Bäriges Zürich

Die Schweizer Bankenmetropole gibt sich diesen Sommer ganz verspielt. Von wegen Stadt der Banken. Diesmal stellt Zürich keine Bänke auf (in Anspielung auf die vielen Banken der Schweizer Metropole am Zürichsee). In diesem Sommer lädt die Stadt zum Kuscheln ein. Über 600 Teddys ziehen in den Straßen die Blicke auf sich: Teddys in allen Farben, sprechend und fotografierend, fantasievoll und surreal, mit Fell und mit Wolken. Es gibt Wander- und Skibären, Katzen- und Hühnerbären, Bärendreck und Stachelbär und sogar den indischen Elefantengott Ganesch als Bär. Manche Teddys transportieren ihre Werbebotschaft eher platt wie die Bärenfrauen mit Dessous oder der Mac Bär. Glitzernde Swarovskibären schützen sich mit einem Glaskäfig vor Dieben, während Akrobaten- und Familienbären die Kinder zu Klettertouren einladen.

„Purer Kitsch,” schimpfen manche Züricher, denen die Kuschelei mit den Teddys zu weit geht. Aber die Touristen, die sommers die Stadt am See in Scharen bevölkern, haben die niedlichen Bärchen ins Herz geschlossen. Als Foto-Objekt haben die Teddys längst den tonnenschweren Engel von Niki de St. Phalle abgelöst. Auch die über den Köpfen der Zugreisenden in der Bahnhofshalle schwebende Plastik hatte anfangs wegen des kleinen Kopfes und der durchlöcherten Flügel das Missfallen der konservativen Züricher erregt. Dabei ist Zürich längst eine offene Stadt, eine Stadt der jungen Leute, die mit ihrer toleranten Drogenpolitik Schlagzeilen gemacht hat. Außerdem haben die Züricher ihre Street Parade nicht so schnöde abserviert wie die Berliner die Love Parade. Am 13. August tobt die größte Technoparty der Welt wieder mitten in der Stadt. Rund eine Million Tänzer werden die „Love Mobiles” auf ihrem Weg durchs untere Seebecken begleiten. Zürich und der Zürichsee ­ sie gehören zusammen. In welcher Stadt kann man sonst so locker baden gehen? 18 See-, Fluss- und Freibäder machen Zürich zur Sommerstadt. Das Strandbad Tiefenbrunnen etwa mit dem 80 Meter langen Sandstrand, das Flussbad Unterer Letten, das auf dem Wasser der Limmat schwimmt oder „die „Frauenbadi”, in der erst abends ­ wenn die Barfußbar öffnet ­ auch Männer willkommen sind. Auch in der Stadt mit ihren 1300 Brunnen herrscht kein Wassermangel. Was also hindert einen daran, beim Stadtbummel Zürichs schöne Ecken zu erforschen. Denn an solchen ist kein Mangel. Die Schipfe etwa, einst Warenumschlagplatz. Der Name kommt von „Schiffe schubsen”), heute ein lauschiges Plätzchen mit mittelalterlichen Häusern an der Limmat. Ganz nahe am Platz, wo im 16. Jahrhundert die Täufer im Fluss ertränkt wurden, steht die Stadtküche, heute „Schipfe 16” ­ ein ganz besonderes Restaurant, in dem es nur mittags zu essen gibt. Die Arbeit besorgen Langzeitarbeitslose, nicht immer perfekt aber mit viel Engagement. Oder der Lindenhof. Seit dem 13. Jahrhundert wurde dieser historische Boden, auf dem Zürich 15 v. Chr. gegründet wurde, nicht mehr bebaut. Wenn’s die Sonne vom Himmel brennt, sind die schattigen Plätze unter den mächtigen Bäumen begehrt. Schön ist auf alle Fälle der Blick auf die Limmat und das Niederdorf auf der anderen Seite. Auch die Universität ist von hier aus zu sehen. 172 Jahre ist sie alt und sie war die erste, die sich Frauen öffnete ­ nicht den Schweizerinnen allerdings, denn die durften damals nicht einmal Abitur machen. Oder St. Peter Hofstadt, dominiert von der Kirche St. Peter. Auffallend die Uhr mit einem der größten Zifferblätter Europas und vergoldeten Zeigern. Im Dach des Turmes wohnte früher die Feuerwächter. Offensichtlich erfüllten sie ihre Aufgabe gewissenhaft, denn Zürich ist nie abgebrannt. Der Platz hat auch dem vielreisenden Geheimrat Goethe gefallen. In der Weinstube zur großen Reblaube ­ heute eines der bestens Restaurants ­ hat der Genießer gerne gesessen. Das Goethe-Stübli mit einem Porträt des Dichterfürsten erinnert an seine Besuche. Schade, dass der Münsterhof zugeparkt ist und Autos auch den Blick auf das Zunfthaus Meise verstellen. Zürichs schönstes Zunfthaus ließen sich die Weinhändler 1757 im Rokoko-Stil prunkvoll ausschmücken. Dazu passen allerdings die Grimassen über den Fenstern nicht. Es heißt, der Künstler habe sich so an seinen Auftraggebern gerächt. Die Weinhändler sollen sich übrigens in den Fratzen durchaus wieder erkannt haben… Angenehm kühl ist es an heißen Tagen in der Frauenmünsterkirche, auch wenn das Gedränge groß ist. Alle wollen die farbenprächtigen Glasfenster Marc Chagalls sehen, die seit 1970 den Chor zu einem Muss für alle Kunstliebhaber machen. Wo der Legende nach Karl der Große die erste Züricher Kirche errichtet hat, steht heute das Großmünster. Und in der Krypta ist die Statue des Kaisers von 1450 zu sehen, eine Kopie. Bemerkenswert sind die Kapitelle im Kirchenschiff. Die Stadtheiligen Felix und Regula sind im bekanntesten Kapitel aus dem Jahr 1150 dargestellt, zusammen mit dem berittenen Karl dem Großen. Im 13. Jahrhundert kam zu den beiden Heiligen noch Exuperantius hinzu ­ auf Drängen der Bürgerschaft und gegen den Willen der Geistlichkeit. Wer den schweißtreibenden Aufstieg auf den Turm nicht scheut (Preis zwei Franken), hat von oben einen fantastischen Blick auf die Stadt, den See und die Berge. Ganz klein sind die Geschäfte und Restaurants vom Niederdorf. Da wo sich eine Kneipe an die andere reiht, gehen die Züricher „in den Ausgang” in Kinos, Bars, Esslokale. Kaffeeduft dringt aus den herrlich altmodischen Colonialwaren Schwarzenbach und im biedermeierlichen Café Schober stillt eine Tasse echte Schokolade den ersten Hunger. Im ehemaligen Exilantencafé Odeon, wo Lenin gern in seiner Zeitung blätterte und in dem sich heute abends die Homo-Szene trifft, sind die besten Plätze belegt. Kein Wunder, macht sich doch auf der halben Seite des Gebäudes eine Apotheke breit. Also in die Kronenhalle, dahin wo man sieht und gesehen wird. Entsprechend hoch ist das Preisniveau. Aber wer für eine St. Galler Kalrs-Bratwurst mit Rösti 28 Franken hinlegt, hat unentgeldlich Originalgemälde von Kandinsky, Braque, Monet und anderen Künstlern im Blick, die nicht selten ihre Schulden mit Bildern abbezahlt haben. Schon was anderes als die Teddy-Kunst… Bei Schweiz Tourismus gibt es das Angebot ZürichBreak: drei Nächte bleiben, zwei bezahlen. Mehr dazu unter Tel. 00800/100\x0e200\x0e30, www.MySwitzerland.com Zürich Tourismus, Bahnhofsbrücke 1, CH-8023 Zürich, Tel. 0041/44/2154092, Fax 4099, www.zuerich.com Wer den Teddys auf der Spur bleiben will, kann beinen Teddybummel machen, Start jeweils um 16 Uhr beim Tourist Service im Hauptbahnhof Zürich, Erwachsene bezahlen 20 Franken, Kinder bis 16 die Hälfte. Mit der ZürichCard (24 Stunden kosten 15 Franken), die freie Fahrt im Verkehrsnetz und Gratiseintritt in 46 Museen bietet, wird das Ganze noch einmal um 50 Prozent billiger. Vom 20. bis 21. August lockt dann das 10. Internationale Bärenfestival mit Teddy-Workshops, Ausstellungen, Kinderprogramm und mehr. 

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