Dass Reisebücher oft ihr Geld nicht wert sind, wird immer wieder behauptet. Die Reisenden scheinen das Gegenteil zu denken, denn Reiseführer verkaufen sich blendend – trotz Internet. Bei der Touristischen Runde in München diskutierten Experten über die Zukunft ihrer Branche und die Möglichkeit, mit Nischenprodukten neue Käuferschichten zu erschließen.Keinerlei Probleme, die Bücher an den Mann und die Frau zu bringen, hat der Reise-Know-How-Verlag nach den Worten von Mitverleger Will Tondok. „Unsere Bücher werden trotz des Preises gekauft,“ ist er überzeugt. Die Informationen für Individualreisende müssten zuverlässig sein, dann „kommt es auf die zwei Euro nicht an“, die man ohnehin beim nächsten Hotel wieder einsparen könne. Unter dem Label Reise Know How publizieren fünf Verleger, die bestimmte Kriterien beachten: keine Schnorrertipps für Rucksackreisende, Rücksicht auf die Menschen in den Reiseländern, ständige Aktualisierung (alle zwei Jahre) und Ehrlichkeit über das Erscheinungsdatum. Tondok: „Wir haben vor 20 Jahren bei Null angefangen und gehören jetzt zu den starken Namen.“ Zu den ganz Großen zählt Polyglott nicht nur mit den Polyglott-on-tour-Bändchen, sondern auch mit den aufwändig gestalteten Apa Guides. Vor allem mit dem günstigen Polyglott-Führern zielt der Langenscheidt-Verlag auf Menge. „Diese knappe und kompakte Form ist in Deutschland so beliebt wie nirgendwo sonst,“ weiß Chefredakteurin Barbara Lennartz. Weil aber große Verlage wie der ihre sich schwer tun, Nischen zu bedienen ist sie froh über Spezialisten wie etwa Nelles. Nelles-Cheflektor Berthold Schwarz kann dem nur zustimmen. Die Reiseführer für Individualisten kommen gut an ebenso wie die Karten. Schwarz ist Realist und als solcher weiß er, dass auch Kriege Umsatz bescheren können. So hatte Nelles nach dem Afghanistan-Krieg die einzige Afghanistan-Karte und erregte weltweit Aufsehen bis hin zum Pentagon, das sich für die digitalen Daten interessierte. Derzeit sei man dabei, den Stadtplan von Kabul zu aktualisieren, „aber der sieht immer noch verdammt leer aus.“ " In der weiten Welt zu Hause" ist auch der Verlag Frederking & Thaler, aus dem opulente Bildbände ebenso kommen wie Taschenbücher zum Thema Abenteuerreisen. Verleger Gerd Frederking ist stolz darauf, sich „mit schön gemachten Büchern“ in der Nische behaupten zu können, was in „wirtschaftlich unsicheren Zeiten“ nicht leicht sei. Doch die Abenteuer-Bücher, die keineswegs nur das Interesse der „Armchair-Tourists“, also der Lehnstuhl-Reisenden, bedienten, sondern von vielen Lesern auch als Anleitung zu eigenen Reiseerfahrungen wahrgenommen würden, kämen gut an: „Wir haben wahrgenommen, dass der Markt wächst.“ „Ich höre mich noch immer nicht klagen,“ stellt auch Verlagsleiter Dieter Keilbach vom Fleischhauer & Spohn Verlag klar, der sich auf Reiseführer für Familien und Kinder spezialisiert hat. In den vergangenen zwei Jahren habe der Verlag von der Rückbesinnung auf deutsche Ziele profitiert. Im Mittelpunkt der Führer stehe die Freude am Ausflug, seit neuestem auch in Museen. Keilbach: „Wir leisten etwas für die Familie und das gemeinsame Erlebnis in der Natur.“ Während bei Fleischhauer & Spohn „immer Kinder mit dabei“ sind, betont Will Tondok für Reise Know How, dass die Autoren „wirklich unterwegs“ seien. Und für Polyglott stellt Barbara Lennartz klar, dass man den Ehrgeiz habe, „halbwegs solide“ zu sein. Dennoch, alle Verlage sind auf die Seriosität der Autoren angewiesen und mit deren Unabhängigkeit ist es oft nicht weit her. Die Tatsache, dass bei Reiseführern „einer vom anderen abschreibt“, hängt auch mit der geringen Bezahlung und den nicht vorhandenen Spesen zusammen. Nelles-Mann Schwarz beklagte die „Persistenz der Strukturen“: Wenn es sieben Mal so abgedruckt sei, müsse es wohl stimmen. Im Verlag habe man wenig Kontrollmöglichkeiten, räumen die Fachleute ein. Allerdings ermuntere man Leser-Reaktionen und -Kritik. Trotz allem, da sind sich die Referenten einig, seien Reiseführer wesentlich vertrauenswürdiger als vieles im Internet. Barbara Lennartz sieht im Netz allerdings eine Möglichkeit der zusätzlichen Recherche. Für Tondok ist in Zukunft ein E-Book vorstellbar, das ständig aktualisiert und kurz vor der Reise heruntergeladen wird. Schwarz denkt an personalisierte Reiseführer in kleinster Menge: „Man kann die Kunden nicht vermehren, aber das Produkt auf die Kunden zuspitzen.“ Die Software für solche Entwicklungen sei jedoch „ungeheuer komplex“. Mit Cross-Marketing – also auch in Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern oder Airlines – wollen die Verlage die Zukunft der Reiseführer sichern. So stellt Polyglott der Fluggesellschaft dba in der Hauptreisezeit 200 000 Mini-Reisebührer zur Verfügung. Denn weiße Flecken gibt es kaum mehr. Es sei denn, man kommt auf die glorreiche Idee, ein ganzes Land zu erfinden und damit aus einem fiktiven Reiseführer einen Bestseller zu machen: Szlengro im Land des schadhaften Lächelns. Allerdings: Es gibt nur ein Molwanien.
03Aug. 2005