Geschwisterkinder: Christopher Kloebles „Meistens alles sehr schnell“

„Es ist doch meistens alles sehr schnell vorbei. Eine Liebe. Unser Leben. Einfach alles ! Es bleibt kaum Zeit. Wer das nicht begreift, wird sich in Hoffnungen und Erinnerungen verlieren und sterben, ohne je gelebt zu haben.“
Normalerweise sind Väter für ihre Kinder da. Bei Albert ist es umgekehrt. Seit er denken kann, kümmert er sich um Fred, den er nie Papa nennt, obwohl er das wohl ist.  

Fred ist ein liebenswerter Träumer, der mit der üblichen Alltagsroutine fremdelt aber eigentlich ganz gut allein zurecht kommt – wenn er nur grüne Autos zählen kann. Und Albert, der schon als Kind neunmalklug war, hat gelernt, den Mann, der ein Kind ist, so zu akzeptieren wie er ist. Seine Mutter hat Albert nie gekannt.
Als er erfährt, dass Fred nicht mehr lange zu leben hat, will er es endlich wissen. Zusammen begeben sich die beiden so ungleichen Männer auf eine Spurensuche, die sie nicht nur tief unter die Erde, sondern auch weit zurück in die Familiengeschichte führt. Bis in die Zeit vor den Weltkriegen, als „Segensdorf“ noch ein gottverlassenes Nest war, hinein in eine armselige Stube, wo Brüderchen und Schwesterchen einander Halt geben in diesem aus der Zeit gefallenen Ort, wo Menschen leben, die anders sind als die anderen – „Klöbles“ (!) aus inzestuösen Verbindungen. Julius und Anni, die Kinder des Geschwisterpaares, sind keine „Klöble“. Auch wenn das Dorf raunt und munkelt und die beiden Kinder wie Aussätzige behandelt. Ihr Leben scheint unter einem Fluch zu stehen und trotz der großen Entfernung, die das Schicksal zwischen sie bringt, können sie sich nicht aus der gemeinsamen Verstrickung befreien. 
Freds Rolle in diesem komplizierten Geflecht aus Liebe, Verrat und Mord wird Albert nur ganz allmählich klar, als sich die Nebel um seine eigene Herkunft lichten. So richtig glücklich macht ihn das, was er am Ende erfährt, nicht. Aber eines weiß er nach dieser langen Suche sicher: Dass er Fred nicht verlieren will.
Christopher Kloeble führt seine Leser durch ein Labyrinth von Perspektiv- und Zeitenwechseln und verliert dabei nie den roten Faden aus den Augen. Souverän nutzt der Autor Versatzstücke der unterschiedlichsten literarischen Genres – Familiensaga, Heimatroman, Kriminalgeschichte, Liebesroman – und fügt sie wie in einem Puzzle zusammen. So ist ein wunderbares Buch entstanden, warmherzig und irritierend. Ein Jahrhundertbuch über ein Jahrtausend-Tabu.
Info: Christopher Kloeble, Meistens alles sehr schnell, dtv premium, 378 S., 14,90 Euro


Ein Kommentare
  • Beatrix Alfs
    Februar 14, 2013

    Es ist schon richtig, dass der Autor den Leser durch ein Labyrinth führt, doch immerhin so, dass man von dem Buch gefesselt ist und weiterliest. Ein anspruchsvoller Roman!

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