Bregenzerwald: Wo der Käse Schule macht

Wenn die Bregenzerwälder den Käse nicht hätten, würde ihnen viel fehlen. Denn die Käsestraße hat ihnen viel Aufmerksamkeit eingebracht. „Von der Heugabel bis zur Besteckgabel“, so Käser Ingo Metzler aus Egg, könne man auf dieser Straße erleben, wie Käse entsteht. Ingo Metzler – Jahrgang 1965, braune Augen, Dreitagebart – war von Anfang an dabei, als sich Hersteller und Vermarkter zur Käsestraße zusammenschlossen. Das war 1998, acht Jahre später hat der umtriebige Vater von vier Söhnen ein neues lukratives Geschäftsfeld entdeckt: Er eröffnete eine Sennschule. Unter seiner fachmännischen Anleitung schaffen es auch absolute Laien wie wir, in vier Stunden fünf Liter Milch in drei kleine Frischkäse zu verwandeln.

Bevor wir unsere Rohmilch – wahlweise Kuh- oder Ziegenmilch – abholen dürfen, müssen wir uns eine weiße Schürze umbinden und ein weißes Häubchen aufsetzen. Schließlich soll alles so hygienisch wie möglich sein. „Wisst ihr, was das wichtigstes Werkzeug des Käsers ist?“ stellt der Lehrmeister sodann mit sonorer Stimme die erste Frage. Beim Blick auf ratlose Gesichter reihum grinst er vergnügt und sagt trocken: „Milchsäurebakterien“. Die übernähmen das Feld und schalteten die möglichen schlechten Bakterien in der Rohmilch aus, schiebt Ingo Metzler die Erklärung hinterdrein. Ohne diese Milchsäurebakterien sei Käsen „wie russisch Roulette, da marschieren dann die schlechten Keime davon und man wird ihnen nicht mehr Herr.“ Wir lernen: jeder Käse hat seine typischen Mikroorganismen. 
Dann wird’s ernst. Wir müssen unsere Milch auf die richtige Temperatur bringen – nicht zu heiß und nicht zu kalt. Also zünden wir brav den Rechaud unter dem großen Topf an, in den wir unsere fünf Liter Milch entleert haben. „Ich erzähl‘ extra net viel, da muss ma jetzt aufpassa, sonst wer’s nix“, sagt der Ingo und schaut streng. Erst wenn das Thermometer im Milchtopf 18 Grad anzeigt, dürfen wir die Milchsäurebakterien zugeben. Und dann heißt es rühren, rühren, rühren – bis die Milch auf 37 Grad erhitzt ist. Das dauert, dabei kann man auch zuhören. Und Ingo Metzler erzählt gerne. Wie er zu seinem sechsten Geburtstag eine trächtige Jungziege bekam, wie er bald drei Ziegen hatte und dann immer mehr. Dass er heute mit seiner Familie 25 Hektar Grünland bewirtschafte mit 16 Milchkühen und 70 Milchziegen. Und dass er inzwischen Kuh- und Ziegenmilch dazukaufe und täglich 1000 Liter Rohmilch zu 20 Sorten Frisch- und Weichkäse verarbeite. Wir lernen: Für 100 Gramm Käse braucht es einen Liter Milch. Der Rest ist Molke.
Und mit diesem wertvollen Rohstoff, der lange Zeit einfach ans liebe Vieh verfüttert wurde, verdient Ingo Metzler inzwischen gutes Geld. Zusammen mit einem Freund, der eine Drogistenlehre absolviert hatte, hat der geschäftstüchtige Bauer lange an Kosmetika aus Molke getüftelt. Schließlich habe schon Hippokrates die Molke als das heilende Wasser der Milch bezeichnet. Da musste sich doch was draus machen lassen. „Viel hammer wegg‘schüttet“, erinnert er sich. Doch die Tüftelei lohnte sich: Inzwischen ist seine hauseigene Molkeproduktpalette auf 40 angewachsen. Daneben werden auch Fremdmarken produziert, auf der Basis von Stutenmilch oder von Oliven. 25 Prozent Umsatz macht der Hof mit Käse, 75 Prozent mit Molke und allem, was sich daraus ergeben hat. Wir lernen: Molke ist nicht nur gesund, sie macht auch schön. 
Der erste Lehrling hat inzwischen die Soll-Temperatur erreicht und darf „einlaben“. „Volle Konzentration“ fordert der Lehrmeister. Wenn aus der Milch Käse werden soll, müsse man jetzt alles richtig machen und gleich zwei Dinge auf einmal: Das flüssige Lab abzählen – zehn Tropfen in die Ziegenmilch, zwei mehr in die Kuhmilch – und weiterrühren. Lab, ein Enzym aus dem Kälbermagen, sorgt dafür, dass die Milch gerinnt. Schon die alten Römer hätten das gewusst, erklärt der Ingo. Wir rühren, rühren, rühren. Allmählich wird die Milch dicker, bekommt eine glänzende Oberfläche. „Schöner wird’s nimmer“, sagt der Meister und rät zum Einsatz der Käse-Harfe im Mini-Format. Das Gerät mit den fein gespannten Drähten zerteilt die eingedickte Milch. Es entsteht Bruch. Der wird vorsichtig mit der Kelle gerührt, bis sich die Molke absetzt. Wir lernen: Je kleiner der Bruch desto härter der Käse. 
Und dann ist es soweit. Wir fischen den Bruch aus dem Kessel und pressen ihn in runde Gefäße. Der Käse nimmt Form an. Und damit es uns nicht langweilig wird, dürfen wir nun kreativ werden. Aus Kräutern und Gewürzen darf sich jeder seine eigene Mischung zusammenbasteln und zwei der kleinen Käselaibe ganz individuell würzen. Der dritte bleibt Natur. „Schmeckt mit Kernöl zu Tomaten oder mit Honig und Beeren“, verrät der Ingo und inspiziert wohlwollend unsere Kreationen. Die drei Käse dürfen wir mit nach Hause nehmen und dazu ein Diplom, das uns „ausgezeichneten Erfolg“ in der 1. Sennschule der Käsestraße bescheinigt. Irgendwie sind wir alle stolz: Wir haben ganz schön was gelernt!
Jetzt im Herbst herrscht auf der Käsestraße Hochkonjunktur. Bis Ende Oktober wird im Bregenzerwald der „KäseHerbst“ gefeiert mit Vieh- und Bauernmärkten und natürlich mit viel Käse.  
Info: Sennschule: Metzler Käse-Molke GmbH, A-6863 Egg, Tel.0043/05512/3044, E-Mail: metzler@molkeprodukte.com,
Käsestraße Bregenzerwald, Zeihenbühl 423, 6951 Lingenau, Tel. 0043/05513/42870-41, E-Mail: info@kaesestrasse.at, http://www.kaesestrasse.at
Auskunft: Vorarlberg Tourismus, Postfach 99, A-6850 Dornbirn, Tel.0043/05572/ 377033-0
E-Mail: info@vorarlberg.travel, http://www.vorarlberg.travel 


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