Dass Tourismus viele Schattenseiten hat, bezweifelt kaum mehr jemand. Massentourismus und Naturzerstörung gehen allzu oft Hand in Hand. Doch Tourismus kann auch anders, indem er dafür sorgt, dass die Menschen vor Ort teilhaben an den Profiten, dass sie ihre Würde bewahren und weiterhin selbstbestimmt nach ihren Traditionen leben können. Dafür setzt sich der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung mit dem TO DO Award für sozialverantwortliche Projekte im Tourismus und mit dem To Do Award für Human Rights in Tourism ein. Beide Preise werden auf der ITB verliehen.
Für ein friedliches Miteinander
Den TO DO Award für sozialverantwortlichen Tourismus erhält im 30. Jahr seines Bestehens das gemeinnützige Projekt „Get Up And Go Columbia“ (www.getupandgocolombia.org). Zwei Absolventen der Universidad de Cauca in Popayán im Südwesten Kolumbiens haben das touristische Projekt 2016 mit der Vision gegründet, ehemaligen Konfliktopfern, benachteiligten Jugendlichen und indigenen Menschen neue Chancen zu eröffnen. Bei Stadtführungen, Radtouren und interaktiven Kursen sollten sie Gästen die Kultur Popayáns näherbringen. Schon im ersten Jahr nutzten solche lokalen Guides die Möglichkeit, um ihre Erfahrungen zu teilen und eine Brücke zwischen Reisenden und Einheimischen zu schlagen.
„Get Up And GO Columbia“ versteht sich aber auch als „Tourismus -Aktionslabor“, das in Gebieten, die zuvor vom bewaffneten Konflikt betroffen waren, neue touristische Angebote entwickelt und damit neue Perspektiven für ein friedliches Miteinander.
2021 gelang ein erfolgreicher Neustart nach Corona. Allerdings ist das Projekt derzeit mit neuen Herausforderungen durch die unsichere politische Lage konfrontiert. Ein wichtiger Baustein ist seit 2021 das Café Tiuspa im Stadtzentrum, in dem Gäste und Einheimische zusammenkommen, um über soziale und politische Themen zu diskutieren, Kurse zu besuchen und gemeinsam bei Musik und Tanz zu feiern.
Die Jury würdigt vor allem den ganzheitlichen Ansatz der Initiative. „Get Up And GO Columbia“ habe maßgeblich dazu beigetragen, dass Tourismus in Popayán als Chance für gesellschaftlichen Wandel begriffen wird – u.a. durch Bildungsangebote aber auch Müllsammelaktionen bei Wandertouren. „Get Up And GO Columbia“, so Claudia Mittereder, die Geschäftsführerin des Studienkreises, „verbindet auf bemerkenswerte Weise die Förderung des Friedens mit nachhaltigem Tourismus und setzt damit ein wegweisendes Zeichen – nicht nur für Kolumbien.“
Für eine offene Reisekultur
Den „TO DO Award Human Rights in Tourism“ erhält die indische Unternehmerin und Gründerin Neha Arora. Mit ihrem 2016 gegründeten Unternehmen Planet Abled (https://planetabled.com) hat sie ein innovatives Modell für inklusives Reisen geschaffen. „Ihr unermüdliches Engagement für Inklusion, Chancengleichheit und Menschenwürde setzt Maßstäbe für die Branche,“ urteilt die Jury, und: „Mit ihrem Einsatz für eine gerechtere Welt, in der niemand ausgeschlossen wird, leistet sie einen wertvollen Beitrag zu einer Gesellschaft, in der eine offene Reisekultur selbstverständlich ist.“
Planet Abled versteht sich als Wegbereiter für einen Tourismus, der allen Menschen offensteht. Neha Arora ist selbst mit einem blinden Vater aufgewachsen und einer Mutter, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist. So hat sie schon früh erfahren, welchen Herausforderungen Menschen mit Behinderungen beim Reisen begegnen. Ihr Ziel ist eine Welt, in der alle Menschen ohne Einschränkungen reisen können.
Ihr Unternehmen Planet Abled arbeitet eng mit Reiseanbietern und Destinationen zusammen, um bestehende Angebote durch gezielte Beratung inklusiver zu gestalten. Gleichzeitig bietet es praxisnahe Formate wie das „Travel Buddy“-Programm, bei dem Menschen ohne Behinderung Reisende mit Behinderung begleiten können. So werden der interkulturelle Austausch gefördert, das Verständnis für andere Bedürfnisse geweckt und Berührungsängste abgebaut.
Neha Arora teilt ihre Vision einer Welt, in der Reisen für alle ein Grundrecht sein sollte, auch als Rednerin auf internationalen Konferenzen. Die Unternehmerin, so Claudia Mitteneder, zeige „eindrucksvoll, dass echter Fortschritt im Tourismus nur durch Inklusion und respektvollen Dialog erreicht werden kann.“