Einen „gothic thriller“ nennt der Verlag Marcus Sedgwicks Roman „Weisse Krähe“. Tatsächlich knüpft der Autor mit seiner Geschichte um ein einsames Mädchen und ein gespenstisches Dorf an die Tradition der britischen Schauerromane an.
Erzählt wird die Geschichte auf zwei Zeitebenen und aus drei Perspektiven: Da ist einmal der Pfarrer des Ortes, der vor über 200 Jahren Tagebuch geführt hat über Ereignisse, die lange über seine Zeit hinaus wirken sollten. Da ist Ferelith, das merkwürdige Mädchen, das der einsamen Rebecca ihre Freundschaft anbietet und sie dazu bringt, Dinge zu tun, die ihr eigentlich widerstreben. Ferelith – durchscheinend, superklug und rätselhaft – schreibt über ihre Gedanken und Pläne, die manchmal etwas Beängstigendes an sich haben. Und schließlich die 17-jährige Rebecca, die mit ihrem Vater an diesen einsamen Ort am Ende der Welt gekommen ist, weil ihm, dem ermittelnden Kommissar, der Tod eines Mädchens zur Last gelegt wird. Ein Vorwurf, der ihn auch seiner Tochter entfremdet und dem er sich irgendwann stellen muss.
Rebecca kommt nicht selbst zu Wort, über ihre Gefühle und Ängste schreibt ein allwissender Erzähler. Von Anfang an baut Sedgwick Spannung auf, die sich aus Fereliths ungeklärter Rolle, den Notizen des Pfarrers und den Ansichten eines sterbenden Dorfes speist. Ganz allmählich fügen sich so die unterschiedlichen Stränge zu einem gruseligen Ganzen. Es geht um das, was die Menschen von Anbeginn an bewegt: Um Leben und Tod, Himmel und Hölle, um den Sinn des Daseins und die Frage nach der Endgültigkeit des Todes. Und die weisse Krähe? Die könnte beweisen, dass es doch ein Jenseits gibt, auch wenn wir es nicht glauben. Für Rebecca jedenfalls wird Ferelith zur Weissen Krähe.
Info: Marcus Sedgwick: Weisse Krähe, dtv premium, 279 S., 12,90 Euro