Fasten und feiern: Ostern auf der Chalkidiki

Plötzlich Dunkelheit. Schwarz und schwer wie in der Nacht, als Christus am Kreuz starb. Doch Jesus ist auferstanden, und er hat das Licht in die Welt zurückgebracht. Das glauben die Christen und deshalb feiern sie Ostern. Für die orthodoxen Christen ist das Osterfest das höchste Fest des Jahres. Wenn bei uns Ostern vorbei ist, beginnt in Griechenland die Karwoche. Und – anders als bei uns – wird in den meisten griechischen Familien noch richtig gefastet. „Sogar Olivenöl ist verboten“, verrät Despina, die als Mutter von zwei Töchtern die Tradition hoch hält. Und ab Karfreitag gibt’s nur mehr Wasser und Brot. Schon am Karsamstag beginnen allerdings die Vorbereitungen für den Osterschmaus: Lamm am Spieß ist auf der Halbinsel Chalkidiki ein Muss. Und die Margaritsa in der Nacht zum Sonntag, eine Suppe aus Kräutern und Lamm-Innereien, für die jede Familie ihr eigenes Rezept hat."Wenn man die ganze Woche gefastet hat, ist die Margaritsa eine
Delikatesse,“ sagt Pannos, Manager im Danai Beach Resort auf Sithonia,
dem zweiten Finger der Chalkidiki. Doch vor dem Schmausen geht’s in die
Osterliturgie. Alle Kirchen sind in dieser Nacht brechend voll. Ostern
ist ein Familienfest und die Griechen kommen von weit her, um mit der
Familie zu feiern. Stella ist eigens für die drei Ostertage aus New
York angereist. Die bildhübsche Designerin verzichtet auch beim
Kirchgang nicht auf die High Heels der erfolgreichen amerikanischen
Geschäftsfrauen. Aber es stört sie auch nicht, dass ihr Edelfummel mit
Kerzenwachs bekleckert wird. Das gehört einfach dazu. Das Osterlicht
ist den Griechen heilig. Kommt es doch direkt aus dem heiligen Land.
Der Patriarch von Jerusalem entzündet es in der Grabeskirche, im Flug
reist es nach Athen und von da in die hintersten Winkel des Landes. Wie
genau, weiß keiner so recht. Aber alle glauben daran.
Kurz nach Mitternacht flackert das erste Lichtlein in der
nachtschwarzen Kirche und in sekundenschnelle wird es zum Lichtermeer.
Große Kerzen brennen und kleine, kunstvoll verzierte und einfache.
Kinder tragen sie und alte Frauen, gestandene Männer und verliebte
Pärchen, die Gesichter verklärt im Kerzenschein. Eindrucksvoll besiegt
das Licht die Finsternis. Und während die alten Frauen (und manche
alte Männer) noch ausharren bei Gesängen und Gebeten, eilen die jungen
nach Hause, um die Margaritsa zu kochen. Auf den Parkplätzen herrscht
das reine Chaos. Denn die Autos sind kreuz und quer geparkt. Man läuft
nicht gerne in Griechenland, hat Despina erklärt. Schon gar nicht auf
hohen Absätzen wie Stella sie trägt. Die Straßen sind holprig, der
Teerbelag hat Risse und Löcher. Am Ende kommen alle nach Hause und
wenn sie Glück haben, brennt die Kerze mit dem heiligen Licht noch.
Kimon, der junge Generalmanager im Danai Beach Hotel, macht mit dem
Kerzenlicht das Zeichen des Kreuzes über den Hoteleingang. Es soll
Glück bringen fürs nächste Jahr. Und während Despina mit der ganzen
Großfamilie die Suppe der Schwiegermutter auslöffelt („Sie kann besser
kochen als ich, sagt mein Mann.“), genießt Stella im Hotel eine
verfeinerte Variante. Auch einige bulgarische Großfamilien aus Sofia
lassen sich die traditionelle Suppe schmecken. Als orthodoxe Christen
haben sie das Angebot des Danai wahrgenommen, gemeinsam Ostern zu
feiern.

Nicht nur an solchen Festtagen ist man im Danai Beach Resort so etwas
wie eine große Familie. Das Resort hat so gar nichts von der Anonymität
großer Nobelherbergen. Mit 60 Suiten und Villas ist es überschaubar,
die 120 Angestellten kennen jeden einzelnen Gast. Unaufdringlicher
Luxus, wohin man schaut. Es ist Danai Riefenstahl, Kimons Mutter, die
den Stil des Hauses geprägt hat – eine gelungene Mischung zwischen alt
und neu. Als Philosophiestudentin hat die Griechin den Berliner Baron
Otto von Riefenstahl, einen Großneffen der berühmten Leni, kennen und
lieben gelernt. Eine glückliche Verbindung, aus der nicht nur drei
Kinder hervorgingen, sondern auch das Danai Beach Resort. Was früher
ein Familienhotel war, hat sich längst zur angesagten Adresse auf
Sithonia entwickelt, wo die Schönen, Reichen und Mächtigen einander
die Klinke in die Hand geben. Der diskrete Service im Danai ist ihnen
teuer – und die erlesene Küche, für die Herve Pronzato garantiert. Der
gebürtige Pariser hat dem Danai zwei goldene Kochmützen im griechischen
Gourmetführer Athenarama erkocht. Seine Fans pilgern von weit her auf
die Chalkidiki, um Kreationen wie die würzige Erdbeersuppe mit
Olivenöl-Eiscreme und Waffeln zu schmausen und ganz nebenbei den
fantastischen Blick auf den schier endlosen weißen Strand und das
türkis schillernde Meer zu genießen.

Es riecht nach Frühling. Im Garten blühen die Rosmarinsträucher.
Unzählige Schwalben schweben anmutig durch die Anlage und zwitschern
den Gästen zum Frühstück ein Ständchen. Versteckt in den Gängen und
unter den Dächern haben sie sich ihre Nester gebaut. Und wenn die
Sonne höher steigt, dann schwirren sie aus zur Erkundungstour über die
Halbinsel. Auch wenn es schwer fällt, sollten die Menschen im Hotel
es ihnen gleich tun. Denn Sithonia verspricht noch manches kaum
bekannte Juwel. Parthenonas etwa, das lange verlassene Dorf hoch
droben auf dem Berg, das jetzt langsam wieder zum Leben erwacht,
behutsam restauriert von Griechen mit Sinn für Tradition. Von Pauls
Taverne über dem Ort hat man den schönsten Blick auf die Berge im
grünen Pinienpelz und das zwischen blau und türkis oszillierende Meer.
Nicht weit von Parthenonas liegt wie ein gestrandetes U-Boot Porto
Carras am Meer, jene gigantische Hotelanlage, mit der sich der
griechische Reeder Jannis Carras in den 70er Jahren seinen
Lebenstraum erfüllen wollte. 5000 Hektar Land kaufte der reiche Grieche
den Mönchen vom Berg Athos ab, die noch immer viel Land auf Sithonia
besitzen. Einen „Staat im Staat“ wollte er darauf errichten, eine Art
Monte Carlo auf der Chalkidiki. Zwei kühne Hotelkomplexe zeugen heute
von dem ehrgeizigen Projekt. In ihrer Villa, die wie ein Schloss hoch
auf dem Berg thront mit Blick auf die schönsten Buchten der Chalkidiki,
bewirteten Jannis und Lydia Carras die Primadonna Maria Callas und den
exzentrischen Maler Salvatore Dali, den Weltklasse-Tänzer Nurejew und
Griechenlands Ex-Präsident Karamanlis, der am liebsten zum Golfspielen
kam. Vergangen, vergessen, vorbei.
Seit 2000 gehört der gesamte Komplex einem nicht ganz unumstrittenden
griechischen Bautycoon (Konstanin Stegos) – auch der riesige Weinberg
am Melitonas-Berg, auf dem alte griechische Traubensorten wie Asyrtiko,
Malagonzia oder die rote Limnio, die schon Aristoteles erwähnte,
gedeihen. 2003 trafen sich Europas Granden in Porto Carras zum
EU-Gipfel. Doch trotz der Versammlung hochkarätiger Politiker blieb
Stegos’ Wunsch nach Ausbau des Besitzes unerfüllt. Umweltaktivisten und
Bürger von Sithonia machten gegen die Pläne des Bauunternehmers mobil,
die traumhaften Buchten mit Privatvillen zu verstellen. Der Grieche
hat eingelenkt. In den stillen Buchten ist wieder Friede eingekehrt.
Auch in Porto Koufo, dem größten Naturhafen Griechenlands an der
Südspitze Sithonias, geht es friedlich zu. Gerade mal 100 Menschen
leben hier, vor allen Dingen Fischer. Ein paar Tavernen, ein
Supermarkt. Mehr ist hier nicht. Auf den Bänken am Ufer räkeln sich
ein paar Sonnenhungrige Ein falber Hund balgt sich mit drei Katzen vor
einer der Tavernen um Fischreste. Im scheinbar totenstillen Meer
schaukeln Fischerboote. Auch wer die Ohren aufsperrt, hört kein
Meeresrauschen. Die Hügelkette, die den Hafen umschließt, schluckt
jeden Laut: koufo ist das griechische Wort für taub.
In Nea Marmaris ist der Lärm umso größer. Hier haben sich Griechen
niedergelassen, die nach der Befreiung Griechenlands aus dem türkischen
Marmaris fliehen mussten. Durch die Straßen wälzt sich eine unendliche
Schlange an Autos, Mopeds und Bussen. In den Cafes sitzen Griechen
und Touristen, trinken Frappe oder Metaxa und lassen das Leben an sich
vorüberziehen. In den Läden wird Honig aus Sithonia feilgeboten und
das heimische Olivenöl. Die örtliche Kirche ist österlich dekoriert.
In einer kleinen Brise wiegen sich die bunten Fähnchen, auf denen
fromme Sprüche stehen oder die Zeichen für den auferstandenen
Christus. „Christos anesti“, sagt der Pope zur Begrüßung – Christus
ist auferstanden. „Alithos, anesti,“ antwortet Stella – „wahrhaftig,
er ist auferstanden“. Auch in zwölf Jahren New York hat sie nicht
vergessen, dass dieser Gruß bis Pfingsten für alle frommen Griechen
gilt. Ostern ist hier wirklich mehr als das Fest der bunten Eier. Aber
auch das.
Despina hat schon am Gründonnerstag die harten Eier rot gefärbt. So
will es die Tradition. Am Ostersonntag freuen sich vor allem die
Kinder aufs Eierpicken. Der Sieger, der mit seinem Ei die meisten
anderen Eier eingedrückt hat, darf sie auch behalten – und essen.

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