Kleines Welttheater

Schon der Titel lässt einiges erwarten: Villa Metaphora heißt der neue Wälzer des italienischen Erfolgsautors Andrea de Carlo. Und der Roman wird dem mehrdeutigen Titel mehr als gerecht. De Carlo inszeniert auf einem Felseninsel im Meer nahe Sizilien, wo der Architekt Gianluca Perusato, ein Luxusresort für Superreiche konzipiert hat, nichts weniger als ein kleines Welttheater.
Das Personal, das er dazu auf der unwirtlichen Insel versammelt, ist auserlesen reich oder prominent und entsprechend anspruchsvoll: Die Hollywood-Diva Lynn-Lou Shaw, ein durch den Starkult sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch durchgeknalltes Gör mit seinem Noch-Ehemann, Brian Neckhart, einem Möchtegern-Psychologe. Das vornehm-zurückhaltende Ehepaar Cobanni. Der mächtige Banker Reiff, der über eine Liebelei mit einem Teenager gestolpert ist, mit seiner ungeliebten Frau. Die bissige Undercover-Journalistin Poulanc. Die nachdenkliche Lara, die Lynn-Lou Shaw eingeladen hat. Dazu kommen der von seiner Kunst überzeugte Koch Ramiro, der virile Bootsmann Carmine, der vergeistigte Schreiner Pablo und Perusatos Geliebte, die bodenständige Lucia. Eine brisante Mischung für ein Resort, das weit weg ist von allem und sich bestens für soziale Experimente à la „Herr der Fliegen“ eignen würde.
Doch es kommt noch schlimmer. Der aufdringliche Politiker Gomi stößt zu den Gästen, Reiffs Adlatus, der beflissene Mathias, folgt seinem Chef ins Exil, ein russischer Magnat mit seiner Gefolgschaft erkauft sich ein Abendessen. Es gärt merklich in der so unpassend zusammengewürfelten Gemeinschaft. Nur die Cobannis scheinen in ihrer Weltentrücktheit gegen die Spannungen immun zu sein. Und Lara und Paolo, die sich – Außenseiter, die sie beide sind – zueinander hingezogen fühlen. De Carlo gibt jeder seiner Personen eine eigene Stimme. Lässt den in die Diva vernarrten Carmine in einem kruden Sprachmix palavern und den Hollywood-Star in einem Gossenjargon. Er lässt die neugierige Journalistin selbstgerecht die Sünden der anderen im Netz recherchieren, den Politiker über die Ungerechtigkeit der Welt lamentieren und den sensiblen Koch am Geschmack der betuchten Gäste verzweifeln. So entlarvt sich jeder selbst. Nicht nur der schöne Schein trügt, auch die Gäste und ihre Gastgeber entdecken in der Grenzsituation ganz neue Seiten an sich.
Doch immer lauert da etwas im Hintergrund, etwas Unheimliches, schlimmer als die Menschen, die im Streit mal mit Worten aber auch mit den Fäusten übereinander herfallen. Es gibt die ersten Toten und dann ist die Villa wirklich von der Welt abgeschnitten. De Carlo entwirft ein apokalyptisches Szenario bis hin zu einer schaurigen Höllenfahrt. Ein abgründiges, witziges, spannendes Buch, das man am Ende nur ungern aus der Hand legt, auch wenn es der italienische Autor mit seiner hochromantischen Liebesgeschichte zwischen Lara und dem Schreiner etwas übertreibt.
Info: Andrea de Carlo, Villa Metaphora, Diogenes, 1088 S. , 26 Euro

 

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