Herzlos: Deon Meyers „Dreizehn Stunden“

„Afrika habe ihm alles genommen, all seine Träume, Afrika habe ihm das Herz herausgerissen. Warum könne er dann nicht dasselbe mit Afrika tun.“

Wenn die besten Fußballer der Welt in Südafrika um die Weltmeisterschaft dribbeln und flanken, dann rückt das Land im Süden des afrikanischen Kontinents wieder in den Blickpunkt des Interesses. Das Land des Freiheitshelden Nelson Mandela, ein Land, das seit dem Ende der Apartheid zum Touristenparadies avanciert ist – und dessen innerer Frieden doch ständig auf der Kippe zu stehen scheint. Wer verstehen will, was sich hinter den Schlagzeilen über Machtmissbrauch und mörderische Bandenkriege verbirgt, muss nicht unbedingt politische Sachbücher lesen. Krimis tun es auch. Die Suche nach der südafrikanischen Identität ist das zentrale Thema der Romane von Deon Meyer.

Mit spannungsgeladenen Krimis wie „Der weiße Polizist“, „Tod vor
Morgengrauen
“, „Das Herz des Jägers“, „Weißer Schatten“ und dem mit dem
deutschen Krimipreis ausgezeichnete Roman „Der Atem des Jägers“ hat
sich der Südafrikaner auch international einen Namen gemacht. Seine
Bücher zeigen das Land, in dem bald die Fußballweltmeisterschaft
stattfinden wird, von innen. Ein immer noch in sich zerrissenes Land,
das Meyer mit Menschen bevölkert, die mit sich selbst ringen. Wie der
Freiheitskämpfer Thobela aus „Das Herz des Jägers“, der in „Der Atem
des Jägers
“ vom Rächer zum Gejagten wird. Oder wie Bennie Griessel, der
Polizist mit Spürsinn, den der Suff das private Glück gekostet hat und
der immer noch darum kämpft, nicht auch den beruflichen Halt zu
verlieren. Dieser Bennie Griessel ist auch die Hauptfigur im neuesten
Thriller des Südafrikaners „Dreizehn Stunden“.
Fast ein halbes Jahr ohne Alkohol hat Griessel schon durchgestanden,
als er mit zwei neuen Fällen konfrontiert wird. Der Tod eines
Musikmanagers und die Jagd junger Südafrikaner auf zwei amerikanische
Touristinnen scheinen fürs erste nichts miteinander zu tun zu haben.
Beide Fälle dienen Meyer aber dazu, verschiedene Facetten
südafrikanischer Dekadenz auszuloten: Die alle Bereiche durchdringende
Korruption, eine unstillbare Gier nach immer mehr und eine in blutigen
Auseinandersetzungen erworbene Skrupellosigkeit machen auch Menschen,
die scheinbar in der Mitte der Gesellschaft leben, zu gefährlichen
Zeitbomben.
Dass die junge Amerikanerin Rachel einen Mord beobachtet und gefilmt
hat, muss ihre Freundin mit dem Leben bezahlen. Sie selbst wird von
einem Killertrupp durch halb Kapstadt gehetzt. Scheint der Tod des
Musikproduzenten zunächst in einer ganz anderen Welt angesiedelt,
führen die beiden Erzählstränge immer mehr aufeinander zu und die
Spannung steigt mit jedem Versteck, das Rachels Überleben verlängert.
13 Stunden hat Bennie Griessel, um die Fälle aufzuklären und Ordnung in
sein Leben zu bringen und am Ende läuft ihm die Zeit davon. Zugegeben:
Mancher Zufall  scheint weit hergeholt und einige Dinge bleiben auch
im Dunkeln. Aber die „Dreizehn Stunden“ halten auch die Leser in Atem.
Geben sie doch auch Einblick in die komplizierte Rassenarithmetik am
Kap
, in die Psyche von Menschen, die sich immer noch als underdogs
fühlen und in die Seele eines geschundenen Kontinents. Für die
Schönheit Kapstadts haben zwar weder Täter noch Opfer einen Blick, aber
die Leser bekommen immerhin eine Ahnung davon.
In Südafrika wurde der Krimi als bester Spannungsroman des Jahres ausgzeichnet.
Info: Deon Meyer, Dreizehn Stunden, rütten & loening, 400 S., 19,95 Euro

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