Die einen glauben, mit einer tollen Einladung sei es schon getan und mit einer Vielzahl von Meldungen müsse man am Ball bleiben. Die anderen fühlen sich von der Masse an PR-Meldungen und unbegründeten Einladungen überrollt. Die touristische Runde versuchte einen Brückenschlag zwischen Veranstaltern, Destinationen und PR auf der einen Seite sowie Redaktionen und freien Journalisten auf der anderen Seite. „Wie kommt eine Reise/eine Region ins Blatt?“ hieß die Frage und rund 60 Teilnehmer interessierten sich für die Antworten.
Margit Kohl von der Süddeutschen Zeitung machte ganz zu Anfang klar, dass ihre Redaktion sich in einer „sehr privilegierten Situation“ befände: „Wir haben Korrespondenten und Mitarbeiter, die im Ausland leben, sich da auskennen und auch Geschichten liefern, die völlig unabhängig von Sponsoren sind.“ Freie Journalisten ermutigte sie trotzdem, sich an mit Vorschlägen an die Süddeutsche Zeitung heranzuwagen -nicht ohne vorher die eigene Schreibqualität kritisch zu überprüfen. „Es gibt keine schlechten Themen, nur schlecht geschriebene Texte.“ Zwei Hauptkriterien sind für die Reisechefin der Süddeutschen Zeitung bei der Auswahl von Artikeln wesentlich: Die Texte müssen handwerklich einwandfrei sein. „Eine Reportage muss den Kriterien einer Reportage entsprechen.“ Und: Die Texte müssen interessant, aktuell und inspirierend geschrieben sein.
Auch bei Einladungen wählt Margit Kohl kritisch aus. Ersichtlich relevante Themen und aktuelle Termine haben gute Chancen, Einladungs-Potpourris ohne den unique selling point weniger. Unverständlich sind für sie Einladungen ohne jeden Anlass und ohne Thema sowie kurzfristige Einladungen, die der Redaktion keine Zeit lassen, ein Thema zu finden. „Wir bevorzugen die individuelle Recherche“, machte Kohl klar. Da könne der Autor/die Autorin das recherchieren, was interessant sei und müsse die Zeit nicht mit unnötigen Essenseinladungen vergeuden, zumal ihn/sie ein Spesensatz unabhängig mache.
„Letztlich ist es ein Geben und Nehmen“, beschrieb Tanja Kraus, Pressesprecherin bei der TUI-Tochter 1-2-fly, das Verhältnis zwischen Veranstaltern und Journalisten. Die TUI lege Wert darauf, dass ihre Informationen auch bei den richtigen Adressaten ankommen und aktualisiere deshalb ihren Verteiler regelmäßig. „Wir bauen auf langjährige Partnerschaft – auch kritische“, betonte Kraus, ließ aber durchblicken, dass die Kooperationspartner bei den Programmpräsentationen ihre eigenen Erwartungen hätten, was die Berichterstattung angeht. Bei den Themen bemühe man sich, den Journalisten mit exklusiven News entgegenzukommen und frage sich: „Haben wir neue Destinationen, Resorts, Inhalte?“ Um allen Wünschen und zeitlichen Möglichkeiten gerecht zu werden, biete man im Jahreswechsel vom Nahziel bis zur Fernstrecke alles an. Gerne präsentiert würden auch Zielgebiete, die in der Vergangenheit Probleme hatten und die man wieder zurück auf die touristische Landkarte bringen wolle.
Den schwierigen Spagat zwischen den Wünschen der Kunden und den Vorstellungen der Journalisten schilderte Dorothea Hohn von der Agentur C&C, die im alljährlichen Ranking seit Jahren den ersten Platz behauptet. Schon die Kundenwünsche seien äußerst unterschiedlich, hat Hohn erfahren: „Der eine will nur Reichweite, der andere Grundbekanntheit schaffen, der dritte das Image verändern.“ Und manchmal müsse die Agentur dem Kunden klarmachen, was er „wollen kann“. Erst dann entscheide die Agentur, in welchem Medium das Thema ideal zu platzieren sei. Die Mitarbeiter müssten also wissen, „wer was liest“. Für den Kunden sei es dabei nicht unbedingt wesentlich, in einer großen Zeitung mit einer großen Geschichte zu erscheinen. Es komme auch auf den (positiven) Inhalt an. Wichtig nimmt Hohn auch Special Interest Medien und – vermehrt – online. Fernsehen wird für sie weniger wichtig und Hörfunk sei eher selten gefragt. Am einfachsten, so die PR-Frau, sei es, Länder und Regionen zu platzieren. Hotelkunden hätten es da schon schwerer. Aber auch da könne man über Themen ein Medienecho erreichen. „Man muss halt immer den entsprechenden Dreh finden“, beschrieb Hohn die Agenturarbeit, die sich zwischen den vier Säulen Thema, Medium, Journalist und Zeitgeist bewege.
„Wir hängen von den Themen ab, die wir von unseren Partnern bekommen“, grenzte Angelo Brazerol von Schweiz Tourismus, seine Möglichkeiten ein. Der Input werde filtriert und „wir schauen, was wir wo am besten platzieren“. Dass Schweiz Tourismus bei der Kommunikation mit den Medien eine gute Arbeit mache, beweise der 1. Platz im Ranking der Fremdenverkehrsämter, den die Schweiz zum fünften Mal in Folge behaupte. Weil Deutschland für das kleine Alpenland der „absolut wichtigste Reisemarkt“ sei, sei man hier „massiv präsent“ und böte zwischen 15 und 18 Gruppenpressereisen sowie 260 individuelle Recherche-Reisen. Brazerol versucht, Doppeleinladungen von Regionen und Schweiz Tourismus so weit wie möglich zu vermeiden, um nicht den Eindruck einer Einladungsflut zu erwecken: „Wir sind uns bewusst, dass die Schweiz nicht das einzige Reiseziel ist.“ Mehr Qualität statt Quantität gelte auch für die Presse-Events, wo man lieber einen kleinen Kreis anspreche, um möglichst mit allen ins Gespräch zu kommen und die individuellen Bedürfnisse zu erfahren.
„Das Thema lockt“, machte Fabian von Poser sein Grundbedürfnis deutlich. Der freie Journalist und Partner der Südbayerischen Redaktionsgemeinschaft, srt, forderte die Agenturen auf, sich mehr mit den Inhalten einer Reise auseinanderzusetzen statt einzelnen Einladungen und Pressemeldungen hinterher zu telefonieren. Für freie Journalisten sei die Kurzfristigkeit der Einladungen ein „ganz großes Problem“. Und eine längere Reise lohne sich nur dann, „wenn mehrere Themen rauskommen“. Grundsätzlich müsse ein freier Journalist die Mehrfachverwertung anstreben, damit er von seiner Arbeit leben könne. Er selbst versuche, zuerst die großen Zeitungen und Magazine für seine Reportagen zu interessieren. Dabei sei es natürlich wichtig, die Ansprechpartner und ihre Wünsche zu kennen. Bei der Mehrfachverwertung nutze ihm der srt-Verteiler, der viele Kunden erreiche. Allerdings, räumte von Poser ein, schlucke der Service auch einen Teil des Honorars.
Bisher immer ausgezahlt hat sich für Frano Ilic vom Studienreisespezialisten Studiosus die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Journalisten“. „Wir bieten verschiedene Instrumente, um ein Thema zu recherchieren“, sagte der Pressesprecher und nannte Gruppenreisen, individuelle Recherchereisen und die Teilnahme an ganz normalen Studienreisen. Bei der Auswahl der Journalisten sei die Auflage nicht relevant. Eine kleinere Zeitung mit festen Leserstamm, davon ist Ilic überzeugt, könne am Ende mehr bewirken als die große Streuung. Weil die Studiosus-Reisen teilweise sehr „hochpreisig“ seien, könne man jedoch nicht beliebig viel einladen: „Das Budget ist begrenzt.“
Bei der anschließenden Diskussion ging es um Deutschland-Themen, online-Medien, die Meldungsflut und die Nennung der Einladenden in den Medien. Auf die Frage, wie man Deutschland in die Süddeutsche Zeitung bringe, gab Margit Kohl zu bedenken, dass man für diese Themen einen „anderen Fokus“ finden müsse. Schließlich seien die Leser der Süddeutschen in Deutschland zuhause. Als gelungenes Beispiel nannte sie den Beitrag des Reiseteils zum 850. Geburtstag Münchens, in dem ausländische Journalisten mit ihrer Meinung zu München zitiert wurden. Fazit: „Wir versuchen, auch so ein Thema besonders spannend zu machen, so dass selbst die Leute vor Ort noch staunen können.“
Online ist für PR und Veranstalter „eines von vielen Medien“. Während Dorothea Hohn und Tanja Kraus sich durchaus aufgeschlossen zeigten, wollen Angelo Brazerol und Frano Ilic auch weiterhin den Print-Medien den Vorzug geben. Fabian von Poser warnte freie Journalisten vor online-Portalen. Erscheine eine Geschichte im web, sei sie „verbrannt“.
Die Informationsflut würde Hans-Werner Rodrian gerne eingedämmt sehen. „Muss man uns denn mit allem und jedem bombardieren, nur weil es die moderne Elektronik hergibt?“ fragte er und wollte wissen, ob es außer „der Dampfwalze“ nicht andere Möglichkeiten gebe, Journalisten gezielt zu informieren. Die Antwort war eher negativ. Für Dorothea Hohn sind Pressemeldungen wichtig, weil sie „gewisse Grundbedürfnisse abdecken“, sie dienten der Information, fänden sich hin und wieder in Kurzmeldungen und könnten Anlass zur Recherche sein. „Ein Stück Schwemme ist unverzichtbar“, machte Hohn klar und Tanja Kraus assistierte, es fehle an der Zeit, auf die einzelnen Wünsche einzugehen. Als Alternative nannte sie Redaktionsbesuche, bei denen beide Seiten einander kennen lernen könnten.
Immer wieder für Diskussionsstoff sorgt die Frage, was Agenturen, Veranstalter und Destinationen im Gegenzug für ihre Einladungen vom Artikel erwarten. Dorothea Hohn machte deutlich, dass vor allem die Airlines auf die (exklusive) Nennung beharrten. Tanja Kraus erklärte, die TUI bemühe sich bei ihren Reisen um Exklusivität, so dass der Journalist nicht um die Nennung des Veranstalters herumkäme. Außerdem habe der Leser das Recht auf die Produktinformation. Für Frano Ilic ist das kein Thema. „Wir mischen uns nicht ein“, sagte er klipp und klar. Wichtig sei eine spannende Geschichte, von der letztlich auch der Veranstalter profitiere.
Zu guter letzt richtete Dorothea Hohn das Augenmerk auf die Problematik kultureller Missverständnisse. Deutsche Ironie etwa werde nicht überall in der Welt verstanden. Da könne dann die Außenwirkung „fatal“ sein. In diesem Fall sei die PR-Agentur als Mittler gefragt zwischen dem Kunden und dem Journalisten, manchmal auch zwischen den Kulturen. „Im Zweifelsfall sind wir auf der Seite der Journalisten“, beruhigte Hohn die Anwesenden. „Sie bilden die solide Grundlage unserer Arbeit.“