Der alte Mann und die Liebe

Barpianist Simon Schott
will Frauen Mut machen für ein Leben zu zweit

Amelie Fried sah es an den
Augen: „Das ist der Mann, den ich heiraten will.“ Jeannette Weiss ist sicher, dass es so etwas
gibt. In dem Ratgeber „Partner vor der Tür“ schreibt die 42-jährige: „Haben Sie
Geduld, liebe Freundin! Eines schönen Tages wird in naher Zukunft wird Ihnen
ganz plötzlich der Mann gegenüber stehen, den Ihnen der Kosmos geschickt hat,
um Ihnen ein glückliches Leben zu zweit zu ermöglichen.“ Jede Frau, das ist das
Credo dieses „spirituellen Ratgebers“ hat die Chance, den Mann ihres Lebens zu
finden – sie muss nur wissen wie. Und dabei will der Ratgeber helfen, zu dem
Simon Schott (87) Anekdoten aus seinem langen Leben beigesteuert hat.

Da ist die Rede von der
Macht positiver Ausstrahlung, von Signalen und verlockenden Merkmalen, von der
Harmonie der Neigungen. Kurz vom Glück zu zweit. Das liest sich dann so: „Man
bekommt im Leben leider nichts geschenkt, liebe Freundin. Glauben Sie mir,
wenn es uns wirklich bedrückt, einsam zu
sein, dann müssen wir auch eine gewisse Leistung erbringen, um die Situation zu
ändern. Wir haben keine andere Wahl, als uns zu überwinden und unsere Reize
anzubieten.“

Ist das nicht allzu
romantische Schönfärberei? Vollkommen überflüssig in einer Zeit der
Versingelung? Immerhin freut sich Boris Becker nach einer kurzen Zweisamkeitsphase
darauf, wieder Single sein zu dürfen. Simon Schott wehrt ab. Nein, solche Leute
wolle das Büchlein nicht erreichen. Für sie gebe es „Tausende von Büchern“. Sein und Jeanette
Weiss’ Ratgeber sei „reine Hilfestellung vor allem für ältere, auch nicht
gebildete Frauen, die alles schon versucht haben, um einen Partner zu
finden.“ Vom literarischen her, das weiß
der erfahrene Krimiautor, sei das „keine tolle Sache“, aber vom Nutzwert sei es
wirksam. Und was schließlich gebe es im Leben Schöneres als die Liebe? Der alte Mann weiß, wovon er spricht. Hat er doch
selbst in seinem langen Leben schon drei Mal das Glück zu zweit erfahren. Zwölf
Jahre war er mit einer Pariserin liiert, 17 Jahre war er in München verheiratet
– zwei Söhne entstammen dieser Ehe – und seit 15 Jahren verbindet ihn mit der
halb so alten Jeanette Weiss eine „Seelenverwandtschaft“. Nein, ein Paar seien sie nicht, stellt Schott
klar und verweist auf die Attraktivität seiner Co-Autorin: „Das wäre wahnsinnig
angeberisch von mir, so etwas zu behaupten.“ Eher betrachtet er sich als Jeanettes „Guru“.

Und dafür bringt er
einiges an Lebenserfahrung mit. 60 Jahre liegen zwischen dem Bild des
27-jährigen Pariser Barpianisten mit dem Schlapphut und heute. Den Schlapphut
trägt Simon Schott noch immer, wenn er am Klavier sitzt und seinen Klangteppich
für die Gäste des Kempinski Hotels Vier Jahreszeiten in München ausbreitet.
Aber die ehemals dunkle Mähne darunter ist grau und schütter geworden. Die
wenigen Haare hat er zu einem mickrigen Schwänzchen zusammengebunden. Die blauen Augen sind wässrig unter den
buschigen grauen Augenbrauen. Und doch wirkt dieses Gesicht seltsam alterslos
und wenn er am Klavier sitzt und seine immer noch schönen Hände wie von selbst
über die Tasten tanzen, dann erscheint wie durch Zauber der junge Mann in dem
alten. Man glaubt ihm gern, dass er sich nicht so alt fühlt wie er ist. Aber
Schott ist Realist, kein Traumtänzer. „Ich habe keine Zukunft“, sagt er, „bei
mir ist alles Vergangenheit.“

Eine Vergangenheit, die es
in sich hat. Nach einer glücklichen Kindheit auf dem Land und dem Abitur in
München kam er als Soldat in die Bretagne („ein Riesenglück“). Es ging ihm
„nicht schlecht beim Militär“ – bis er sich überreden ließ, Flugblätter gegen
Hitler zu verteilen. Schott wurde gefasst, zum Tode verurteilt, saß im
Zuchthaus und konnte dem Tod durch einen Sprung vom Lastwagen entkommen. Die totale Isolation in der Zelle ist für ihn
bis heute noch das schlimmste Erlebnis seines Lebens: „Man gewöhnt sich sogar
an den Gedanken, erschossen zu werden. Aber die Einsamkeit ist unerträglich.“
Die unüberlegte Flugblattaktion hat ihm später freilich in Paris alle Türen
geöffnet. Der Deutsche galt als mutiger Widerständler, „zu Unrecht“, wie er
ehrlich einräumt.

Seine schönsten Erinnerungen verbinden sich
mit Paris, wo nach Kriegsende „eine unglaubliche Euphorie“ herrschte. Und mit Harry’s
New York Bar, wo der Deutsche für die
Schönen, Klugen und Reichen dieser Welt spielte. Und für die Künstler. Ganz
Hollywood sei damals in Paris gewesen, auch Rita Hayworth und Humphrey Bogart,
Ernest Hemingway und John Steinbeck. Die Schauspieler zogen die Intellektuellen
nach sich. „Sartre war fast jeden Tag da und hat sich mit Simone de Beauvoir
gestritten,“ erzählt Schott. Doch am meisten beeindruckt habe ihn Coco Chanel,
für ihn das personifizierte Frankreich voller Charme und Esprit. Zweimal
spielte er auf Chanel-Modenschauen und auch sonst hatte er die besten Kontakte:
„Ich hatte eine Schuhschachtel voller Adressen von Kneipen, in denen ich hätte
spielen können. Das war meine Lebensversicherung.“

Ein Zubrot verdiente er
sich mit dem Schreiben von Krimis. „Ich
war mein Leben lang Geschichtenerzähler“, lächelt der alte Mann – und Musiker.
Schon als Zweijähriger habe er das Klavier entdeckt, mit vier Jahren spielte er
Kinderlieder und mit sechs Charleston. Auch heute noch ist Musik sein Leben. Er
spielt 2000 Lieder auswendig, hört sich mit dem Ohr in die Geschichten hinein.
Die Klänge sind „ein wohltuender Teppich, der mich einhüllt und meine Emotionen
wach hält.“ Auch für die Zuhörer ist seine Musik Balsam. Ein bisschen von
diesem Lebensgefühl will Schott in dem Ratgeber weitergeben. Die Hoffnung auf Liebe
und Glück, das ist seine Botschaft,
sollte man nie aufgeben – und glücklich
sein ist auch eine Frage der Einstellung.
"Es wurde eine Traumhochzeit mit Kutschen und Blumen streuenden Kindern. Als Trauzeuge konnte ich feststellen, dass die Braut mit ihren 43 Jahren wirklich hinreißend aussah. Und beide waren vernünftige Menschen, die das Leben kannten und sich an dem erfrezuten, was sie aneinander hatten. Deshalb war ich sicher, dass sie für den Rest ihres Lebens eine glückliche Ehe führen würden." So etwas klingt verdächtig nach "es war einmal". Und wenn schon: Auch Märchen werden manchmal wahr. Das zumindest hat Simon Schott in seinem langen Leben mehr als ein Mal erfahren.

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