Heinz Julen: Traumtänzer oder Visionär?

So ein bisschen erinnert das Projekt an den Film vom Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam. Das Kleine Matterhorn im Schatten des großen Matterhorns soll zu einem Viertausender werden – durch den Bau einer spektakulären Aussichtsplattform samt Hotel. Im Grunde das Pendant zur Porta Alpina unter Sedrun. Statt 800 Meter unter die Erde geht es am Kleinen Matterhorn 117 Meter über den Gipfel, wenn alles nach Plan verläuft – nach den Plänen von Heinz Julen vielmehr, dem Zermatter Multitalent und Schwager des Schweizer Olympiasiegers Pirmin Zurbriggen. Wir sprachen mit dem Künstler und Architekten in Zermatt.
Frage: Ist es nicht eine Art Turmbau zu Babel, was Sie da auf dem Kleinen Matterhorn planen, ein Symbol menschlicher Hybris?
Julen: Ganz im Gegenteil. Da oben spürt man doch richtig das Fragile
unseres Planeten. Ich lade die Menschen ein, auf Gottes Schöpfung
hinunterzuschauen. Aber natürlich will ich unsere Zeitgenossen auch
staunen machen. Wer träumt nicht von einem Urlaub im All? Das
Klein-Matterhorn-Projekt geht in diese Richtung.
Frage: Also doch eine Art Himmelssturm?
Julen: In diesem Sinne schon. Mein Turm auf dem Berg hat Potenzial.
Ganz sicher kann er mithalten mit anderen spektakulären Projekten wie
dem Burj Dubai, dem höchsten bewohnbaren Turm, der in den Vereinigten
Arabischen Emiraten entsteht. Es wird ziemlich spacig da oben: die
Menschen schweben praktisch über der Landschaft, den Gipfeln – eben wie
im Weltraum.
Frage: Wie machen Sie das?
Julen: Wir setzen einen Dreifuß auf den Gipfel. Daraus entsteht
praktisch von selbst eine Art Pyramide, die die Neigung der Felsplatte
darunter aufnimmt. Die Lifte fahren außen hoch, so dass die Menschen
ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist am Felsen hochzuklettern. Und
ganz oben schwebt dann die Aussichtsplattform mit einem wirklich
Schwindel erregenden Blick.
Frage: Und Sie haben keine Sorge, bei Umweltschützern anzuecken, wenn Sie den Berg mit einer Baustruktur besetzen?
Julen: Kritiker gibt es immer, das habe ich selbst auch immer wieder
erfahren. Aber dieser Gipfel ist ja nun schon lange nicht mehr reine
Natur. Er ist schon technisch besetzt, verdrahtet und verstellt. Mein
Projekt gibt ihm seine Würde wieder, denn ich baue es, um die Bergwelt
in Szene zu setzen. Außerdem wird es eine Konstruktion sein, die man
auch wieder abmontieren kann. Sie soll nur so lange dort oben bleiben
wie die Menschen sie mögen.
Frage: Sie sprachen von Kritik, die Sie selbst erfahren haben. Denken
Sie dabei an das INTO the Hotel, das nach Ihren Plänen erbaut und kurze
Zeit nach der Eröffnung völlig demontiert wurde?
Julen: Ja, das war ein schwerer Schlag für mich. Auch weil ich dabei
einen Freund verloren habe. Aber meine ehemaligen Partner haben auch
einen Mythos geschaffen. Mein Hotel stand sieben Wochen. Es war jung
und schön, als es demontiert wurde und so bleibt es auch in Erinnerung
ähnlich wie Marilyn Monroe und James Dean für immer jung und schön sein
werden. Ehrlich gesagt, schlimmer als dieser radikale Abbruch wäre ein
mediokrer Umbau gewesen. Aber ich habe lange gebraucht, darüber
hinwegzukommen, dass meine Ex-Partner alles zerschlagen haben, obwohl
es perfekt funktioniert hat. Das Schlimmste war einfach, dass ich mein
Projekt nicht zu Ende führen konnte.
Frage: Was war denn das Besondere am INTO?
Julen: Es war ein Hotel, das die Menschen dazu eingeladen hat, sich
selbst zu zelebrieren. Ein Hotel mit Räumen, die durch winzige Details
überraschten. So konnte man aus der Präsidentensuite im Whirlpool
durchs Dach herausfahren und sich wie der kleine Hävelmann fühlen. Und
beim Pool gab es auch einen Meditationsraum.
Frage: Sie sind ja von Haus aus Künstler und arbeiten jetzt viel auch als Architekt?
Julen: Eigentlich bin ich totaler Autodidakt, aufgewachsen in der
heilen Welt der Zermatter Berge. Aber schon als Kind hatte ich eine
Leidenschaft dafür, Räume zu entwickeln, in denen sich die Menschen
wohl fühlen und wo ich sie überraschen konnte. Und so habe ich mich
ohne Bruch immer weiter entwickelt, habe meine eigene Sprache gefunden
und angefangen, Möbel und Häuser zu bauen. In Schulen hat es mich nie
lange gehalten. Aber zumindest ein Jahr war ich auf der Kunstschule in
Sion, eine Art ungeschliffener Diamant damals noch. Ohne jede Ahnung,
was in der Kunst so läuft.
Frage: Das hat sich ja wohl geändert?
Julen: Ja schon, am besten erkenne ich meine Entwicklung an den
„Matterhörnern“ meiner Anfänge. Die waren schon eher kitschig. Aber
auch heute noch mache ich Fehler, das will ich gar nicht verleugnen.
Obwohl ich inzwischen in renommierten Galerien ausstelle. Geholfen
hat mir dabei sehr die Performance, die ich nach dem Scheitern des INTO
erarbeitet habe: eine Installation mit Porträts all derer, die an dem
Projekt beteiligt waren. Der Kurator des Museums für Gegenwartskunst in
Malmö hat sie sogar als eine der größten zeitgenössischen Perfomances
bezeichnet. Und das Buch darüber hat mir Einladungen an Universitäten
weltweit eingebracht.
Frage: Trotzdem sind Sie aus dem Zermatter Museumsprojekt rausgeflogen?
Julen: Ja, das war schmerzhaft. Da bin ich zwischen die politischen
Fronten geraten. Die Museumsleute wollten mich, die Spekulanten nicht.
Frage: Und jetzt zeigen Sie’s allen und treiben Ihren Ruhm auf die Spitze…
Julen: Aber ich bin mir meiner Verantwortung für die Bergwelt dabei
voll bewusst. Mir geht es um Nachhaltigkeit ähnlich wie Reinhold
Messner bei seinem Mountain Museum. Ich will keine Disneysierung . Da
müsste ich mich als Zermatter ja schämen. Nein, ich will mit meinem
Dream Peak, den ich hoffentlich zusammen mit dem Architekten Ueli
Lehmann verwirklichen kann, der Seele Flügel verleihen.

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