Queensland versinkt in Wasserfluten, in China herrscht Dürre, am Himalaja schmelzen die Gletscher und in Dubais Wüste werden Skipisten gebaut. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. Vielleicht ist das Thema Nachhaltigkeit gerade deshalb so wichtig – auch in Zeiten der Wirtschaftskrise.
In der Touristischen Runde diskutierten Experten darüber, was Nachhaltigkeit ist und wie nachhaltiger Tourismus aussehen müsste.
Anke Biedenkapp, Gründerin und Geschäftsführerin des Reisepavillon, ist überzeugt davon, dass das Thema Nachhaltigkeit, vor gut 20 Jahren noch als reichlich exotisch belächelt, „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist. Mit den drei Säulen Ökologie, Ökonomie und soziale Entwicklung sei Nachhaltigkeit gerade in wirtschaftlich kritischen Zeiten wichtig. Die Tourismusbranche könne es sich nicht leisten, den Ast abzusägen, auf dem sie sitze, indem sie weiterhin menschliche und natürliche Ressourcen ausbeute. Den Reisepavillon, bei seiner Gründung „ein wichtiger Katalysator für alle, die sich zum Thema Nachhaltigkeit vernetzen wollten“, sieht sie bis heute als „Schnittstelle für unterschiedlichste nachhaltige Projekte“, an der nicht nur Kleinstveranstalter beteiligt sind, sondern auch Reiseriesen wie die TUI.
Andreas Koch, Leiter Qualität- und Umweltmanagement der TUI, ist denn auch stolz auf die Umwelt-Bilanz des europäischen Marktführers. Er macht aber auch klar: „Wir müssen wirtschaftlich erfolgreich sein, um uns auf anderen Feldern engagieren zu können.“ Deshalb sei es nötig, den Kunden nicht aus dem Blick zu verlieren. Und da habe sich einiges geändert. Bei den Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability) etwa, den Menschen, die Wert auf Gesundheit und Nachhaltigkeit legen, kämen Umweltaktivitäten gut an. Daran würde auch derzeitige Wirtschaftskrise nichts ändern. Als beispielhaft für das Engagement der TUI nannte er das jüngste Wiederaufforstungsprogramm auf den Balearen, die jährliche Wahl eines Umweltchampions, die Zertifizierung des Unternehmens nach dem weltweit höchsten unabhöngigenUmweltstandard ISO 14001 und den ersten grünen Katalog 2008.
Für Rolf Pfeifer, Geschäftsführer des Forums anders reisen, in dem sich kleine und mittlere Veranstalter zusammengetan haben, sind solche Einzel-Projekte zwar ehrenvoll, wichtig ist ihm aber „die ganze Wertschöpfungskette“, das heißt vor allem die Frage, „wie viel vom Reisepreis bleibt im Land“. Deshalb hat er eine CSR-Zertifizierung entwickelt, die „das Kerngeschäft hinsichtlich der Nachhaltigkeit messbar“ machen soll und bei der auch die unternehmerische Sozialverantwortung auf den Prüfstand komme. Bis 2010 sollen seiner Vorstellung nach alle Forum-Mitglieder zertifiziert sein. Letztlich gehe es darum, die Unternehmen Schritt für Schritt zu verbessern.
Sensibilisierung ist für Walter Krombach, Geschäftsführer der Willy Scharnow Stiftung, ein wichtiges Stichwort. Die Stiftung will Reiseverkäufern Gelegenheit geben, sich selbst weiter zu bilden und nimmt Nachhaltigkeit verstärkt in diese Programme auf. Krombach ist überzeugt davon, dass sich in der Krise auch das Reiseverhalten ändern wird. „Wir müssen Abschied nehmen vom Wachstumsdenken“, mahnt er. „Es wird nicht immer neue Zuwächse geben.“
Massentourismus ist nicht die Sache von Studienreise-Veranstaltern. Auf die Inhalte kommt es an, glaubt Frano Ilic von Studiosus. Organisierte Begegnungen mit Einheimischen gehören seit 2005 zum Programm des Münchner Studienreise-Spezialisten. Solche freiwilligen Zusammenkünfte könnten von für beide Teile von Nutzen sein. Für die Menschen vor Ort bedeuteten sie mehr Einkommen, für die Touristen mehr Einblick. Allerdings müssten die Begegnungen umsichtig geplant und die Reiseleiter sensibilisiert sein. Dann könnte ein Treffen mit der Übersetzerin von Orhan Pamuk in Istanbul oder ein Tag mit Dörflern in Agrigent das Verständnis für Land und Leute nachhaltig vertiefen.
Vor allem um die Natur geht es der Kooperation „Alpine Pearls“, die eine „umweltpolitische Nische kommunizieren“ will, so Geschäftsführerin Karmen Mentil. Propagiert wird „sanft-mobiler Urlaub“ in 21 Alpenorten in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Slowenien und in der Schweiz. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und touristische Qualität sind die Ziele der alpinen Perlen, die unter anderem auch mit der TUI zusammenarbeiten. Gepäckservice, Elektrofahrräder vor Ort und kostenlose Nutzung des Nahverkehrs sollen den Urlaubern den Abschied vom Auto auf Zeit schmackhaft machen. Wer dann noch umweltfreundlich anreist, komme ohne Stau und Maut ans Ziel – „ein echter Luxus“, wie Mentil wirbt.
In der anschließenden Diskussion gab es dann doch noch viel Schelte für die Bahn, die oft zu teuer und unflexibel sei, so dass immer noch viel zu viele Touristen trotz Staugefahr und Stress die Anreise mit dem Auto wählen. Den Verzicht auf Fliegen wollte niemand propagieren. Vor allem für Reisen in die Ferne sei das – umweltschädliche -Flugzeug unersetzlich. Allerdings waren sich alle Experten einig, dass trotz Klimadiskussion zu wenig Reisende CO²-Kompensationen etwa bei atmosfair leisteten. Noch ist der Emissionshandel freiwillig, aber 2012 soll er auch für den Luftverkehr zur Pflicht werden. Spätestens dann werden Flüge teurer und vielleicht auch weniger.
02Mrz. 2009