„Sprechen wir womöglich nicht mehr auf Augenhöhe mit einander? Werden freie eventuell schlechter behandelt als fest angestellte Journalisten?“ Dr. Klaus Dietsch, der Vorsitzende der Vereinigung der deutschen Reisejournalisten (VDRJ), legte in der Einführung zur Touristischen Runde, die sich mit den Missverständnissen zwischen Journalisten und PR-Agenturen auseinandersetzte, den Finger in die Wunde. Von möglichen Abhängigkeiten sprach er, von der Gefahr der Hofberichterstattung. Und davon, dass auch die PR einen Kodex habe. Was er verlange – Transparenz, Fairness, Integrität, Professionalität im Umgang – gelte auch für Journalisten. Doch woran hapert es, warum schaffen Journalisten und PR-Agenturen, die vor allem bei der Reise in einem Boot sitzen, es nicht, einen professionellen Konsens zu finden?
Roberto La Pietra von Wilde & Partner und Thomas P. Illes, Kreuzfahrt-Journalist und Dozent der Hochseetouristik, beide VDRJ-Mitglieder, stellten in Impulsreferaten die unterschiedlichen Standpunkte dar.
Auf der PR-Seite gäbe es immer wieder Dinge, „wo der Schuh drückt“, formulierte es La Pietra, um dann in Stichpunkten auf Probleme bei Pressereisen einzugehen, bei denen „von beiden Seiten die Erwartungen besonders hoch sind“. Und schließlich wolle auch der Kunde einen Erfolg sehen. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei der Anreise. Früher, glaubt der PR-Mann, seien Business-Flüge für Journalisten auch in der Reisebranche „normal“ gewesen, heute müsse die Agentur die Tickets bezahlen oder sich „an die Airline ranschmeißen“, die dann überhöhte Erwartungen habe. Schon aus diesem Grund gäbe es deutlich weniger Pressereisen. In ein paar Jahren, ist La Pietra überzeugt, „gibt es keine Freitickets mehr“. Schon jetzt greife man auf PR-Töpfe zurück, die sehr „restriktiv sind“.
Auch unterwegs läuft nicht immer alles wie erwartet, auch weil oft Journalisten dabei sind, die man nicht einschätzen könne. So sei bei der letzten Reise „ein Schlumpf on top“ dazu gekommen, der nirgendwo fehlen durfte. Meist, so die Erfahrung, „fliegen Lokaljournalisten mit“, weil die Reiseredakteure kaum mehr aus dem Haus kämen. Oft seien gerade das aber „nette, interessierte Leute“. Trotzdem seien immer wieder „schwarze Schafe“ mit auf Reisen.
Auch nach der Pressereise ist die Arbeit der Agentur nicht zu Ende. Die zu erwartende Berichterstattung könne lange dauern, manchmal sogar ein Jahr, und hin und wieder käme am Ende gar nichts heraus. Den Schwarzen Peter habe dann die Agentur, ärgerte sich La Pietra.
Das gelte auch für Events wie Pressekonferenzen oder Workshops, bei denen immer wieder Journalisten unentschuldigt fehlten und bei denen dann die Agentur auf ihren Kosten sitzen bliebe.
Ums liebe Geld ging es auch beim Statement von Thomas P. Illes, der eine „Zweiklassengesellschaft“ befürchtet – von Journalisten, die ihre Recherche selbst finanzieren (wie er hin und wieder) und den anderen, die auf Unterstützung angewiesen sind und durch das Raster fallen. Den PR-Agenturen hielt der Journalist vor, dass sie oft „sehr territorial organisiert“ seien, nicht miteinander redeten und nur ihr eigenes Produkt kennten. Und dann kam er auf den wunden Punkt: Warum organisieren Agenturen lieber Gruppenpressereisen statt individueller Recherchereisen? „Seltsam“, wunderte er sich, „bei Gruppenpressereisen ist alles bezahlt – vom Transfer bis zum Gourmetmenü. Da kann es nicht teuer genug sein.“ Bei individuellen Reisen aber sähe man sich „plötzlich damit konfrontiert, dass man betteln müsste“. Gut fände er es deshalb, wenn sich die Agenturen bei ihren Kunden dafür einsetzten, auch für individuelle Recherchen ein Budget zu bekommen und so Qualitätsjournalismus zu ermöglichen.
Negativ aufgestoßen sind Illes „Gießkannen-Einladungen“, bei denen der Journalist am Ende den Kürzeren ziehe, weil die Agentur zu viele Zusagen bekommen hätte. Grundsätzlich sieht er „viel Verbesserungsbedarf in der ganz einfachen Kommunikation“. So wünsche er sich mehr Fotostopps bei Pressereisen und mehr Zeit für individuelle Interviews.
Damit das Verständnis untereinander besser werde, müsste man eine langfristige Zusammenarbeit aufbauen, forderte Illes, schränkte aber gleich ein, dass sich das „PR-Karussell“ viel zu schnell drehe. „Das ist für uns Journalisten ein Scheiß.“ Man müsse sich immer wieder neu vorstellen, immer die gleichen Referenzen einreichen.
Die Diskussion nach diesen Statements wurde sehr kontrovers geführt. Auf der einen Seite stellte sich Hans Werner Rodrian auf den Standpunkt: „Wir haben kein Anrecht auf Pressereisen und kein Recht auf Sponsoring“. Das Problem sei die Erwartungshaltung der Journalisten, die gepampert werden wollten. Die PR-Leute aber seien „Informationslieferanten, der Kanal, über den eine Firma kommuniziert.“
Dem widersprachen Stefan Rambow und Gabriela Beck, die mit einer Agentur schlechte Erfahrungen gemacht hatten, weil sie sie viel zu lange darüber im unklaren gelassen hätte, dass sie keine Flüge habe. „Oft bastelt man an einer Reise und erfährt zu spät, dass die Anreise nicht in der Einladung enthalten ist“, ärgerte sich Beck. Das sei ein riesiges Kommunikationsproblem. Nur um die zeitnahe, aufrichtige Information gehe es, nicht darum, gepampert zu werden, assistierte Rambow.
Dass die Sache mit der Anreise problematisch sein könnte, räumten die PR-Agenturen ein. Roberto La Pietra stellte sich auf dem Standpunkt, dass es besser sei, „Illusionen gar nicht erst zu schüren“. Bei den knappen Budgets müsse man sich für solche Kosten einen Partner mit an Bord holen. Das bestätigte auch Angelika Hermann-Meier von der gleichnamigen Agentur. „Wir haben keinen Kunden, der eine Anreise bezahlen würde“, stellte sie klar. Man könne aber auf Veranstalter zurückgreifen, um gute Journalisten zu unterstützen. Auch für Simone Zehnpfennig, Allgäu GmbH, sind Anreisekosten gerade bei individuellen Reisen eine Gratwanderung. Das gilt nicht für Gruppenpressereisen, die sie oft auch selbst begleitet. „Da wollen wir den Journalisten etwas zeigen“, begründet Zehnpfennig den Unterschied. Bei individuellen Recherchereisen aber sei es der Journalist, der das Thema vorgebe. Da brauche es schon manchmal „Urvertrauen“, wenn man die Leute gar nicht kenne. Und Partner, die den Aufwand für einen einzelnen Journalisten nicht scheuen, fügte Sonja Salzinger, FTI, hinzu.
Peter Mierzwiak von der Agentur Global Spot hat die Erfahrung gemacht, dass viele Journalisten sogar Gruppenpressereisen bevorzugen – auch weil sie da neue Kontakte knüpfen könnten. Eine gute Gruppenreise sollte allerdings genügend Zeit lassen für Eigen-Recherche. Das sah auch Marthe Rothe von Uschi Liebl PR so. Weil aber oft keine genügend großen Gruppen zustande kämen, organisiere die Agentur auch individuelle Pressereisen. Das sei allerdings „sehr aufwändig“.
Und oft fehlt den Agenturen die Zeit dazu, wie Roberto La Pietra erklärte. Habe sich doch die PR-Arbeit „stark verändert“, auch durch Social Media. Die klassische Pressearbeit sei nur mehr ein kleiner Teil und Pressereisen stünden längst nicht mehr so im Focus wie früher: „Wir brainstormen über Pressemeldungen und Gewinnspiele. Das hat gar nichts mehr mit Hinfahren zu tun.“
Vielleicht haben die Agenturen auch deshalb auf individuelle (Sach-)Anfragen kaum Antworten, wie Hans Werner Rodrian bemängelte. Für ihn, der viel vom Schreibtisch aus arbeitet, ist das der „Knackpunkt“.
Grundsätzlich waren sich aber alle einig, dass PR und Journalisten „im Normalfall“ gut mit einander auskämen. Und Angelika Hermann-Meier sprach den meisten aus dem Herzen, als sie sagte: „Wir als PR-Agentur wollen doch, dass es dem Journalisten gut geht. Warum sollte ich es ihm schwer machen?“ Oft sei es allerdings der Kunde, der es schwer mache. „Wir sitzen zwischen den Stühlen“, resümierte Marthe Rothe, „der eine bezahlt uns, den anderen brauchen wir“.
Und die Journalisten? Thomas P. Illes riet den Freien dazu, ein „Business-Modell“ zu erarbeiten, das ihnen auch individuelle Reisen ermögliche. Grundsätzlich würden Freelancer immer wichtiger, weil sie im Gegensatz zu den Redakteuren noch die Zeit hätten zu reisen. Roberto La Pietra rief die freien Journalisten dazu auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, sich über Qualität und Spezialisierung als Marke zu etablieren – auch online. Dass sich im Web mit Bloggern eine ganz neue Konkurrenz tummelt, wurde ebenfalls angesprochen. Auch die Tatsache, dass Blogger „sehr gut in der Eigenvermarktung“ seien und „sich oft über Wert“ verkauften. Da könnten die freien Journalisten wohl noch einiges lernen.