Er ist wohl derzeit der angesagteste Koch in ganz Griechenland. Der gebürtige Pariser Herve Pronzato hat schon in Athen die Griechen das Schmausen auf höchstem Niveau gelehrt und lockt jetzt mit seinen Kochkünsten die Feinschmecker in Scharen auf den zweiten Finger der Halbinsel Chalkidiki, Sithonia. Denn dort, im luxuriösen Danai Beach Resort, befehligt Pronzato eine internationale Kochbrigade.
Mit seinen halblangen dunklen Haaren, dem fein geschnittenen Gesicht
und der randlosen Brille wirkt Pronzato eher wie ein Intellektueller.
Aber der 41-Jährige ist Koch aus Überzeugung und Leidenschaft. Schon
mit 15, als er von der Schule abging, wusste er, dass er das Kochen zum
Beruf machen wollte. Schuld war seine Großmutter, „ihre Marmeladen
machten mich ganz verrückt“. Nach der Ausbildung und Stationen in
Pariser Restaurants folgten Wanderjahre in Schottland und Spanien,
in Bangkok und Athen. In Griechenland ist Pronzato heimisch geworden.
„Hier habe ich mich selbst gefunden,“ sagt er, „hier bin ich
glücklich.“ Nach Frankreich zurückzukehren kann er sich nicht mehr
vorstellen („Zu viele Franzosen“). Zwei goldene Kochmützen hat er dem
Danai im griechischen Gourmet-Führer Athenarama schon erkocht. Aber er
lässt sich nicht stressen wie viele seiner französischen Landsleute,
die den Michelin-Sternen hinterher rennen. Pronzato bleibt er selbst:
„Ich mag die Auszeichnung, aber ich lass’ mich durch sie nicht
verändern“.
Ehrgeizig ist er trotzdem. „Wir versuchen, jedes Jahr besser zu
werden,“ erklärt er entschieden. Das neue Team soll dabei helfen. Die
sechs Spanier und Franzosen haben alle in Zwei- oder
Dreisterne-Restaurants gearbeitet. Ziel ist es, „unsere Gäste glücklich
zu machen“. Manche Gäste kommen von weit her extra wegen seiner Küche.
Das macht ihn stolz und es bestätigt ihn auf seinem Weg. Herve Pronzato
will die griechische Küche Gourmet-kompatibel machen, leichter,
raffinierter. Frische Zutaten sind das A & O und deshalb hat er
seit neuestem ein Gewächshaus, in dem er all die Gemüse und Kräuter
züchtet, die bis heute über lange Wege zu seiner Küche transportiert
werden mussten. Natürlich verwendet er keine Chemie, das will er den
Gästen nicht zumuten.
Dass das Lebensmittel-Gewerbe manchmal verrückt spielt, wenn zum
Beispiel die Gänsestopfleber vom Peloponnes nach Frankreich geflogen
und von dort umetikettiert wieder zurück nach Griechenland, ärgert ihn.
Auch dass das Ägäische Meer fast leer gefischt ist und der Fisch selbst
im Fischerhafen von weither kommt, empfindet er als „katastrophal“.
Dennoch will er nicht weg – höchstens im Urlaub. „Es ist perfekt für
mich hier,“ gesteht er. Kein Wunder, hat er doch inzwischen mit der
Tochter des Hauses ein Baby. Und wenn er Zeit hat, trägt er die kleine
Sophia auf den Armen durch den Garten oder inspiziert mit ihr sein
Gewächshaus.
Doch die meiste Zeit steht er am Herd oder tüftelt an neuen Rezepten.
Dabei nimmt er auch Anleihen bei der Fusionsküche, „solange es keine
Konfusion ist“, oder lässt sich von der molekularen Küche inspirieren.
Er liebt es, seine Gäste zu überraschen mit einem kalten Drink, der im
Zentrum heiß ist, mit verblüffenden Geschmacksvariationen wie Erdbeeren
auf Olivenöleis und anderen trickreichen Häppchen, die es in sich
haben. Was die Küche betrifft, ist der Wahl-Grieche aus Paris durchaus
ein Intellektueller.
29Apr. 2006