardutt – in den alten Mauern in Gmunden residiert. Derzeit muss in dem geschichtsträchtigen Schlösschen mal wieder restauriert werden. Schober nimmt das gelassen. Denn er ist auch stolz auf das Renaissance-Ensemble mit der Sonnenuhr von 1596, womöglich der ältesten in Oberösterreich, und der Kapelle, in die der Bischof immer noch zur „Visitation“ kommt.
Ein Heim für Meissener Porzellan
Doch vor allem ist das Ehepaar stolz auf die Sammlung von Meissener Porzellan „vom Barock bis zur Moderne“, die Renate Schobers Sammelleidenschaft zu verdanken ist. Über 1000 Exponate beherbergt Schloss Weyer und ist damit eine der bedeutendsten und sicher auch eine der schönsten Meissen-Porzellan-Sammlungen Europas. Seine Frau habe ihre Leidenschaft auf ihn übertragen, sagt Otto Schober und erlaubt sich schmunzelnd eine Anspielung auf die Wortkombination von Leiden und schaffen.
Eine Wienerin in Gmunden
Gelitten hat er wohl nicht sehr, und seine Frau quittiert den Scherz mit einem Lächeln. Die fünffache Mutter und zehnfache Großmutter („Ich bin um die 80, meine älteste Tochter ist 60, meine älteste Enkelin 40“) ist gelernte Edelsteinschleiferin und hatte schon von daher eine Liebe zu schönen Dingen und „dem Schmuckstück Meissen“.
Mit dem Berufsleben, sagt sie, habe sie erst im Alter von 40 Jahren angefangen, aber dann viele Berufe gehabt. In Wien führte sie eine Galerie für hochwertige Möbel und Gemälde. Und im Herzen ist sie bis heute Wienerin geblieben. Doch die Liebe zum Schlösschen und zu Gmunden sei mit der Zeit gewachsen, versichert sie. Schließlich hat ihre Sammlung in Schloss Weyer die ihr gebührende Heimat gefunden.
Die kaiserliche Fahne
Renate Schober kennt jedes einzelne Stück, und ihr Mann kann zu fast allen eine Geschichte erzählen. Zum Beispiel zu der kaiserlichen Fahne, die einst auf der Kaiservilla von Bad Ischl signalisierte, dass der Kaiser im Haus weilte. Bei einer Ausstellung im Schloss, erzählt Schober, sei auch eine alte, eher bescheiden gekleidete Frau unter den Gästen gewesen, die ihn auf ein Service angesprochen habe, das sie gerne haben würde. Auf seinen fragenden Blick hin habe sie erklärt, auch sie hätte etwas für ihn und ihm die Fahne präsentiert. Ihr Großvater, stellte sich heraus, war der letzte Pförtner der Kaiservilla und hat die Fahne unter Kohlen versteckt und so über die Zeit gebracht. Auch sie habe die Fahne lange aufbewahrt, erklärte die Frau, aber nun heirate ihre Nichte und sie wolle ihr ein besonderes Hochzeitsgeschenk machen. So wechselten Fahne und Service die Besitzer.
Glückliche Zufälle
„Es gibt, wenn man aufmerksam ist, viele glückliche Zufälle“, kommentiert Renate Schober die Anekdote. Aufmerksam war sie als Sammlerin immer, sie pflegte Freundschaften mit den Meissener Künstlern ebenso wie mit Politik und Adel. Ihre Sammlung sollte schließlich so vollständig wie möglich sein. „Uns fehlt kein Künstler“, sagt sie stolz. Manche Ausstellungsstücke wurden sogar nur für sie angefertigt, andere sind Doubletten aus dem Speicher des Meissener Porzellanmuseums.
Modenschau mit Meissener Porzellan
Renate Schober kennt jedes kleinste Detail der Exponate. An manche Episode erinnert sie sich besonders gern. Zum Beispiel daran, dass Karl Lagerfeld für eine Modenschau Meissen mit der Herstellung von Porzellanblättchen mit Perlen beauftragt hatte. „Es war ein Auftritt mit klingendem Porzellan“, sagt sie, „wie Sphärenklang“. Das Ereignis würdigte der „Figaro“ mit einer Titelseite – und die Porzellanmanufaktur Meissen mit einer Figur. Auch die steht in Schloss Weyer.
Ein Hofnarr für die G8
Eine ganz andere Geschichte könnte die Reproduktion des Hofnarren von August dem Starken erzählen – das Original , das den aus dem Salzkammergut stammenden Joseph Fröhlich zeigt, stammt von J.J. Kendler, dem „Vater der Porzellankunst“. Die Reproduktion, so erzählt es Otto Schober, sei seine Idee gewesen, letztlich wurde sie aber von Angela Merkel den damaligen Staatschefs anlässlich des G8-Treffens 2007 in Heiligendamm zum Geschenk gemacht. Acht Hofnarren wurden dafür in Meißen produziert – eine davon hatte sich der Ideengeber für die Sammlung in Schloss Weyer ausbedungen. Da musste wohl Gastgeberin Angela Merkel auf die ihre verzichten.
Man glaubt es dem Schlossherrn gern, wenn er davon berichtet, dass er auch als eine Art „Brückenknopf“ zwischen Österreich und der damaligen DDR tätig war und dabei half, die europaweit erste Ausstellung der DDR mit Meissener Porzellan im Museum für Angewandte Kunst in Wien zu organisieren. Auch aus dieser Ausstellung sind Original-Exponate in Schloss Weyer zu sehen.
Eine Tafel für Sisi und den Kaiser
Schobers diplomatisches Geschick hat sicher ebenso zur Vervollständigung der außergewöhnlichen Sammlung beigetragen wie der Charme seiner Frau. Und so wandert man mit großen Augen durch diese reich bestückten Räume in Schloss Weyer, bewundert da ein paar grazile Figurinen, dort den Elefantenleuchter von Max Esser aus dem Jahr 1921, liest interessiert die Geschichte des berühmten Schokoladenmädchens, das durch Heirat zur Gräfin wurde, und bestaunt das 1730 erstmals in Meißen hergestellte Service mit dem Dekor korallroter Hofdrache, das bis 1918 ausschließlich für den Hof reserviert war.
Fehlt nur noch Sisi. Aber da ist sie ja – in voller Schönheit auf einem Bild. Und daneben eine für sie und den Kaiser gedeckte Tafel, bei der nicht nur das Service original aus dem Kaiserhaus ist, sondern auch die weiße Tischwäsche mit dem Monogramm der Kaiserin Maria Josepha.
Zeitreise mit Porzellan
Es ist tatsächlich eine Zeitreise, zu der diese Sammlung einlädt – nicht nur durch 313 Jahre Meissener Porzellan, auch durch Geschichte und Politik. Hier könnte man wie Renate Schober „viele schöne Stunden“ verbringen und mit den Exponaten Zwiesprache halten. Auf kleinen Texttafeln geben sie Auskunft über sich und ihre Zeit.
Info. Galerie Schloss Weyer, Gmunden, Karl von Frey-Gasse 27, Tel. 0043/7612/65018. Das Haus ist derzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen und öffnet erst wieder im Juni. Nach telefonischer Vereinbarung sind allerdings auch derzeit Führungen möglich. Normale Öffnungszeiten bis 2. September: Di bis Fr 10-12, 14 bis 17.30 Uhr, Sa 10-13 Uhr.
Eintritt: 12 Euro, mit Salzkammergut-Card 9,50 Euro