Endzeitbücher

Endzeitstimmung. Seit 9/11 hat sich die Welt gründlich verändert. Katastrophen und Terror verunsichern die Menschen ebenso wie die Angst vor Inflation und Arbeitsplatzverlust. Ein Euro-Rettungsschirm genügt da längst nicht mehr. Jugendbücher sind ein Spiegel der aktuellen Stimmungslage, sie greifen unterschwellige Ängste auf. Endzeitromane malen eine schwarze Zukunft und lehren das Fürchten.

Aus dem Gleichgewicht

Susan Beth Pfeffer beschäftigt sich mit einer aus den Fugen geratenen
Welt. Ein Asteroid hat den Mond getroffen und ihn aus der Bahn geworfen.
Die Folgen sind grausam: Tsunamis rasen auf die Küsten zu, Vulkane
brechen aus, die Welt verdunkelt sich, eine Eiseskälte herrscht und die
Menschen müssen ums Überleben kämpfen. Im ersten Buch „Die Welt, wie wir
sie kannten
“ lässt die Autorin die 16-jährige Miranda schildern, wie
sich ihre – heile – Welt auf dem Land verändert und immer mehr verengt.
Jetzt legt die Autorin mit „Die Verlorenen von New York“ nach. Diesmal
ist es der 17-jährige Alex, der mit den Umwälzungen in der Metropole
zurecht kommen muss. Vater und Mutter sind verschollen, Alex muss sich
und seine zwei Schwestern über die Runden bringen. Dabei würde er doch
so gern leben wie ein ganz normaler Jugendlicher. Aber das ist in diesen
schwarzen Zeiten unter einem bedrohlichen Mond nicht möglich. Und so
greift Alex nach jedem Strohhalm, um für sich und seine Schwestern
Lebensmittel zu besorgen. Drastisch schilder Pfeffer, wie die sozialen
Unterschiede selbst in Zeiten des Untergangs noch Grenzen ziehen, wie
sich die Mächtigen auf Kosten der anderen buchstäblich über Wasser
halten und wie verzweifelt Menschen sein müssen, um „Leichenshopping“ zu
begehen. Auch dieses zweite Buch ist ein beklemmendes
Untergangsszenarium
, das den Lesern vor Augen führt, was auf dem Spiel
steht, wenn unsere Welt ihre Ordnung verliert. Und das sie zum
Nachdenken anregt, die schönen Dinge des Alltags nicht für
selbstverständlich zu nehmen. „Ich habe so viel gehabt und es nie zu
schätzen gewusst“, denkt Alex am Ende, „Ich wollte immer noch mehr.“ Das
alles spielt jetzt keine Rolle mehr, wichtig ist allein das nackte
Überleben in einer feindlich gewordenen Umwelt. Eine ebenso spannende
wie erschütternde Anti-Utopie für Leser mit starken Nerven.
Info: Susan Beth Pfeffer, Die Verlorenen von New York, Carlsen, 350 S., 16,90 Euro, ab 14.

Aus dem Paradies

Eine ganz andere Ausgangsbasis hat das Buch „Das verbotene Eden – David
und Juna
“. Thomas Thiemeyer geht in seiner Dystopie davon aus, dass ein
außer Kontrolle geratenes Virus Männer und Frauen zu Feinden gemacht
hat. Dabei nimmt er Anleihen bei Doris Lessings umstrittenem Roman „Die
Kluft
“. Um das Überleben der Menschheit sicherzustellen, können sich
empfangsbereite Frauen Männern im „Schandkreis“ hingeben, männliche
Babys werden auf neutralem Gelände ausgesetzt – mit Vorwarnung, damit
sich die Männer darum kümmern können. Während die Männer eine Art
christliche Glaubensgemeinschaft unter einem strengen Großinquisitor
leben und noch über Technik wie Autos und Gewehre verfügen, haben die
Frauen zurück zur Natur gefunden – mit Priesterinnen, die den Glauben an
Göttinnen pflegen. Alles scheint gut eingerichtet im Jahr 2080 – doch
der Frieden zwischen Männern und Frauen ist brüchig.
In diesem Umfeld kommen sich Juna, die Tochter der Hohen Priesterin, und
David, der sensible Lehrling des Bibliothekars, näher. Beide spüren,
dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde als ihre Art zu leben. Das
weiß David schon von dem Buch, das er immer bei sich trägt, Shakespeares
Romeo und Julia“. Und bald fühlen sich David und Juna wie das
Liebespaar in der Tragödie. Denn auch sie leben in verfeindeten
Familien, denen sie Loyalität zu schulden glauben. Bis Junas Mutter
ihrer Tochter ein Geheimnis enthüllt und David von seinem Meister über
seine Herkunft unterrichtet wird. Da endlich wird den beiden
Jugendlichen klar, dass sie Hoffnungsträger sein können – für eine neue
Lebensordung. Auch dieses Buch ist der Anfang einer Trilogie und man
darf gespannt sein, wie Thiemeyer seine Geschichte, die durchaus
Seitenhiebe auf unsere Lebensweise enthält, weiter entwickelt.
Info: Thomas Thiemeyer, Das verbotene Eden – David und Juna, PAN, 460 S., 16,99 Euro, ab 13

Aus der Welt

Sie wollte immer schon wissen, woher wir Menschen kommen, und jetzt hat
sie die Chance, mit ihrem Vater zusammen, einen künstlich erzeugten Homo
erectus
zu erforschen. Jane, die von Großmutter und Urgroßmutter nicht
nur den Namen sondern auch die Leidenschaft für die Paläontologie geerbt
hat, reist nach Laos – in ein verborgenes und geheim gehaltenes Labor,
wo der Vorgänger des Menschen wissenschaftlich erforscht werden soll.
Dort trifft sie auf Jamie, der für Jane schnell mehr wird als ein
Forschungsobjekt. Wie sieht er mich?, fragt sie sich schon bald und
fühlt sich seltsam hingezogen zu diesem Wesen, das fremd ist und
zugleich ganz vertraut. Es kommt wie es kommen muss: Jane und Jamie
werden ein Liebespaar. Jane verstößt damit gegen sämtliche
Forscherregeln und gegen die Wünsche ihres Vaters. Aber was scheren die,
wenn Liebe im Spiel ist? Charlotte Kerner legt mit ihrem Zukunftsroman
Jane Reloaded“ nicht nur eine herzzerreißende Liebesgeschichte vor, sie
informiert auf unterhaltsame Art auch über den Stand der Forschung und
unsere bedrohte Welt, die unter der „seltsamen Krankheit homo sapiens“
stöhnt. Am Ende steht die Hoffnung, wie Jane im Jahr 2161 an ihre
Enkelin schreibt, Hoffnung auf eine Menschheit reloaded.
Info: Charlotte Kerr, Jane reloaded, Beltz & Gelberg, 210 S., 14,95 Euro, ab 14 

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert