Der Mann macht was her. Mit dem Cowboyhut und dem strengen Blick aus blauen Augen könnte Armin Mangold glatt in Hollywood anheuern – als Westernheld. Doch der kräftige Mann in der auffallenden orange-farbenen Jacke ist hier genau richtig – in Erlangen, an den Kellern. Hier, wo rund um Pfingsten die berühmte Bergkirchweih stattfinden wird, ist Mangold Platzmeister, sozusagen der „Berg-Marschall“.
Alles im Blick
Ein bayerisch weiß-blauer Himmel wölbt sich über dem Frühlingsgrün der Bäume, ein kühles Lüftchen weht. Ideales Wetter für Außenarbeiten. Laubbläser lärmen, es wird gebohrt, gehobelt und gesägt, Bänke und Tische werden auf Vordermann gebracht, und drinnen in den Kellern hängen schon die ersten Hopfen-Dolden als Deko. Mangold mustert zufrieden das 750 Meter lange Gelände, an dem sich zur Bergkirchweih Buden und Fahrgeschäfte zwölf Tage lang aneinander reihen werden. Die Bäume, denen die Trockenheit zu schaffen macht, hat er auch im Blick. Denn den mächtigen Baumkronen verdankt die Bergkirchweih ihren besonderen Charme.
Brauereigeschichte
In ihrem Schatten schmeckt das Bier doppelt gut, ist der Berg-Marschall überzeugt. 15 Keller beteiligen sich an dem Fest, das seine Wurzeln im Jahr 1755 hat. Seitdem hat sich viel verändert. Die letzte der einst 17 Brauereien, die Erlangen im 19. Jahrhundert zur wichtigsten Bier-Exportstadt gemacht hatten, wurde vor einem Jahr von der Kulmbacher Brauerei AG übernommen. Auf dem Berg allerdings ist der Name Kitzmann noch präsent. Nicht nur mit einem Keller, sondern auch mit einem Festbier, das Kulmbach unter dem Traditionsnamen braut.
Steinbach-Renaissance
Auch Steinbach ist hier vertreten, obwohl die geschichtsträchtige Brauerei 1923 wegen der Inflationswirren schließen musste. Der Urenkel des Firmengründers, Christoph Gewalt, selbst Braumeister, wollte das nicht so hinnehmen. 1995 dockte er mit seiner Gasthausbrauerei an die Familientradition an und interpretiert seither die alten Rezepte neu. Ihr Zuhause gefunden haben Gasthaus und Brauerei in der 1710 erbauten ehemaligen Reichsposthalterei, wo schon früh Bier gebraut und ausgeschenkt wurde. Heute können die Kellner hier alle 14 Tage ein neues saisonales Bier zapfen – und zur Kirchweih gibt‘s natürlich auch ein Bergbier, das auf dem Keller genossen werden kann.
Bier und Bahn
Wer mag, kann sich im kleinen Biermuseum des Gasthofs in die Brauerei-Geschichte Erlangens und der Steinbach Brauerei und Mälzerei im besonderen einlesen. Hier erfährt man auch, dass der frühe Eisenbahnanschluss den Aufschwung zur Bierexport-Stadt beschleunigt hat und dass damals die vier wichtigsten Export-Brauereien das Erlanger Bier bis nach Amerika und Australien exportierten. Auch Steinbach Bräu, 1861 von Carl Steinbach erworben, exportierte fleißig.
Die Felsenkeller
Möglich war die lange Bevorratung des im Winter gebrauten Gerstensafts nur durch die Felsenkeller im Berg, in denen die Temperatur jahraus, jahrein acht Grad beträgt. Die ersten Tunnel wurden schon im 17. Jahrhundert in den Fels gehauen. Dafür spricht eine Tafel, die Friedrich Engelhardt bei der Sanierung der lange verlassenen Stollen ausgegraben hat und die darauf verweist, dass „Heinrich Windisch, Mälser und Bierbrauer vor den Obern Thor“ diesen ersten Felsenkeller im November Anno 1686 hat hauen lassen.
Alle Stollen zusammen bilden ein von Menschen geschaffenes Labyrinth von über 21 Kilometern Länge. Doch mit der Erfindung der Kältemaschine im Jahr 1876 wurden die Keller überflüssig. 1900 schloss der letzte, die Natur eroberte das Gelände zurück.
Der Hobby-Archäologe
Beflügelt vom Fund des Gründungssteins machte sich Friedrich (Fritz) Engelhardt daran, die familieneigenen Felsengänge so weit wie möglich freizulegen. Dabei wuchs seine Bewunderung für die frühen Stollenbauer, erzählt der 72-Jährige, der wohl den Weitblick seines Vaters geerbt hat. Der hatte schon 1949 die Chancen der Keller gesehen. Sohn Friedrich war 22, als der Vater starb, und er machte sich ab 1950 mit großem Eifer an die Sanierung der eigenen Stollen. Die Arbeit im Berg war freilich nicht ungefährlich, und einmal entging der Hobby-Archäologe sogar knapp dem Tod: Nur weil er dringend zur Toilette musste, wurde Friedrich Engelhardt nicht von einem Deckenabsturz erschlagen.
Die Brauerei im Keller
Da hatte der Vater wohl das Glück des Tüchtigen, sagt Sohn Vincenz Schiller von Entla‘s Bräu bei einer Führung durchs Keller-Labyrinth. Seine Brauerei hat Vinzenz 2021 in den eigenen Keller gebaut, weltweit wohl einzigartig. Entsprechend stolz ist der 38-jährige Familienvater auf die innovative Umgehung bürokratischer Hürden. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt der schlaksige Brauer mit der Mütze und der großen schwarz umrandeten Brille. Und: „Mehr Kellerbier geht nicht. Das Bier wird im Keller gebraut, im Keller gelagert und auf dem Keller getrunken.“
Kunst auf Krügen
Im Gegensatz zur Steinhaus Brauerei gibt‘s die Entla‘s Biere exklusiv am Berg – nicht nur zur Bergkirchweih, sondern von April und zum letzten Sonntag im September. Ausgeschenkt wird in besonderen Steinkrügen mit einem jährlich von Künstlern gestalteten Motiv.
Um dem Schwund dieser originellen Krüge zu begegnen, hat Friedrich Engelhardt frühzeitig ein Pfand eingeführt. Zur Recht, sagt Sohn Vincenz, der einen seiner Krüge schon am Gardasee entdeckt hat. Im Keller kann man in einer „Wall of Fame“ die Krüge aus 34 Jahren bewundern. In einem anderen Keller reift der Bio-Emmentaler aus dem Allgäu, in den Gängen stapeln sich Lebensmittel. Keller-Alltag. Doch bei nächtlichen Führungen, wenn die Stollen nur durch Kerzen erhellt werden, die flackernde Schatten an die Wände werfen, wirken sie fast schon mystisch.
Familien-Kooperation
Vincenz Schiller, der eigentlich Fußballprofi werden wollte und über einige Wendungen zur Kunst des Brauens fand, fühlt sich in und auf den Kellern zu Hause. Da machen ihm auch 14-Stunden-Tage nichts aus – wie im Vorfeld der Bergkirchweih. Im Gegenteil: „Hier kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen“ freut er sich. Dass alles so gut läuft, verdankt Vincenz auch dem Engagement der Familie. Nicht nur der Papa, auch der Bruder hilft mit – und die Frauen der Brüder. Daher auch die Namen der Biere: Brudi heißt das Kellerbier, Schwesti das kalt gehopfte helle Lager und Fritz das Weißbier.
Der Berg-Sheriff
Während am Entla‘s Keller schon einige Zecher im Sonnenschein die erste Halbe des Tages trinken, wird an den umliegenden Kellern auf den Vatertag hingearbeitet. „Das ist so etwas wie die inoffizielle Generalprobe“, erklärt Armin Mangold. Dann müssen die Kästen mit dem Feuerwehrmaterial da stehen, wo sie hingehören, müssen die neuen Toilettenhäuschen fertig sein, muss das ganze Gelände gesichert sein. Genug zu tun für den Berg-Sheriff aus Unterfranken, der vor 13 Jahren als Quereinsteiger ins Amt kam und heuer zum letzten Mal mit einem kleinen Team die Bergkirchweih verantwortet – ein Ganzjahresjob. Problematisch, sagt er, sei die Barrierefreiheit. „Es ist halt der Berg.“ Aber Mangold bleibt optimistisch: „In dem Job geht‘s immer um Lösungen.“ Mit Steinbach und Entla‘s Brauerei sind zwei lokale Brauereien auf dem Berg vertreten. Zumindest fränkisch sollen die Biere sein, die bei der Bergkirchweih ausgeschenkt werden, sagt der Platzmeister: „A Warsteiner aufm Berg würde sich nicht gut machen.“
Bier und Karpfen
Es gäbe da noch eine lokale Brauerei, die allerdings vor allem fürs eigene Gasthaus produziert. Peter Oberle – blondes Kurzhaar, leichter Bartansatz – hat 2020 in der Scheune der familieneigenen Karpfen-Fischerei in Erlangen-Kosbach eine hochmoderne Klein-Brauerei eröffnet und produziert in seinem „Hofbräu“ mehrere Sorten Bier. Derzeit ist der Maibock angesagt, aber auch der Sommerspritzer ist gefragt. „Unser Bier kommt sehr gut an“, sagt Oberle Junior zufrieden. Bier und Karpfen scheint ein Erfolgsrezept zu sein. Das liegt auch an der schmucken Gastwirtschaft mit dem schattigen Biergarten, die Senior Christoph Oberle vor 25 Jahren eröffnet hat. Hier kommt vor allem Karpfen auf den Tisch, blau oder kross paniert. Denn Karpfen ist bei den Oberles seit 1650 Familiensache.
Das Bier und sein Preis
Christoph Oberle – kurzes Grauhaar, Brille – ist Agraringenieur und Fischwirtschaftsmeister, und er kann viel erzählen über die Geschichte der Karpfenzucht in Franken und die der Familie. 100 Hektar Teiche bewirtschaften die Oberles, im Bruthaus werden die eigenen Fische produziert, ehe sie in die Teiche entlassen werden. Derzeit herrscht Hochbetrieb im Karpfen-Kreissaal, sagt der 60-jährige Züchter und legt den Finger auf den Mund. Die Karpfenbabys sollen schließlich gut gedeihen.
So gut wie einst freilich wird mit Karpfen heute nicht mehr verdient. Ein Pfund Karpfen kostete im 16. Jahrhundert den Gegenwert von 13 Maß Bier. Unvorstellbar in der heutigen Zeit. Bis zu 14 Euro wird die Maß Bier heuer auf dem Berg kosten.
Kurz informiert
Ankommen. Die Keller sind vom Erlanger Bahnhof leicht zu Fuß zu erreichen.
Bergkirchweih. Die Erlanger Bergkirchweih findet vom 5. bis 16. Juni statt: https://bergplatz.de/
Kellerführungen. Entla‘s Keller bietet zweimal pro Woche einstündige Gruppenführungen durch die Keller an – allerdings außerhalb der Bergkirchweih und nur in Verbindung mit einem Biergarten-Besuch. Erwachsene zahlen acht Euro inkl. Einem halben Liter Kellergetränk. Kinder bis zwölf sind frei: https://entlaskeller.de/keller/fuehrungen/
Übernachten. Es gibt reichlich Übernachtungsmöglichkeiten in Erlangen – auch zur Bergkirchweih (außer am Pfingstwochenende). Günstig gelegen ist beispielsweise das Holiday Inn Express in der Güterbahnhofsstraße, DZ ab 67 Euro: www.ihg.com/holidayinnexpress/hotels/de/de/erlangen/zczel/hoteldetail
Besonders reizvoll ist das Hotelchen am Theater in der Theaterstrasse 10 mit gerade mal zwölf Zimmern, DZ ab 145 Euro: https://www.hotelchen-am-theater.de/
Steinbach Bräu. Gasthausbrauerei mit Biergarten, Führungen im Biermuseum pauschal 70 Euro, Mindestteilnehmerzahl zehn, Vierzigmannstr. 4: https://steinbach-braeu.de
Fischerei, Gasthaus und Biermanufaktur Oberle, Am Deckersweiher 24: www.fischerei-oberle.de
Informieren. Erlangen Tourismus und Marketing Verein e.V., Werner-von-Siemens-Str. 32b, 91052 Erlangen, www.visit-erlangen.de
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Eduard Baudouin de Courtenay
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