Ja der Hans, der kann’s

Mit Extrembergsteiger Hans Kammerlander in den Dolomiten zwischen Weißhorn und Rosengarten. Kletter-Kostprobe inklusive. Er klebt in der steilen Wand. Nein, falsch. Er klebt natürlich nicht. Er schwebt. Die Füße in de klobigen Turnschuhen finden wie von selbst Halt im winzigsten Vorsprung, die Hände greifen in fast unsichtbare Spalten. Die Leichtigkeit des Kletterns macht an. Aber Fiona scheitert schon bei den ersten tastenden Versuchen und Elke will nur noch runter. Nur der Hans, der kann’s. Als Extrembergsteiger hat sich Hans Kammerlander, der Mann aus Ahornach im Tauferer Ahrntal international einen Namen gemacht ­ und doch ist er am Boden geblieben. Ein Südtiroler Bergbauernbub, der den Kindertraum von Aufbruch und Abenteuer für sich wahr gemacht hat und der doch in den Dolomiten zu Hause geblieben ist.
13 Achttausendern ist er aufs Dach gestiegen. Auf dem höchsten Berg der Welt ist er abgefahren ­ mit Skiern. Er war allein unterwegs, mit Bergkameraden und mit Reinhold Messner, dessen Kette er immer um den Hals trägt ­ als eine Art Talismann. Hat ihm doch der weltberühmte Landsmann „die Tür zu den hohen Bergen aufgestoßen”. Gerade erst ist der Hans von einer (gescheiterten) Expedition zurück gekommen. Der Jasemba, einer seiner Traumberge, hat sich der Südtiroler Seilschaft verweigert. Und jetzt ist er hier, in den Dolomiten, die für den Weitgereisten immer noch „die schönsten Berge der Welt” sind.
Die Gruppe, die ihm zur Durchquerung des Rosengartens folgt, ist nur bei derAuffahrt mit dem Paolina-Lift zusammen. Schon beim ersten Aufstieg scheidet sich die Spreu vom Weizen. Aber der Hans kümmert sich um alle, zeigt der Vorhut, wo’s lang geht und macht den Nachzüglern Mut. Es ist ein schöner Weg ohne viel Schwierigkeiten, aber die Blicke werden immer wieder abgelenkt ­ von den schroffen Felszacken des Rosengartens, von einem Murmeltier, das ein paar Meter vor uns vorbei huscht, von der Blütenpracht rings umher. Ein Schneefeld hat der heißen Sommersonne getrotzt. Riesige Felsbrocken liegen herum, als hätte ein Riesenkind mit ihnen Würfel gespielt. Dann zieht der Nebel einen grauen Schleier über die Bergspitzen. Im Nu sind wir hinter dem Vorhang verschwunden. Jetzt geht’s erst einmal steil bergauf. Wir tasten uns voran, sehen kaum mehr die nächste Wegbiegung. Aus dem Nebel dringen Stimmen, Vögel kreischen. Eine andere Gruppe ist schon oben auf dem Vaiolon-Paß.
Und dann haben’s auch wir geschafft. Plötzlich reißt der Nebel, die Schleier wehen noch um einige Gipfel, aber dazwischen strahlt die Sonne und lässt die steilen Wände rundum glänzen als wären sie frisch geputzt. Zeit für ein Picknick mit Aussicht. Gerhard hat sein Vinschgerl aus dem Rucksack geholt. Doch er isst nicht lange allein. Ein paar Bergdohlen sind aufmerksam geworden. Die putzigen Gesellen mit dem samtschwarzen Gefieder und dem gelben Schnabel umflattern ihn aufgeregt. Sie gönnen ihm gerade noch die Butter vom Brot. Das Brot selbst fangen die gefiederten Artisten im Flug.
Hans mahnt zum Aufbruch. Von Westen rückt eine dunkle Wolkenwand näher und wir haben noch ein Stück Weg vor uns: hinunter zur Rotwand-Hütte und hinüber zum Paolina-Lift. Auf der kleinen Kletterpartie nach unten zeigt der Hans noch einmal seinen Tanz im Fels. Und dann macht das Wetter uns Beine. Der Himmel hat sich verdunkelt Schwarz, schwärzer, Gewitterschwarz. Wir haben gerade die Hütte erreicht, da prasselt der Regen herunter. Wer jetzt noch draußen ist, wird klatschnass. Die Hütte füllt sich in Windeseile. Man rückt eng zusammen und erzählt von den Erlebnissen am Berg.
Eine Stunde später ist alles vorbei. Draußen glitzern die Wiesen, als hätte der Zwergenkönig Laurin, der Herr des Rosengartens, seine Diamanten ins Grün gestreut. Die Sonne lacht, als hätte sie sich nur einen Scherz erlaubt. Wir wandern gemütlich den Weg entlang zur Paolina-Hütte. Dort wartet schon eine ausgiebige Jause auf die Bergsteiger ­ und ein kühles Bier. Dankbar gönnen wir unseren Füßen eine Auszeit. Nur der Hans denkt jetzt schon wieder ans Klettern. Aber für ihn war unser Bergerlebnis ja auch nur ein Spaziergang.

Wer mit Hans Kammerlander wandern will, kann sich zu einer geführten Wanderung mit dem Extrembergsteiger anmelden. Zum Beispiel zur 14-stündigen Tour in der Rosengartenkulisse. Info zur Teilnahme und Anmeldung im Tourismusbüro Tiers am Rosengarten, Tel: 0039/0471/ 642127. Der Preis von 90 € beinhaltet Führung, Jause, Verpflegung auf den Hütten und Wanderkarte. Ausdauer und gute Kondition sowie Trittsicherheit sind Voraussetzung. Gestartet wird morgens um vier Uhr.
Auch andere Bergschulen bieten im Rosengarten geführte Wanderungen an. Wer höher hinaus will, kann sich auf Klettersteige wagen. Infos und Unterlagen beim Tourismusverband Rosengarten-Latemar, Unterbirchabruck 9, 39056 Birchabruck, Tel. 0039/0471/610310, E-Mail: info@rosengarten-latemar.com, Internet: www.rosengarten-latemar.com
Tipp: Besonders schön und nicht zu schwer ist der Wanderweg aufs Weißhorn mit einem Abstecher in die Bletterbachschlucht, die zu Recht als der kleine Grand Canyon Südtirols gilt.
Besonders günstig zu solchen Unternehmungen liegt Deutschnofen am Rand des wildromantischen Eggentals. Hier gibt es alle Arten von Unterkünften, vom familiären Dreisterne-Haus am Kirchplatz (Stern) bis zur Wellness-Oase am Ortsrand (Pfösl). Alle Unterkünfte in einer Broschüre gibt es beim Tourismusverband Rosengarten-Latemar (siehe oben).

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