Gute Reise 2007: Gespräch zur ITB mit Dr. Martin Lohmann vom Institut für Tourismus- und Bäderforschung

Frage: Wohin geht die Reise, Herr Lohmann?
Lohmann: Wir Deutschen sind ja ein geradezu urlaubsversessenes Volk, auch bei eher ungünstig erscheinenden Rahmenbedingungen hatten wir insgesamt kaum Auswirkungen auf die Reisetätigkeit. Nun aber erscheinen die wirtschaftlichen Bedingungen günstig und Ende des vergangenen Jahres stieg auch die Urlaubslaune. Also von Urlaubsmüdigkeit keine Spur! Bei den Reisezielen bleiben die Klassiker vorn: die Küsten und Berge im Inland, im Ausland die Mittelmeerregion und die Alpenländer. Zuwächse erwarten können Länder im Osten Europas, z.B. Rumänien, Bulgarien, aber auch Ungarn. Auch Fernreisen sind wieder im Aufwind.

Glauben Sie, dass den Deutschen wegen der Mehrwertsteuererhöhung die Lust am Reisen im eigenen Land vergeht?
Lohmann: Nein, die Mehrwertsteuererhöhung wird wohl keine entscheidenden Effekte auf die Reiseentscheidung haben. Vor allem deshalb, weil die Anbieter wegen des heftigen Preiswettbewerbs die gestiegenen Belastungen einfach nicht weitergeben (können).
Frage: Bei den Hotels dürfte so eine Preisgestaltung aber zu Belastungen führen…
Lohmann: Klar, für die Hotels ist es schlimmer. Da wird’s eng. Diese Niedrig-Preispolitik führt langfristig zu einer geringeren Investitionsneigung und damit zum Wettbewerbsnachteil. Aber dieses Phänomen haben wir ja nicht nur bei uns in Deutschland, sondern europaweit unterbieten sich die Touristiker bei den Preisen. Ich habe das Gefühl, dass die Branche am liebsten alles über den Preis austrägt.
Frage: Dabei wollen die Urlauber doch vor allem auch unvergessliche Urlaubserlebnisse?
Lohmann: Und von denen so viele wie möglich. Grundsätzlich sind die Ansprüche an
das Urlaubserlebnis gestiegen. Alles muss supertoll sein, sonst war’s nix.
Gleichzeitig werden die Ansprüche differenzierter. Also bei Studienreisen soll
der Reiseleiter die fremde Kultur zugänglich machen, bei Familienreisen soll die Familie möglichst streitfrei zusammen sein. Natürlich hängt vieles vom Kunden selbst ab, aber der Veranstalter muss den Rahmen schaffen. Es geht längst nicht nur um Luxuskategorien und größeren Sitzabstand.
Frage: Da kommen die Billigflieger ins Spiel. Machen sie denn das Reisen wirklich billiger?
Lohmann: Sie machen den Transport billiger: Wenn ich von A nach B für drei Euro fliegen kann, ist das schon etwas. Das bedeutet aber nicht, dass die Reisenden weniger ausgeben. Der Billigflieger steigt ja nicht im billigsten Hotel ab, sondern er nutzt das günstige Transportangebot und verhält sich sonst wie jeder andere Tourist auch.
Frage: Also keine Geiz-ist-geil-Mentalität?
Lohmann: Das kommt darauf an. Wenn es dabei um gute Leistung zum günstigen Preis geht, ist der Slogan immer noch aktuell. Wenn es aber grundsätzlich nur darum geht, das Geld zusammenzuhalten wie es etwa Molieres Geiziger macht, dann hat es diese Mentalität im Tourismus nie gegeben. Das wäre absolut un-urlaubig.
Frage: Wie urlaubig ist online inzwischen?
Lohmann: Online ist ein weiterer attraktiver Vertriebsweg, ­ fü> beide Seiten,
übrigens. Der Anbieter kann rasch wechselnd und günstig seine Angebote einstellen und der Kunde kann ebenso rasch die Angebote vergleichen und die Verfügbarkeit feststellen. Die Angst vor Online-Buchungen schwindet, nur komplexe Suchen sind noch eine Herausforderung. Das ist die Chance für Reisebüros, die natürlich auch vom persönlichen Kontakt und der Wertschätzung profitieren.
Frage: Der milde Winter ist derzeit Hauptgesprächsthema. Welchen Einfluss hat denn das Wetter auf Reiseplanungen?
Lohmann: Die aktuelle Wetterlage
spielt natürlich eine Rolle vor allem bei Kurzentschlossenen und Tagesausflüglern. Aber die meisten Menschen wissen ohnehin, dass das Wetter ein unzuverlässiger Partner ist, sie wählen ihre Reiseziele mit diesem Wissen und nicht nach Werbebildern. Auch der schöne Sommer des letzten Jahres führt nicht zwangsweise zu grundsätzlichen Umorientierungen wie "einen schönen Sommer kann ich auch zu Hause haben". Schließlich will man ja auch mal wegfahren, sich einen Tapetenwechsel gönnen.
Frage: Und wenn’s nur auf der
Tourismusbörse in Berlin wäre. Was wünschen Sie sich denn von der ITB?
Lohmann: Mehr frische Luft und weniger Hetze! Die Messe ist immer ein
interessantes Forum zum Informationsaustausch und um Menschen zu treffen. Aber
sie ist eben auch anstrengend. Ich fahre gerne hin und ebenso gerne wieder weg.

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