Es ist ein heikles Thema, das Nicol Ljubic in seinem Roman „Als wäre es Liebe“ aufgreift: Ein Frauenmörder, Friedrich, für immer weggesperrt im Deutschland unserer Tage, und eine Frau, die sein Wohlbefinden zu ihrem Lebensinhalt macht. Warum?
Das fragt sich nicht nur der Sohn der sich sein Leben lang von seiner Mutter vernachlässigt gefühlt hat. In der Wohnung der Mutter, die für einige Tage verreist ist, um den Tod ihres Schützlings zu verarbeiten, sucht er nach Antworten. Zur gleichen Zeit fährt die Mutter ihren Erinnerungen hinterher, erlebt die wenigen Stunden, die sie mit Friedrich (immer unter den Augen seiner Bewacher) verbracht hat, noch einmal. Sexuelle Nähe war es nicht, die sie suchte. Auch nicht den Kick der „Bestie“. Schon eher das einfältige Kind, das nicht in die Spur des Lebens gefunden hat, den ungeliebten Unglücksraben, der sich nach Zärtlichkeit sehnte und mordete, weil er sie nicht bekommen konnte. Dabei ist sie sich der Grausamkeit dieser Morde voll bewusst.
Wie ähnlich sich ihr Sohn und der Mörder in ihrer Sehnsucht nach Intimität, nicht Sex, sind, ahnt sie nicht. Sie weiß nichts über ihren Sohn, der neben ihr groß geworden ist. Während sie tief in die Seele des Mörders geblickt hat, bleibt ihr Mutterliebe fremd. Sie sieht nicht, dass sie ihr Kind vernachlässigt so wie Friedrichs Eltern ihn vernachlässigt haben. Warum?
In der leeren Wohnung bekommt der Sohn eine Ahnung davon, was seine Mutter zu dem gemacht hat, was sie ist: unfähig zur Liebe und zu jeder Art von enger Beziehung. Erst die Gefängnisgitter, die zwischen ihr und Friedrich standen, haben ihre lange verschütteten Gefühle frei gesetzt. War es Liebe? Oder wurde der Verurteilte nicht eher für sie zum Rettungsanker? Ihr Sohn hat diesen Zwiespalt erkannt, auch sie ist sich bei ihrer Erinnerungsreise über vieles klar geworden. Womöglich können sich Mutter und Sohn nach dem Tod des Mörders näher kommen.
Nicol Ljubic hat sich von einem realen Schicksal zu diesem bestürzenden Roman inspirieren lassen. Den Frauenmörder Friedrich gab es wirklich, vergessen von aller Welt starb er hinter Gefängnismauern. Während er die Realität in die Fiktion überführt, lotet der Autor die Grenzen des Zumutbaren aus. Das Ende lässt er offen und den Lesern ein Quäntchen Hoffnung.
Info: Nicol Ljubic, Als wäre es Liebe, Hoffmann und Campe, 223 S., 19,99 Euro