Land ohne Hoffnung

„Wer die Schönheit dieser Erde erleben will, muss nach Pakistan reisen. Hier wird es so heiß, wie es auf Erden nur heiß werden kann. Hier erheben sich schneebedeckte Berge so hoch in den blauen Himmel, wie sie nur hoch sein können. In dichten Wäldern tun sich Lichtungen auf, Bäche plätschern dahin, Fisch darin. Obstplantagen, so weit das Auge reicht. Wüsten, durch die kein Durchkommen ist. Städte, so brodelnd wie eine Megametropole nur sein kann. Relikte alter Kulturen, die vom Beginn menschlicher Zivilisation zeugen. Es ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen.“

Wer diese Sätze von Hasnain Kazim als Aufforderung versteht, nach Pakistan zu reisen, hat die vorhergehenden 266 Seiten nicht gelesen. Denn da schreibt der Spiegel-Korrespondent, selbst Sohn pakistanischer Auswanderer, über diesen „Kosmos aus mehreren Parallelwelten“, der für ihn die pakistanische Gesellschaft ist. Er schreibt über die schreckliche Armut der vielen und den unfassbaren Reichtum der wenigen, über die Arroganz der Mächtigen und die Ohnmacht der Masse, über religiöse Fanatiker und lebensferne Diplomaten. „Plötzlich Pakistan“ hat er den Bericht über sein Leben „im gefährlichsten Land der Welt“ genannt. Denn eigentlich wollte Kazim als Spiegel-Korrespondent nach Indien. Weil er da aber unwillkommen war, zog er mit seiner Frau nach Pakistan. Seine pakistanischen Wurzeln waren immer wieder Türöffner, machten ihm aber auch das Leben schwer, weil er zwar aussieht wie ein Pakistaner und Muslim ist, mit den Gepflogenheiten pakistanischer Muslime jedoch nicht vertraut ist. Doch die Leser dieses Buches bekommen durch ihn eine Innenschau des Landes, das einmal ein beliebtes Hippie-Ziel war. Kazim geht mit offenen Augen durch den Alltag, macht sich über die handwerklichen Unzulänglichkeiten lustig und über die eigene Bequemlichkeit, die das Leben mir Personal mit sich bringt. Der Autor konfrontiert die Leser aber auch mit der blutigen Geschichte seines Geburtslandes, mit dem alltäglichen Terror und dem Irrsinn des Atomstaats. Er spricht mit einem jugendlichen „Gotteskrieger“ und dem Henker Pakistans, mit Politikern und Geheimdienstleuten, mit Künstlern und Wohltätern. So rundet sich das Bild eines tief gespaltenen Landes, das dabei ist, seine Zukunft zu verspielen.
Info: Hasnain Kazim, Plötzlich Pakistan – Mein Leben im gefährlichsten Land der Welt, dtv premium, 280 S., 14,90 Euro, ISBN 978-3-423-26077-0

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