In einer oder zwei Wochen wird von der Straße noch weniger zu sehen sein als jetzt schon. Wenn die Bayerische Landesausstellung „Bayern Italien“ im Kloster Sankt Mang in Füssen ihre Tore öffnet, werden die Steine der Via Claudia Augusta, auf denen wir wandern, wieder unter Wasser liegen genauso wie das Dorf Forggen oder die antike Villa Rustica bei Schwangau. Verschluckt von den Wassern des Forggensees. Dabei wären die bayerisch-italienischen Verbindungen, die Thema der Landesausstellung sind, ohne die Via Claudia nicht möglich.
Über die uralte Heer- und Handelsstraße, die einstmals die Donau mit dem
Po verband, das römische Augusta Vindelicum mit Altinum an der Adria,
kamen Waren und neue Götter nach Bayern. Zum Glück hat der Stausee nicht
alles verschlungen, was von der Via Claudia übrig war. Wer sich mit
Magnus Peresson, dem Vorsitzenden des historischen Vereins Alt Füssen
auf den Weg macht, findet rund um Füssen so manche Spur. Der 62-jährige
Architekt mit dem dicken Schnauzer und dem wirren grau melierten
Haupthaar kennt hier jeden Baum und erst recht jeden Stein. Seit
Studienzeiten ist er der antiken Straße verfallen, deren Verlauf schon
in den Anfangsjahren des letzten Jahrhunderts untersucht worden war.
„Damals glaubten d‘Leit ja, Via Claudia des sei eine italienische
Schlagersängerin“, erinnert sich Peresson und grinst wie ein Schulbub.
Als Architekt bewundert er die römischen Straßenbauer, die sich eng an
die Topographie gehalten und immer die kürzeste Verbindung gewählt
hätten. Die etwa 600 Kilometer lange Straße, die Markus Agrippa geplant
und Tiberius begonnen hatte, war 46 nach Christus vollendet. Da regierte
Kaiser Claudius in Rom.
Heute sind nur mehr Teilstücke dieser straßenbaulichen Meisterleistung
zu sehen, besser zu erahnen. Oft ist die kaiserliche Straße nicht nur
unter Grasnarben oder Wald verschwunden, sondern auch unter Asphalt oder
eben – wie im Forggensee – unter Wasser. Aber Peresson stapft unbeirrt
über blumenübersäte Hohlwege, durch dichten Tann und hohes Ried. Ganz so
als sähe er den alten Weg vor sich – auch dort wo kein Pfad ist. Nur,
wenn der Forggensee, 1954 aufgestaut, fast leer ist, taucht die
Steinbrücke aus dem Mittelalter auf, über die man dann auch wieder zu
dem Kiesband kommt, das die Via Claudia auf dem Boden des Sees markiert.
Sie führt „schnurstracks“ in Richtung Füssen.
Auf einer Anhöhe mit Blick auf den Säuling steht seit 1986 ein runder
Gedenkstein zur Via Claudia, aufgestellt vom Bezirk Schwaben. „Aber
wissen’s“, sagt der Peresson, „danach hat sich keine Sau mehr dafür
interessiert.“ Das scheint sich zu ändern. Peressons Führungen haben
regen Zulauf. Kein Wunder, der Mann weiß nicht nur über die Via Claudia
Bescheid, sondern auch über den Brandopferplatz auf der Illasberginsel
mit dem roten Bach, den Hexenberg am Säuling oder den Michael Kohlhaas
vom Forggensee, einen Mann, der mit Polizeigewalt aus seinem bereits
unter Wasser stehenden Haus entfernt werden musste. So schlägt der
Straßenforscher die Brücke von der Antike bis zur Gegenwart und tut
damit, was auch die Landesausstellung zum Ziel hat, die sich den
bayerisch-italienischen Verbindungen von der Antike bis zur Moderne
widmet.
Info: Die Bayerische Landesausstellung „Bayern-Italien“ findet vom 21.
Mai bis 10. Oktober gleichzeitig in Füssen (Kloster Sankt Mang) und
Augsburg (Maximilianmuseum, Textil- und Industriemuseum tim) statt. Sie
erzählt von Handel und Wandel, die über die Via Claudia erst möglich
wurden, von Kunst, Kultur und Gastarbeitern und von der deutschen
Sehnsucht nach Bella Italia. Die Kombikarte für Füssen und Augsburg
kostet für Erwachsene 10 Euro. Infos im Internet unter
www.hdbg.de/bayern-italien/
f.o.r.u.m travel & consulting GmbH, Augsburg, Tel. 0821/3198950, mailto: info@forumtravel.com, veranstaltet vom 23. bis 26. September eine Exkursion über die Via Claudia von Augsburg nach Venedig.