Auch in der Pandemie gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt – auch bei den Urlaubern. Viele hoffen noch, dass der geplante Pfingsturlaub stattfinden kann, andere setzen darauf, dass spätestens im Sommer Reisen möglich sein wird. Doch so einfach und grenzenlos wie es einmal war, wird es nicht so schnell wieder werden. Die meisten Länder haben ihre Grenzen geschlossen, Flugzeuge bleiben am Boden, selbst die Bahn hat ihren Service eingeschränkt. Beliebte Reiseländer wie Italien und Spanien werden eine Zeitlang brauchen, um sich von den Folgen der Covid-19 Pandemie zu erholen. Und das Auswärtige Amt hat die touristische Reisewarnung verlängert: „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland wird derzeit gewarnt, da mit starken und weiter zunehmenden drastischen Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr, weltweiten Einreisebeschränkungen, Quarantänemaßnahmen und der Einschränkung des öffentlichen Lebens in vielen Ländern zu rechnen ist. Dies gilt bis auf weiteres fort, vorerst – entsprechend dem Beschluss vom 15. April zur Verlängerung der Eindämmungsmaßnahmen – mindestens bis einschließlich 3. Mai 2020.“ Und jetzt?
Der Präsident des Bundesverbands der Tourismuswirtschaft (BTW), Michael Frenzel, sieht die Gefahr, dass sich die Struktur des Tourismusgeschäfts grundlegend ändert. „Es werden dann möglicherweise im Veranstaltergeschäft nur noch ein paar Onlineunternehmen wie Booking und Expedia den Markt beherrschen und unter sich aufteilen“, sagte Frenzel der Welt am Sonntag: „Denn die überleben ganz sicher.“ Die mittelständische Struktur mit vielen Spezialveranstaltern und Reisebüros, die eine der Stärken der deutschen Reisewirtschaft sei, werde es in dieser Form nicht mehr geben.
Zwischen Hoffen und Bangen
Zwar glaubt Reiseforscher Martin Lohmann, dass „den Deutschen die Reiselust nicht auf Dauer abhanden kommt“, aber auch er ist überzeugt, dass sich an der Art zu reisen einiges ändern wird. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind noch nicht abzusehen, und vielen Deutschen wird das Geld für einen längeren Urlaub fehlen. Laut einer Umfrage von McKinsey sind 42 Prozent der Deutschen „besorgt wegen ihres geplanten Urlaubs“ und 29 Prozent geben an, auch nach der Corona-Krise weniger beruflich oder privat reisen zu wollen.
Zumindest im Frühjahr 2021 könnte alles wieder „normal“ sein, hofft trotz allem die TUI. Der Marktführer hat deshalb Reisebuchungen für den Sommer nächsten Jahres frei geschaltet. Inzwischen bereitet sich die TUI Group auf die Wiederaufnahme von Reisen innerhalb Europas vor. CEO Joussen erwartet, dass Mallorca bald wieder startet. Dort könnten Hotels wieder öffnen.
Noch immer sind die die meisten Veranstalter mehr mit Stornierungen und Umbuchungen längst gebuchter Reisen beschäftigt als mit Planungen von neuen Reisen. Bei DER Touristik läuft die Aktualisierung der Reiseangebote auf Hochtouren. Die Planung des Reisesommers 2020 habe aber eine große Unbekannte: Die Dauer der weltweiten Reisewarnung, sagte Ingo Burmester, Zentraleuropa-Chef von DER Touristik. Der Veranstalter reagiert am 7. Mai direkt auf die Lockerungen der Reiseeinschränkungen im Inland und startet unter dem Motto „Endlich wieder Urlaub“ mit „dem vielseitigsten Deutschland-Angebot im Markt“. Mit seinen Veranstaltern Dertour, ITS, Jahn Reisen und ADAC Reisen biete DER Touristik in mehreren Katalogen attraktive Angebote für den Sommerurlaub 2020 in Deutschland an, heißt es in der Pressemitteilung.
FTI-Chef Dietmar Gunz geht davon aus, dass „Reisen für viele Menschen ein Grundbedürfnis ist, vermutlich besonders nach einer längeren Zeit in den eigenen vier Wänden“. Derzeit werde bei FTI vor allem für den Herbst und die Wintersaison 2020/21 gebucht. Gunz ist sicher, dass im großen Stil gereist werden wird, sobald es wieder möglich ist. Entscheidende Aspekt für die Urlaubsentscheidung werde die sorgenfreie Anreise und die ebenso sorgenfreie Erholung vor Ort sein. Die Entfernung spiele eine untergeordnete Rolle. Was Fern- und Nahziele angehe werde sich das „genauso verteilen wie in der Zeit vor Corona“, glaubt Gunz – „vorausgesetzt es gibt keine verlängerten oder neuen Reisehinweise für Urlaubsländer“. Auch bei FTI kann man bereits Reisen fürs nächste Jahr buchen.
Pfingsturlaub in Sicht?
Inzwischen tut sich etwas im Land, das Hoffnung macht. Niedersachsen will die Gastronomie schon am 11. Mai anlaufen lassen, ab da sollen auch Ferienhäuser und – Wohnungen vermietet werden können – bei einer Wiederbelegungsfrist von sieben Tagen. Hotels sollen Ende Mai wieder öffnen. Thüringen will am 13. Mai mit dem „Ausstieg aus dem Totalstillstand“ beginnen – mit der Öffnung von Campingplätzen für Wohnwagen und Wohnmobile. In Mecklenburg-Vorpommern soll am 25. Mai das Einreiseverbot für Touristen aus anderen Bundesländern aufgehoben werden. Dann würde Pfingsturlaub am Meer oder an der Mecklenburger Seenplatte wieder möglich. Den Hotels soll allerdings vorläufig nur die 60-prozentige Auslastung ihre Kapazitäten erlaubt werden. Für Vermieter von Booten, Fahrrädern oder Strandkörben zeichnet sich schon ab 11. Mai ein Ende der Durststrecke ab. Auch Bayern beginnt mit vorsichtigen Lockerungen: Ab 18. Mai wird Außengastronomie bis 20 Uhr wieder erlaubt. Restaurants dürfen unter strengen Auflagen am 25. Mai öffnen, ab 30. Mai können dann Hotels wieder Gäste beherbergen – vorausgesetzt es gibt keinen Corona-Rückfall. In Sachsen-Anhalt dürfen ab 15. Mai Ferienhäuser und Ferienwohnungen öffnen, ebenso Campingplätze. Die Lockerung gilt aber nur für Einheimische.
Im Saarland soll das Gastgewerbe am 18. Mai unter Auflagen wieder öffnen – zwischen 6 und 22 Uhr. Bei Hotels soll vom 18. Mai an der normale touristische Betrieb wieder möglich sein – im Rahmen geltender Beschränkungen.
Streitfall Sommerurlaub
Der Deutsche Reiseverband verweist auf ein Gutachten, das dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) widerspricht. Laut dem Rechtsexperten Prof. Dr. Hans-Josef Vogel könne Sommerurlaub nicht immer kostenfrei storniert werden. Der Reiserechtler der Kanzlei Beiten Burkhardt sieht die Rechtslage anders als es der Verbraucherzentrale Bundesverband in seiner Pressemeldung suggeriert: Folgten Verbraucher der Empfehlung des VZBV und stornierten Reisen mit Abreisedatum nach dem 14. Juni – bis zu diesem Datum gilt die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes – schon jetzt, gingen sie weitreichende Risiken ein, heißt es in dem Gutachten. Sie müssten damit rechnen, im Nachhinein die Storinierungskosten übernehmen zu müssen. Eine Prognose-Entscheidung darüber, ob Reisen nach dem 14. Juni möglich sind, sei nicht möglich. „Es gelten also weiterhin die jeweiligen Stornobedingungen des Reiseveranstalters.“
Flugzeuge bleiben auf dem Boden
Und von Fernreisen ist derzeit ohnehin nicht die Rede. Auf dem Flughafen München, der 2029 noch einen Zuwachs von 1,7 Millionen auf 47,9 Millionen Fluggäste verzeichnen konnte, herrscht nahezu Stillstand. Auf dem Gelände stehen 100 Flugzeuge dicht an dicht. Nichts geht mehr im neuen Satelliten des Terminal 2, auch die Bereiche A, B und D in Terminal 1 sind verwaist. Als Bestandteil der „kritischen Infrastruktur“ werde der Flughafen seinen Betrieb aber weiter aufrecht erhalten, versichert Pressesprecher Ingo Anspach. Der erst Anfang dieses Jahres neu installierte Vorsitzende der Geschäftsführung der Flughafen München GmbH, Jost Lammers, sieht sich mit „einer in dieser Größenordnung nie dagewesenen Krise des weltweiten Luftverkehrs“ konfrontiert. Geplante Investitionsvorhaben wie das Parkzentrum West, die neue Konzernzentrale oder das neue Budget Hotel wurden „bis auf weiteres“ zurückgestellt.
Um den Schaden so weit wie möglich zu begrenzen, hat sich die Geschäftsführung des Flughafens auf Kurzarbeit im Konzern und bei den Tochtergesellschaften verständigt. „Seitens des Arbeitgebers wird das gesetzliche Kurzarbeitergeld der Beschäftigten- abhängig vom jeweiligen Unternehmen – auf bis zu 90 Prozent des durch Kurzarbeit entfallenen Nettoentgelts aufgestockt, heißt es aus der FMG.
Massive Folgen der Corona-Krise
Wann der Luftverkehr wieder „auf seinen Wachstumspfad zurückkehrt“ weiß auch die FMG nicht. „Die Auswirkungen der Corona-Krise sind massiver als die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001 oder der weltweiten Finanzkrise von 2008,“ gibt Lammers zu bedenken. Deshalb werde es diesmal möglicherweise deutlich länger dauern, bis die Nachfrage wieder auf dem früheren Niveau ist. „Dass der globale Mobilitätsbedarf auf mittlere Sicht steigen und der Luftverkehr deshalb wieder zunehmen wird, steht für mich aber außer Frage,“ so Lammers. Lufthansa will im Juni wieder mit einem – reduzierten – Flugangebot starten. 160 Flugzeuge sollen für die Gruppe ( inklusive Swiss, Austrian und Eurowings) dann wieder am Start sein. Im „Rückkehrer-Flugplan“ sind Ziele wie Mallorca oder Kreta.
Der Frühling vor der Haustür
Noch dauert der Shutdown an, auch wenn viele schon ein Ende fordern. Die Pandemie hat Deutschland noch fest im Griff. Urlaub findet zur Zeit vor allem im Kopf statt – und in der näheren Umgebung, wo sich der Frühling von der schönsten Seite zeigt.
Hoffnung auf bessere Zeiten
„Hope Travel“ nennt sich eine neue Initiative, die der Tourismusbranche aus der Krise helfen will. Das Projekt kann auf die Unterstützung von Tourismusprofis aus 26 Ländern zurückgreifen. Unter dem Hashtag #projekthopetravel können Ideen und Maßnahmen für den Tourismus von morgen ausgetauscht werden. „Es gibt eine Menge Liebe, Leidenschaft und Hoffnung für den Tourismus, “ sagte Jürgen Steinmetz, CEO der Travel News Group und Gründungsmitglied der Gruppe. „Der Tourismus, so wie wir ihn kennen, wird es nicht mehr geben, aber wenn wir unsere Karten gut spielen, wird er noch besser und schöner werden.” Jetzt sei es an der Zeit, “ dass jeder in dieser Branche an einem virtuellen Tisch Platz nimmt und Ideen, Projekte und Initiativen austauscht. Tourismus ist eine Industrie des Friedens, und die Chance für den Tourismus, dies zu zeigen, war nie besser als jetzt.“ https://projecthope.travel/