Einladung zum Deutschlandurlaub

Auch wenn die Reaktionen der Tourismusbranche angesichts der aktuellen Lockerungen optimistisch klingen, die große Reiselust haben die Deutschen noch nicht wieder entdeckt. „Schnellstmöglich wieder innerhalb Deutschlands verreisen“ wollen gerade mal 26 Prozent der Deutschen im Alter von 18 bis 74 Jahren. Erst einmal abwarten wollen 45 Prozent, und 29 Prozent haben dieses Jahr vor, überhaupt nicht zu verreisen. So das Ergebnis einer deutschlandweit repräsentativen Online-Befragung unter 1011 Personen, die das Bayerische Zentrum für Tourismus in Zusammenarbeit mit der GfK im Mai durchgeführt hat. Dabei kostet jeder Tag des Lockdowns im Tourismus Millionen.

 Das „New Normal“ im Deutschlandurlaub

Auch die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) leidet unter den Corona-Regeln. In den Lockerungen sieht die Vorsitzende des Vorstands, Petra Hedorfer, ein Signal für den internationalen Reiseverkehr. Sie warnt aber auch: „Auf absehbare Zeit wird es keinen Tourismus und auch kein Incoming ohne Corona geben, sondern nur mit Corona. Das heißt Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen, reduziertes Angebot in vielen Bereichen. Dieses „New Normal“ betrifft auf der Angebotsseite alle touristischen Unternehmen“. Darüber, wie dieses New Normal im Deutschlandurlaub aussieht, diskutierte die Touristische Runde – erstmals virtuell.

Hoffnung auf die „richtigen Gäste“

Sybille Wiedenmann ist Geschäftsführerin der Allgäu Top Hotels und war auch Geschäftsführerin bei Bayern Tourismus Marketing. Aber eine Situation wie jetzt hat sie noch nicht erlebt. Dabei ist sie durchaus positiv, was den Sommer angeht. Ferienwohnungen und Bauernhöfe in Bayern seien schon ziemlich ausgebucht, hat sie erfahren.

Die Sonnenalp in Ofterschwang gehört zu den Top Ferienhotels in Deutschland.

Auch die Hotels reagierten positiv auf die Öffnungen. Worauf es jetzt ankäme, das seien „die richtigen Gäste“. Sie seien elementar fürs Urlaubserlebnis. Es komme vor Ort auf ein vertrauens- und liebevolles Miteinander an. Die Hotels seien schon gut vorbereitet, aber sie würden auch gerne ihre Schwimmbäder und Saunen öffnen – wie die österreichischen Nachbarn. Zum Glück gäbe es aber die wundervolle Natur im Allgäu, die viele schöne Urlaubserfahrungen für die Gäste ermögliche. Vor allem für Kinder wünscht sich Wiedenmann die Möglichkeit, im Wasser Spaß zu haben. Waldbaden wie für Erwachsene sei für die Kleinen wohl keine Alternative.

Die Bazooka der Mitbewerber

Hansjörg Mair, Geschäftsführer von Schwarzwald Tourismus, ärgert sich über die unterschiedlichen Vorgaben im Deutschlandurlaub und das Konkurrenzdenken der Destinationen. Er outet sich als „kleiner Fan von Söder“. Der bayerische Ministerpräsident gebe den Takt vor. „Es braucht klare Regelungen“, ist sich Mair sicher. Die Mitbewerber aber hätten schon „die Bazooka auf dem Tisch“. Kärnten etwa verfüge über eine Zwei-Millionen-Marketing-Budget“, und die Schweiz könne aus dem Vollen schöpfen.

Auch in Freiburg bereitet man sich auf  einen Boom im Deutschlandtourismus vor.

Dagegen „machen wir japanische Gartenspielchen mit unseren Mini-Budgets“. Für eine große Kampagne habe man gerade mal eine halbe Million Euro zur Verfügung.  Als positiv wertet er, dass auch die „hohe Politik“ endlich merke, „dass Tourismus die relevante Industrie des 21. Jahrhunderts ist“. Unterstützung für die Branche, die „am meisten gelitten hat“, sei deshalb selbstverständlich. Die Auflagen für die Urlauber müssten nachvollziehbar sein, fordert der Touristiker, der auch auf seine Heimat Südtirol verweist. Nur so könnten die Destinationen „einigermaßen durch den Sommer kommen“. Derzeit kenne sich der Gast kaum mehr aus, weil täglich neue Regelungen kämen. Was ihm Sorge bereitet, betont Mair, sei ein Preisdumping, wie es sich in einigen Regionen bereits abzeichnet. So werde bereits dafür geworben, Urlaub zu verschenken.

Karawanen in den Bergen

Einsam wird es auf den Wegen in den Bergen nicht bleiben.

Solche Sorgen hat Bernd Zehetleitner nicht. Der Geschäftsführer der Bergschule Oberallgäu sieht sich aber mit Bergfreunden konfrontiert, „die alles so wollen wie es früher war“. Dabei bemüht er sich, den Kunden Wanderungen anzubieten, die auch in Nach-Corona-Zeiten möglich sind. Mit Hotel- statt Hüttenübernachtungen. Was nicht ganz einfach sei, weil manche Hoteliers übersteigerte Preisvorstellungen hätten. Was Zehetleitner derzeit im Allgäu sieht, stimmt ihn skeptisch: Überfüllte Parkplätze und „ganze Karawanen“ auf den Bergen. Verständlich, meint er, „die Leute wollen raus“. Aber so kann es wohl nicht bleiben, denn dann könnte in den Bergen Overtourism drohen. Allerdings wohl kaum „im richtigen Gebirge“, weil die Hütten nur unter Auflagen öffnen und Bergführer nicht mit mehr als vier Gästen unterwegs sein dürfen. Im Gegensatz zu Österreich, wo bis zu zehn Wanderer ihrem Bergführer folgen dürfen.  Trotzdem hofft der Bergführer und Einsatzleiter bei der Bergwacht noch auf einen „ganz guten Sommer“.

Die Radfahrer sind die Krisengewinnler

Radfahrer sind flexibel und können sich ihre Routen aussuchen.

Von einem guten Sommer geht auch Lutz Bäucker, stellvertretender Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs Bayern und Miterfinder der BR-Radltour, aus.  Die Radfahrer gehören seiner Meinung nach zu den „Krisengewinnlern“. Sie könnten im Deutschlandurlaub schließlich überall hinfahren und die Heimat abseits der ausgetretenen Pfade entdecken. Es müsse ja nicht immer der Bodensee-Radweg oder der Donau-Radweg sein. Schön sei beispielsweise auch der Fünf-Flüsse-Radweg zwischen Donau, Altmühl, Pegnitz, Vils und Naab. Oder der Saale-Radweg von der Quelle bis zur Mündung in die Elbe. Über mögliche Radler freundliche Quartiere könne man sich bei Bett & Bike informieren, einer Tochter des ADFC. Wer‘s lieber flach möge, fände unter den Radwegen genauso etwas wie sportliche Radler, die Steigungen reizen. „Da gibt es für jeden etwas“, ist Bäucker überzeugt – auch E-Biker.

Deutschland-Boom bei den Veranstaltern

Wandern im Bayerischen Wald statt Baden in der Dominikanischen Republik.

Auch die Reiseveranstalter stürzen sich in diesen Zeiten auf Deutschland. Ganz vorne mit dabei ist FTI. Martin Katz, Chef der Eigenanreise, hat beobachtet, dass „die Gäste auf Deutschland umschwenken“ – mangels Alternativen oder weil sie nicht fliegen wollen. In der vergangenen Woche konnte FTI doppelt so viele Deutschland-Buchungen verbuchen wie 2019. „Die Nachfrage ist eindeutig da“, stellt Katz zufrieden fest. Um drohenden Overtourism an besonders populären Zielen zu vermeiden, müsse man die Zeiten besser auslasten und die Kunden auch auf andere schöne Gegenden verweisen. Katz sieht das als Chance, die Gäste von der Vielfalt in Deutschland zu überzeugen und langfristig „etwas für Deutschland zu bewegen“. Auch Reisebüros könnten mit Deutschland-Reisen ein gutes Geschäft machen, ist er überzeugt. In einem – überbuchten – Seminar habe FTI diese Chancen für den Deutschlandurlaub aufgezeigt. Kritik übt der FTI-Manager am deutschen Flickenteppich. Jedes Bundesland mache etwas anderes, und oft wüssten die Hoteliers nicht, woran sie seien.

Gemeinsam statt gegen einander

Grundsätzlich wünschen sich alle mehr Zusammenarbeit statt Konkurrenzdenken und  eine bessere Kommunikation. Und sie begrüßen gemeinsame Kampagnen für den Deutschlandurlaub wie die Empathie-Kampagne der DZT #DiscoverGermanyFromHome , die breit angelegt Initiative des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft #ichfreumichauf  oder –  ganz aktuell  – die Marketingkampagne aller 16 Bundesländer www.entdecke-deutschland.de

Infos im Internet:
Allgäu Top Hotels  www.allgaeu-top-hotels.de/
Allgemeiner deutscher Fahrradclub (ADFC) www.adfc.de, www.deutschland-per-rad.de
Bergschule Oberallgäu www.alpinschule.de/sommer/wandern/neu
DZT www.germany.travel
FTI www.fti.de
Schwarzwald Tourismus www.schwarzwald-tourismus.info

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