Und ewig locken die Berge

Die Berge sind für viele Menschen Sehnsuchtsort, für immer mehr aber auch einfach Erholungsgebiet und für einige Sport- und Spielplatz. In Bayern ist die Erholung in der freien Natur ein Grundrecht. Damit ist das Betreten von Wald und Bergweide und das Befahren der Gewässer für alle Menschen erlaubt. Und schon gibt es Kollisionen zum Beispiel mit Kühen auf den Alpen oder mit Pedelecs auf den Bergpfaden, mit Müll auf den Gipfeln und Staus auf den Zufahrtsstraßen.

Der Alpenverein und die Berge

Am Walchensee ist gar von einem drohenden Freizeitkollaps die Rede. Fast sieht es so aus, als würde der Deutsche Alpenverein, der ja vor 150 Jahren mit dem Ziel , die Berge zu erschließen und die Lebenssituation der Bewohner durch Tourismus zu verbessern, gegründet wurde, die Geister, die er rief, nicht mehr los. Die Alpen sind überlastet, ein Zuviel an Bergtouristen belastet nicht nur Flora und Fauna, es nervt auch die Menschen, die in den Alpen leben.

Tourismus als Gratwanderung

Andererseits wäre ohne Tourismus viele Bergdörfer nicht überlebensfähig. Tourismus in den Bergen ist eine Gratwanderung. Auswüchse wie in Nepal, wo am höchsten Berg der Welt die Bergsteiger in tödlicher Höhe vor dem Gipfel ´Schlange stehen und ihren Ehrgeiz oft genug mit dem Leben bezahlen, gibt es in unseren Bergen zwar nicht. Aber auch der Andrang auf der Zugspitze nimmt zuweilen bizarre Formen an. Wo bleibt da noch die Magie der Berge? Wie lässt sich der Ansturm auf die Alpen sinnvoll lenken? Braucht es Verbote oder genügt ein Appell an die Vernunft der Bergfreunde? Wie geht man mit den Social Media um, die mit ihren Posts dazu führen, dass Naturschönheiten zertrampelt werden? Was also tun, um der Natur in den Bergen wieder zu ihrem Recht zu verhelfen? Darüber diskutierte die Touristische Runde in München, die diesmal zu Gast bei ByTM war.

Herausforderung der Zukunft

Vom Overtourismus, wie ihn Venedig oder Dubrovnik beklagen, seien die Alpen noch weit entfernt, meint Martin Katz, Chef der Eigenanreise beim Münchner Veranstalter FTI. Für den Manager ist Overtourism jedoch eine von mehreren Herausforderungen der Zukunft“, die es zu managen gilt. Ein Ahnung davon könne man im Alpenraum zum Beispiel in Ellmau bekommen – bei den täglichen Prozessionen zum „Bergdoktorhaus“. Da habe das Fernsehen Sehnsüchte geweckt, die Serie sei Motivation vieler Menschen, zum Wilden Kaiser zu reisen. Jetzt wäre es wichtig, die Besucher zu sensibilisieren, Rücksicht auf die einheimische Nachbarn des „Hot-Spots“ zu zeigen.

Die Sache mit dem Grünten

Foto: Allgäu GmbH/Klaus Peter Kappest

Bernhard Joachim, Geschäftsführer der Allgäu GmbH, sieht die „Überbelastung vorwiegend auf den Straßen“, weil immer mehr Tagesausflügler in die Berge kämen. Außerdem werde das Bergerlebnis „immer einfacher zu konsumieren“. Die geplante Aufrüstung am Grünten, die im Allgäu zu großen Diskussionen führt, sieht Joachim trotzdem als „verantwortungsvolle Entwicklung“. Man könne keine Käseglocke über die Tourismusregion stülpen. Zwei Jahre lang habe es am Grünten keinen Winterbetrieb gegeben – „das will auch keiner“. Die Investorenfamilie aus Rettenberg sei bereit Geld in die Hand zu nehmen, das Alte abzubauen und Neues aufzubauen. Sie verspreche sanierte Wege und mehr Umweltfreundlichkeit am Berg. Für Joachim eine „Entwicklung mit Augenmaß“. Es könne nicht sein, „dass grundsätzlich nichts mehr geht,“ stellt der Allgäu-Touristiker klar.

Installationen wie in Freizeitparks

Uwe Roth, Geschäftsführer von Cipra Deutschland, sieht trotzdem „Besorgnis erregende Tendenzen“ vor allem durch die Intensivierung des Sommertourismus. Installationen wie Flying Fox, Zipline, Alpine Coaster würde er eher in Freizeitparks verorten als am Berg. Und die geplante Walderlebnisbahn am Grünten, die durch einen Tobel, der auch Vogelschutzgebiet ist, führt, ist für ihn nicht „sehr Natur schonend“. Roth verweist darauf, dass die AllgäuBergwelt bei Immenstadt nicht weit entfernt ist. Da stelle sich die Frage, ob eine ähnliche freizeitparkartige Installation am Grünten überhaupt notwendig sei. Roth sieht hier die Raumordnung gefordert, und verweist auf die Alpenkonvention, die Anhaltspunkte für solche Prozesse bietet.

Appell an die Vernunft

Das große Potenzial des Deutschen Alpenvereins mit seinen 1,3 Millionen Mitgliedern führt Hanspeter Mair ins Feld. Er hofft, dass sich die DAV-Mitglieder „im Gebirge vernünftig verhalten“. In der Grünten-Diskussion ruft Mair dazu auf, miteinander zu reden. Den Grünten als Skigebiet bejahe er, die Walderlebnisbahn lehne er ab. Und was die Zunahme von Pedelecs in den Bergen angeht, strebe der DAV eine gemeinsame Position an. Der „Pedelecer“ dürfe aber nicht der Buhmann sein. Solche E-Bikes
seien kein Sündenfall, wenn sie dem Wanderer Vorrang geben. Allerdings gäbe es auch unter den Bikern Rambos wie im Straßenverkehr. Und dann gäbe es auch solche, die ins Gebirge fahren, „obwohl sie da eigentlich auf Grund ihres fehlenden Könnens nichts verloren haben“ und die dann bergab Probleme bekämen. Da eine vernünftige Regelung herbeizuführen, sei eine große Aufgabe für den Alpenverein aber auch für Tourismusverbände, Verleiher und Produzenten. Der DAV arbeite an einem Mountainbike-Projekt im Oberallgäu und im Landkreis Bad Tölz Wolfratshausen ähnlich dem „Skibergsteigen umweltfreundlich“, wobei in Pilotregionen bestimmte Routen (Shared Trails) ausgewiesen würden, „damit es dort, wo es ruhig ist, auch ruhig bleibt“.

Waschlappen statt WLAN

Bernd Zehetleitner von der Bergschule Oberallgäu, der auch Einsatzleiter bei der Bergwacht ist, hat „eine klare Message“: „Die Leute sollten den Unterschied zwischen Waldspaziergang und Bergsteigen erkennen.“ Vor allem der Klettersteig-Boom, befördert durch Klettersteigsets aus dem Supermarkt und Infos aus dem Internet, besorgt den Bergwachtler, weil sich viele einfach überschätzten und in Gefahr brächten.

Die Menschen müssten wieder lernen, wie man sich in den Bergen verhält, wünscht er sich. Als Beispiel nennt er die Hütten, wo regelmäßig nach WLAN gefragt würde und wo sich oft lange Schlangen an der Dusche bildeten. Die Konsequenz sei, dass die Kemptener Hütte nach dem Umbau keine Duschen mehr haben werde. „Dann müssen wir den Leuten erklären, was ein Waschlappen ist,“ lacht der Bergschul-Chef.

Abschreckende Entwicklung am Schrecksee

Zum Thema Instagram, das für Naturschönheiten wie etwas dem Pragser Wildsee in Südtirol (Bild) immer mehr zur Bedrohung wird, führt Bernhard Joachim den Schrecksee im Allgäu an, der inzwischen als Party-Location bekannt sei. Hier werde wild gezeltet und gefeiert, ärgert sich der Touristiker. „Wenn der Appell an die Vernunft nicht ausreicht, muss man‘s verbieten und das Verbot auch kontrollieren. Aber wer macht das?“ Da fühle man sich zunehmend machtlos. „Die Leute machen, was sie wollen und stellen das auch noch per Foto zur Schau.“

Aufklärung statt Verbotstafeln

Ob die Alpen wirklich für alle da sind? In der Diskussion war viel von Lenkung und Kanalisierung der Touristenströme die Rede, von Aufklärung und gar von Eintrittsgeld für besonders schöne Gegenden. Uwe Roth plädiert dafür, vor Groß-Investitionen neben dem Alpenplan auch regionaltouristische Konzepte zu Rate zu ziehen. Sinn- und ziellos seien zwei Ischgls nebeneinander. Martin Katz regt an, die Social-Media-Kanäle zur Aufklärung und Sensibilisierung zu nutzen. Durch entsprechende Inszenierung über diese Kommunikationskanäle könne man mehr erreichen als über Verbotsschilder in der Landschaft, ist er überzeugt. Eine Teilnehmerin könnte sich vorstellen, „Verhaltensregeln für die Berge“ in Hotelzimmern oder auf dem Herbergstisch zu platzieren. Reguliert werden könnten die Besucherströme auch durch eine Entzerrung der
Ausflugszeiten und funktionierende Reservierungssysteme auf den Hütten und in den Hotels.

Genügsamkeit und Glücksgefühle

Schließlich wirft Hanspeter Mair den Begriff „Genügsamkeit“ in die Diskussion. Schon jetzt seien die Skigebiete winterliche Gewerbegebiete und im Sommer Spielwiese für Mountainbiker. Die Bergsteigerdörfer böten da einen anderen Ansatz: Mit dem auskommen was man hat. Das bedeute keine Käseglocke, sondern eine bewahrende Entwicklung. Und die sei nötig, damit sich beim Bergsteigen auch in Zukunft Glücksgefühle einstellen.  Dass die beim gedankenlosen Konsum der Berglandschaft eher ausbleiben, darüber waren sich die Diskutanten einig.

Weiterführende Infos im Netz:
www.fti.de/reiseangebote/eigenanreise.html
www.allgaeu.de
www.alpenverein.de
www.cipra.org/de/themen/alpenpolitik/alpenkonvention
www.alpinschule.de

Foto: Allgäu GmbH/Klaus Peter Kappest

Zum Thema Grünten:
https://www.zukunft-gruenten.de/
https://kempten.bund-naturschutz.de/projekte-brennpunkte/gruenten.html
Thema Hütten
https://www.allgaeueralpen.com/2019/09/wie-bereite-ich-mich-auf-eine-mehrtaegige-huettentour-in-den-allgaeuer-alpen-vor/

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