Vor dem Biergarten an der Wallfahrtskapelle Maria Klobenstein weist ein Schild darauf hin, dass kein Platz mehr frei ist. Kein Wunder an diesem goldenen Herbsttag, der für viele nasse Tage in diesem Sommer entschädigt. Auch auf dem Weg zur Kapelle und den Aussichtspunkten drängten sich die Wanderer. Und deshalb muss man anstehen, wenn man sich durch den Spalt zwischen den beiden riesigen Felsbrocken zwängen will, denen die Kapelle aus dem 18. Jahrhundert wohl ihre Existenz verdankt.
Die Legendes des geklobten Steins
Naturführer Andreas Schwendtner – „i bin der Andi“ – kennt eine Legende dazu: Im Angesicht eines Felssturzes habe sich eine Kräuter sammelnde Bäuerin auf die Knie geworfen und die Muttergottes um Hilfe angefleht. Daraufhin habe sich der Felsen gespalten und sei links und rechts der frommen Frau hinunter zur Tiroler Ache gekracht. Bis heute hat dieser gigantische gespaltene (geklobte) Felsblock etwas Magisches. Wer den Spalt durchquert ohne die Felsen zu berühren, heißt es, habe einen Wunsch frei.
Auf dem Schmugglerweg zur Kirche
Von diesem Versprechen fühlen sich an diesem Tag viele angesprochen, mehr jedenfalls als von der schönen Kapelle mit ihrem Marienbild und von dem „heilsamen Wasser“, das drunter aus einem Brunnen unterhalb der Lourdes-Kapelle sprudelt und das bei Augenleiden helfen soll.
Die meisten Wanderer sind auch nicht auf Wallfahrt, sie sind über den Schmugglerweg zu der Wallfahrtskirche gekommen, die an der Grenze zwischen Bayern und Tirol steht, was des öfteren für Grenzstreitigkeiten sorgte.
Mit Butter und Käse über die Grenze
Dass der Schmugglerweg seinen Namen zu Recht trägt, bestätigt der rotbärtige Andi. Vor allem Vieh, Schnaps und später Kaffee sei über die tirolerisch-bayerische Grenze geschmuggelt worden. Als Kind habe er selbst Butter und Käse im Rucksack geschmuggelt, erzählt er, und deshalb kenne er jede Biegung auf dem Weg. Damals freilich gab es die Hängebrücke noch nicht, unter der in der Tiefe die Tiroler Ache schäumt. Auch die beiden weit über den Fluss ragenden Aussichtsplattformen auf dem Weg sind neu.
Mehr als nur Natur
Neu ist auch die Schmugglerkarte, die zu einer spielerischen Erkundung des sagenhaften Wegs einlädt. „Ohne Themenweg geht heute nix mehr“, ist auch der Andi überzeugt. Die Leute von heute wollten mehr als schöne Natur und womöglich einen Gipfel als Ziel. Ein bisschen Nervenkitzel auf der Hängebrücke zum Beispiel, eine Schnitzeljagd auf dem Schmugglerweg oder gleich eine Rafting-Tour durch den „Alpinen Canyon“. Das Wichtigste ist für den 47-jährigen Familienvater in der Natur unterwegs zu sein. „Wie Erholung“ sei das.
Der Naturführer ist ein Multitalent
Vor 20 Jahren hat der Bergbauernsohn seine Leidenschaft fürs Draußensein zum Beruf gemacht. Sportlich, sagt er, sei er in alle Richtungen unterwegs – Canyoning, Raften, Mountainbiking, Bogenschießen, Schluchtentrekking… „I kann vieles, aber net alles gut“, lacht er. Und vieles weiß er. Über die Kössener Schichten, Ablagerungen aus dem Urmeer, und die Entenlochklamm mit ihren typischen grauweißen Gesteinsriegeln und den seltsamen Gletschertöpfen. Weil der enge Durchlass immer wieder zu Überschwemmungen führte, habe man ihn Anfang des 20. Jahrhunderts durch Sprengungen erweitert, berichtet der Andi. Womöglich seien für die gefährlichen Arbeiten Kriegsgefangene eingesetzt worden. Heute überspannt eine 35 Meter lange Hängebrücke die immer noch eindrucksvolle Klamm. Sie ist so neu wie die Aussichtsplattformen. Ihre Vorgängerin war beim Jahrhunderthochwasser 2013 zerstört worden.
Kreiseln auf der Ache
Kaum zu glauben, dass die so friedlich dahinfließende Ache derartige zerstörerische Kräfte entwickeln kann. Auch beim Raften zeigt sie sich derzeit eher von ihrer zahmen Seite. Sabine – braun gebrannt, Flipflops und Bikini-Oberteil – geht auch offensichtlich nicht davon aus, dass ihr Raft in eine gefährliche Situation geraten könne. Souverän lenkt sie das blaue Gummi-Gefährt durch Stromschnellen, Kehrwasser und Waschküche. Hin und wieder kreiselt es, sehr zum Vergnügen der Insassen, die sich fühlen als würde ihr Raft auf der Ache Walzer tanzen.
Sprung ins kalte Wasser
Von unten sieht man die weißen Felsen, die steil aus dem türkisblauen Flusswasser aufragen, man sieht die Schuhsohlen der Wanderer, die über die Hängebrücke laufen und die Aussichtsplattformen, die über das Wasser ragen. Ein paar Kanuten paddeln vorbei. Nach der Klamm wird die Ache zu einem ruhig dahin strömenden Fluss. Mit Neoprenanzügen und Schwimmwesten springen einige Mutige ins kalte Wasser – und bald folgen die anderen. Es macht Spaß, sich auf der eiskalten Ache ein Stück weit treiben zu lassen – das rettende Raft immer in der Nähe.
Outdoor-Erlebnisse im Alpinen Canyon
Mal oben auf dem Weg, mal unten auf dem Fluss. Der Andi hat schon Recht, wenn er gleich mehrere Möglichkeiten für Outdoor-Erlebnisse im „Alpinen Canyon“ von Kössen anbietet. Drunter und drüber macht das Erkunden gleich doppelt Spaß.
Kurz informiert
Anreisen. Mit dem Zug nach Kufstein und von dort mit dem Regiobus Nr. 4030 nach Kössen. Mit der KaiserwinklCard ist der Bus kostenlos.
Mit dem Auto über die Inntalautobahn Richtung Kufstein bis Oberaudorf. Von da auf der B 172 nach Kössen.
Wohnen. Kössen ist ein weit gestreuter Ferienort mit unterschiedlichsten Unterkunftsmöglichkeiten in den verschiedenen Ortsteilen – Ferienhäuser, Pensionen, Gasthöfe, Luxushotels. Nah am schönen Walchsee ist das Viersterne-Hotel Seehof mit großzügigen Freizeitmöglichkeiten: www.seehof.com/de
Wandern/Raften. Andreas Schwentner bietet über www.sportundnatur.com Aktivitäten in der Natur an – vom Canyoning bis zu Wintertouren.
KaiserwinklCard. Die Karte, die es von den Gastgebern ab einer Übernachtung kostenlos gibt, bietet zahlreiche Vergünstigungen auch auf geführte Tageswanderungen, Bergbahnen und bei Taxiunternehmen. Außerdem ist der Regiobus gratis.
Informieren. Tourismusverband Kaiserwinkl, Postweg 6, 6345 Kössen/Tirol, Tel. 0043/501/100, info@kaiserwinkl.com, www.kaiserwinkl.com