Der gute Mann der Mafia

Man lernt viel in diesem Roman: über die Strukturen des organisierten Verbrechens, über Freundschaften innerhalb des Syndikats, über Abhängigkeit und Verrat, über den Börsencrash und die amerikanischen Machenschaften auf Kuba. Joe Coughlin, der unangepasste junge Mann, wird vor diesem Hintergrund schnell vom Naivling zum gewieften Strippenzieher. Und doch bewahrt er sich bei aller Skrupellosigkeit ein Stück Menschlichkeit. Das liegt auch an Graciela, der sozial engagierten Kubanerin und Joes großer Liebe. Sie öffnet ihm die Augen für das Elend der Zeit:
„Doch draußen, auf trüb beleuchteten Bürgersteigen, in dunklen Gassen und auf verlassenen Grundstücken, bettelten Menschen um Essen und warme Decken. Und wenn man an ihnen vorbei war, warteten ihre Kinder an der nächsten Straßenecke.“
Und so wird Joe zum Wohltäter, zum guten Mann der Mafia, der auch mal einen Rivalen laufen lässt und dem Oberboss eine Nase dreht.
Das bekommt ihm nicht gut. Doch Joe ist wie eine Katze. Er scheint mehrere Leben zu haben, zumindest genügend Freunde, die ihm im Notfall zur Seite stehen. Trotzdem muss auch er am Ende für das Leben, das er gewählt hat, bezahlen.
„Keiner von uns kriegt den Hals voll“, sagte Joe… „Wir sind süchtig danach.“ – „Wonach?“ – „Nach der Nacht“, sagte Joe, „Sie ist unwiderstehlich. Wer sich für den Tag entscheidet, der muss nach ihren Regeln spielen. Darum haben wir uns für die Nacht entschieden und spielen nach unseren eigenen. Das Dumme ist nur, wie haben im Grunde gar keine Regeln.“
Dennis Lehane stellt sich mit diesem fulminanten oft rotzig daherkommenden Gangster-Epos in die Nachfolge Raymond Chandlers. Bei der ebenso ereignis- wie wendungsreichen Story wundert es nicht, dass die Filmrechte schon verkauft sind. Ben Affleck soll Regie führen, Leonardo DiCaprio produzieren und die Hauptrolle spielen.
Info: Dennis Lehane, In der Nacht, Diogenes, 584 S., 22.90 Euro

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