Brutale Überzeugungsarbeit: Andrzej Sapkowkis „Gottesstreiter“

Gottesstreiter
(Buch)
Autor: Andrzej Sapkowski
Verlag: Dtv
Erschienen am: 2006-11
Seiten: 820
ISBN: 3423245719

Wer den „Narrenturm“ gelesen hat, ahnte es: Auch in den „Gottesstreitern“ wird es blutrünstig werden. Andrzej Sapkowski hat eine Vorliebe für die Beschreibung von Folter und blutigem Gemetzel und seine Helden waten durch Ströme von Blut. Denn der Papst hat zum Kreuzzug gegen die Hussiten aufgerufen und die wehren sich nach Kräften, wobei sie die Bekehrung mit Brandstiftung und Schwert betreiben. Die „Gottesstreiter“ bringen im Jahr des Herrn 1428 Tod und Verwüstung übers Land.

Wie sie ihre Grausamkeiten rechtfertigen, das erinnert freilich fatal
an Slogans von gestern (chinesisches Kulturrevolution, Rote Khmer) und
heute (islamistische "Gotteskrieger"): „Erfordert es die Sache, dass getötet
werden muss, dann wird getötet. Der Geist der Zerstörung ist zugleich
ein schöpferischer Geist. Töten für die gerechte Sache ist kein
Verbrechen, daher darf man auch nicht zögern, für die gerechte Sache zu
töten. Erhobenen Hauptes und sicheren Schrittes betreten wir die Bühne
de Geschichte.“ Wenn der Kopf noch dran ist, könnte man im schnoddrigen
Ton hinzufügen, dessen sich der Autor genussvoll und mit Kennerschaft
befleißigt. Es ist diese hintersinnige Ironie, die die entspannte Lektüre all der Grausamkeiten erst möglich machen. Die es
gestattet, trotz all der abgeschnittenen Gliedmaßen, der verbrannten
Hütten, der Blutorgien noch Vergnügen beim Lesen zu empfinden.
Dazu kommt, dass der naive Springinsfeld Reinmar von Bielau, alias
Reynevan, ein mit magischen Kräften gesegneter Medicus, ein Held
mit Fehl und Tadel ist, mit dem sich mann identifizieren und mit dem
frau durchaus Sympathie empfinden kann. Ihm zur Seite stehen mit Scharley, dem
abtrünnigen Mönch, und Samson Honig, dem Intellektuellen im Körper
eines Idioten, zwei Freunde, auf die Reinmar sich verlassen kann. Wie
weiland die drei Musketiere ziehen die drei durch die Lande oder wie
Gefährten in den Märchen, die auch vor keiner Gefahr zurückschrecken.
Ohne Scharley und Samson wäre Reinmar verloren. Das liegt daran, dass
der Jungspund nur zu gern in Fettnäpfchen tritt. Und derer, die ihm
nach Leib und Leben trachten, werden so immer mehr. Es liegt aber auch
daran, dass Reinmar die Frauen liebt, besonders eine: Nicoletta. Die
Suche nach dem Liebchen bringt ihn und die Freunde in ziemliche
Schlamassel und seine ungestüme Leidenschaft macht Nicoletta nicht nur
Freude.
Das alles kommentiert Andrzej Sapkowski in bester
Schelmenroman-Manier in den Kapiteleinleitungen. So weiß der Leser
schon, was ihn auf den nächsten 20 bis 30 Seiten erwartet. Wer freilich
den dicken Wälzer mit echtem Genuss lesen will, sollte dranbleiben. Die
böhmischen Geschlechter und die unaussprechlichen Ortsnamen, die
lateinischen Einsprengsel und slawischen Lieder erfordern höchste
Konzentration. Wer sich allerdings eingelesen hat, der legte das Buch
nur unwillig aus der Hand. Ermöglicht es ihm doch eine ganz und gar
ungefährliche Zeitreise in eine ebenso gefährliche wie spannende Zeit.

Info: Andrzej Sapkowski, Gottesstreiter, genial ins Deutsche übersetzt
von Barbara Samborska, dtv premium, 735 S. inkl. Glossar, 17,50 Euro

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