Korsika: Tanz auf den Bergen

Die Räder sind auf dem neuesten Stand und Stefan, der Guide, durchtrainiert und ortskundig. Einer Radtour in die nordkorsischen Berge steht also nichts im Weg. Höchstens das Wetter. Denn das kann auf Korsika so launisch sein, dass alljährlich Menschen in den Bergen erfrieren. Im Hochsommer. 50 Zweitausender prägen das Inselprofil, mit 2706 Metern ist der Monte Cinto der höchste unter den Bergriesen. Aber auch der Monte Padro mit 2400 Metern Höhe ist ein imposanter Klotz. Er prägt das Gesicht der Insel im Nordosten und überragt das Hochtal der Giusanni.

Hier oben, wo Dörfer wie Adlerhorste in den Felsen kleben und Bauern
ihre Terrassen-Felder in Hänge gemauert haben, ist es fast schon
erfrischend kühl. Am Horizont steht ein watteweißer Wolkenberg so
wuchtig, dass er dem Monte Padro Konkurrenz macht. Unten schimmert
himmelblau das Meer und zwischen den Felsen behaupten sich wilde Nelken
und seltene Orchideenarten. Die Luft ist würzig, erfüllt vom Duft des
wilden Rosmarins. Zwischen den langen Serpentinen tanzt der Nebel einen
Schleiertanz, verdeckt die nächste Kurve, enthüllt ein neues
Bergpanorama.
Der Berg im Meer wird Korsika auch genannt und die Balagne im Nordosten
gilt als der Garten der Insel. Trotzdem stehen viele der
Naturstein-Häuser in den kleinen Weilern leer. Die Jungen ziehen in die
Städte oder gleich nach Frankreich. Doch verkauft wird nicht. „Den
Korsen ist ihr Boden heilig“, erklärt Stefan. Von Staats wegen werden
inzwischen für jedes Bergdorf Strandstücke ausgewiesen. So sollen die
Dörfer auch weitab von den frequentierten Küstenstraßen vom Tourismus
profitieren.
„Die Korsen haben ein gewisses Freiheitsdenken“, weiß der Rad-Guide aus
Düsseldorf. „Sie wollen nicht, dass ihre Insel balearisiert wird.“ Aber
Fremde sind überall willkommen. In Speluncato, einem der schönen Dörfer
der Balagne, versammelt sich gerade eine Hochzeitsgesellschaft am
Dorfbrunnen. In den steilen Gassen stehen die Türen der Häuser
einladend offen und in der Kirche weist eine Korsin freundlich auf die
Krypta aus dem sechsten Jahrhundert hin. Aus dem ehemaligen
Kardinalspalast ist ein Hotel geworden. Hier könnte man es einige Zeit
aushalten.
Stefan, blauäugig, kurze blonde Haare, Ring im rechten Ohr, hat sich
auf den ersten Blick in Korsika verliebt. „Ich kam, sah und wusste: das
ist meine Insel“. Der gelernte KfZ-Mechaniker („Ich war
Motorradschrauber“) hat zuerst Motorrad-Reisen organisiert und ist
schließlich als Rad-Guide beim Feriendorf  Zum Störrischen Esel hängen
geblieben. Radtouren durch die korsischen Berge sind für den
42-Jährigen die ideale Art, sich der eigenwilligen Insel und ihren
Menschen zu nähern.
Außergewöhnliche Begegnungen sind auf den verschlungenen Wegen keine
Seltenheit. Vor einer Kapelle über Olmi-Capella tanzt ein Pärchen
lasziv zur Musik aus der Konserve und ein Mann mit Hut schaut zu. Alban
und Estelle sind Schauspiel-Eleven aus Paris. Sie proben hier oben, „wo
es ruhig und schön ist“ und außer ein paar deutschen Radlern und
verschreckten Kaninchen niemand stört.Das brandneue Schauspielhaus des
147-Einwohner-Nests Olmi-Capella, ein mächtiger holzverkleideter Kubus,
zeugt davon, dass sich hier mitten in den korsischen Bergen, die Kultur
ihren Platz erobert hat. Alljährlich im Juli und August findet ein
internationales Theatertreffen statt. Zur selben Zeit gibt es die
Filmfestspiele in Lama, einem Dörfchen aus dem Mittelalter wie so viele
hier in der Gegend, wo man sich in der Zeitlosigkeit verlieren kann.
Autos machen sich rar auf den schmalen Straßen, auf denen Hunde in der
Sonne dösen und Kühe ihren Sonntagsspaziergang machen.
Dass es nicht immer so ruhig ist in den Bergen beweisen die
zerschossenen Verkehrsschilder. Gelangweilte Jäger nutzten sie wohl
gerne als Zielscheibe, aber auch Separatisten, die sich einen Spaß
daraus machen, die französischen Namen wegzuschießen. Ohne Stefan
könnte die Orientierung auf den kurvenreichen Sträßchen trotz der
Ausblicke auf himmelhohe Berge und verschwiegene Buchten problematisch
werden. Zumal Nebelwände immer wieder die Sicht verstellen. Doch wer
will sich schon auf der gut ausgeschilderten Nationalstraße zwischen
qualmenden Lastwagen und unberechenbaren Touristen-Autos abstrampeln.
Selbst wenn der Weg über Lumio führt, wo Laetitia Casta geboren und
entdeckt wurde und wohin die Schöne immer wieder zurückkommt.
Wahrscheinlich würde man das Top-Model zwischen all den schönen Korsinnen ohnehin
nicht erkennen…

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