Mit ihrem ersten Roman „Frau Sartoris” hat Elke Schmitter die Kritiker-Herzen im Sturm erobert. Jetzt knüpft sie mit „Veras Tochter” an diesen Roman an und liefert gleichzeitig die faszinierende Studie eines ungelebten Lebens. Für Katharina ist das Leben ein Rätsel bis sie glaubt, in einem Buch die Antwort auf die Frage zu finden, die für sie existentiell ist.Warum ist der geheimnisvolle Mann verschwunden, der das bis dahin leere Dasein von „Veras Tochter” mit Leben erfüllt hat? Der ihr, der Sechzehnjährigen, die andere, die dunkle Seite der Erotik gezeigt hat? Eines Tages kommt er nicht mehr und Katharina bleibt wie betäubt zurück: „Es war ein Loch in einem Gewebe, das es zuvor nicht gab.” In Zukunft wird sie versuchen, dieses Loch zu füllen, sie lässt sich treiben: weg von der Provinz, durchs Studium, in eine befremdliche Berufswelt und eine neue Beziehung, die auch bald wieder auf der Strecke bleibt.
Doch das Gefühl der Leere bleibt, lässt sich nur mit Erinnerungen vertreiben. Erinnerungen an den Mann, der verschwunden ist, und die seltsame Zeit mit ihm, eine Zeit ohne Gemeinsamkeit aber voller Entdeckungen. Alles andere auch das Elternhaus, die Schule bleibt konturlos, ja fremd: „Und doch legte sich Schimmel auf meine Seele, wenn ich zu Hause war, und später kam dann der Haß, den ich nicht erklären konnte.” Es ist die Mutter, die das Leben der Tochter steuert, durch Versagen der Liebe in eine emotionale Öde. Doch alles bleibt vage, auch das Geheimnis der Mutter, die Katastrophe der Ehe.
Und dann plötzlich der Roman, der scheinbar Antworten hat auf alle Fragen. Der Roman, in dem Katharina ihre Mutter wieder findet und sich selbst, „Frau Sartoris”. Hat Vera tatsächlich den Geliebten ihrer Tochter überfahren, wie es im Buch steht? Ist ihr Leben schon Literatur? Wo beginnt die Dichtung und wo endet die Wahrheit? Elke Schmitter hat mit großem Selbstbewußtsein und viel Raffinesse ein verwirrendes Vexierbild entworfen über das Leben, die Liebe und die Unschärfe der Erinnerung.
Am Ende antwortet sie als Autorin auf die Fragen Katharinas: „Ein Roman kann vielleicht wie das Leben sein, aber das Leben ist kein Roman.” Lilo Solcher
Elke Schmitter, Veras Tochter, Berlin Verlag, 175 S., 16 €