Südsteiermark: Im Gallien Österreichs

Kuhglocken bimmeln, Zikaden fiedeln, Vögel tirilieren. Sonst: Nichts. Ruhe über den steirischen Hügeln, die so grün sind wie man sich das grüne Herz Österreichs immer ausmalt. Am Waldrand steht ein Reh, ein Kuckuck ruft. Auf der Bank vor einem sonnengelben Haus im Blumenschmuck sitzen zwei ältere Männer und reden – über Gott und die Welt im Allgemeinen und über das Leben im Besonderen. Zwei Katzen sonnen sich unbeeindruckt vor dem Stadel, der  von einem gigantischen Blauregen fast ganz verschlungen wird. Eine dritte Katze putzt sich und schaut neugierig.
Zwölf Katzen habe er, sagt der Bauer, der von der Schweinemast umgesattelt hat auf Obstanbau: Quitten und Holunder. „Die Kinder sind aus dem Haus, die Katzen sind geblieben. Vier Lehrer habe er großgezogen, erzählt er, und dass die Frau halbtags als Krankenschwester arbeite. Sonst würden sie wohl nicht über die Runden kommen. Auch die Kinder seien immer noch sehr verwurzelt mit dem Hof. Da mache er sich keine Sorgen um die Zukunft.
Von Landflucht ist hier in der Südsteiermark kaum etwas zu spüren. Die Städte sind klein und überschaubar, die Dörfer noch kleiner, und immer steht die Kirche mittendrin. Von Klein-Klein kommt man nach Groß-Klein oder auch nach Klein-Lieschen. Und wer dann immer noch weiter fährt hinauf auf die Hügel, landet irgendwann in Slowenien. Superlative gibt’s auch: Der größte Klapotetz der Welt, eine Art klappernder Vogelschreck, steht vor einem Einkaufszentrum in Schlossberg bei Leutschach. Die weltgrößte Weintraube mit Blättern aus Edelstahl und Trauben aus geschmolzenem Glas krönt den 483 Meter hohen Eory-Kogel.
Es ist eine eigene Welt hier im steirischen Grenzgebiet, wo der Wein auf steilen Hängen gedeiht und wo man von einem Buschenschank in den anderen wandern kann. Die Südsteirische Weinstraße verläuft hier und – noch romantischer – die Sausaler Weinstraße. Auf den Kuppen der Hügel stehen stolze Gehöfte, oft mit einem Bildstock oder einer Kapelle. Weit schweift der Blick übers grüne Land. Alles ist fast besenrein sauber, selbst die schattige Altenbachklamm ist ordentlich mit Stegen und Brücken möbliert. Die Häuser sind frisch herausgeputzt, die manchmal allzu grellen Farben mindert der allgegenwärtige Blumenschmuck.
Fährt man quer durchs Land fühlt man sich in eine Bilderbuch-Welt versetzt. Die hat wohl auch Tennisstar Thomas Muster angelockt, der am Hochkittenberg nahe seinem Geburtsort Leibnitz ein Anwesen mit Weinberg erworben hat – samt Hubschrauberlandeplatz. Allerdings soll inzwischen Red-Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz die Hand auf dem repräsentativen Muster-Weingut haben. Ein Millionen-Deal. Denn der Grund des Tenniscracks summierte sich nach einem Zukauf aus dem Besitz des Bistums Seckau auf 60 Hektar. Davon können kleine Weinbauern, die im Schnitt fünf bis sechs Hektar Rebfläche bewirtschaften, nur träumen Doch nicht jeder ist zum Winzer geboren.
Das Terroir der Südsteiermark aber scheint nicht nur süffige Weine hervorzubringen, sondern auch eine spezielle Sorte Mensch, die hartnäckig ihren eigenen Weg verfolgt. Wie Dietmar Silly. „Man darf nicht kopierbar sein“, sagt der Gründer von PuresLeben, einem Ferienhauskonzept der anderen Art. Eine „eigene Welt“ will der 42-Jährige mit seinen Häusern schaffen, „eine Destination in der Destination“. PuresLeben, so der jungenhaft wirkende Vater eines 19-jährigen Sohnes und einer 15-jährigen Tochter, stehe für schöne Wohn-Kulinarik und dann erst für die Südsteiermark. Zehn Häuser hat der umtriebige Steirer seiner Heimat inzwischen hingestellt oder restauriert. Und immer redet der gelernte Weinbauer und Kellermeister mit, wenn es um die Bausubstanz geht, die „Seele des Hauses“. Da soll kein Fremdkörper stören. In allen Häusern – ob  Nest für zwei oder repräsentative Villa mit Sauna und Pool – dominieren Massivholz und Glas. Die Einrichtung ist schlicht und schön, spektakulär aber ist immer der Blick nach draußen in die steirische Landschaft. Da macht Dietmar Silly keine Kompromisse. Jüngstes Projekt ist ein Austragshäuschen in Tunauberg, das der Bauherr wieder so herstellen will wie es war, als die Altbauern hier noch wohnten. Dann soll es zunächst als „Kuchl“ für die Häuser am Tunauberg dienen und später vielleicht einmal mit einem Holz-Glas-Anbau als Luxus-Domizil. Und dann gibt es da noch das „Steinhaus“ in Plac, kurz hinter der slowenischen Grenze, ein Idyll mit Weitblick, wo Sillys Bruder Gerald am Herd steht – allerdings nur an den Wochenenden. Eine „inszenierte Verführung“ nennt Dietmar Silly das Steinhaus, „etwas, was mir selber taugt“.
Das ist wohl auch das Geheimnis seiner Häuser, die im Gästebuch in den Himmel gelobt werden. Tatsächlich fühlt sich der Gast sogleich zuhause, wenn er die Türe aufgesperrt hat. Auf dem Tisch wartet eine deftige Brotzeit, im Keller stehen die Wein- und Saftflaschen Spalier, der Kühlschrank ist fürs Frühstück reich bestückt. Wer will, braucht sich nicht fortzubewegen aus dem Häuschen. Marianne, die gute Fee, kocht ein regionales Spezialitätenmenü für den Abend, das man nur aufzuwärmen braucht. Auch wenn das Schönste im Haus der Blick in die Landschaft ist, muss niemand auf zeitgemäßen Komfort verzichten: WLan, Flachbildfernseher, DVD- und CD-Player – alles da. Der Kaffee kommt aus der Nespresso-Maschine. Und wenn man bei all der Technik mal nicht weiter weiß oder die Safe-Kombination vergessen hat, genügt ein Anruf, und die Hilfe lässt nicht lang auf sich warten.
Eigentlich könnte Dietmar Silly jetzt die Hände in den Schoß legen. Die Häuser sind beliebt und gut gebucht. Aber das kann der Mann wohl nicht. Es genügt ihm auch nicht, dass er gerade zwei Häuser um- und anbaut. Nein, Silly schmiedet schon wieder neue Pläne – für eine eigenen Garten und eine eigene Viehzucht, wo das produziert wird, was den Gästen aufgetischt wird. Der Profit ist ihm dabei Nebensache, sagt er und grinst spitzbübisch. Denn „von Luft und Liebe kann keiner leben“.  Aber er sei halt mit wenigem zufrieden „und so dreht sich das Radl“.
Es sind schon eigensinnige Leut‘, die hier in leben. Ein bisschen sei die Südsteiermark so wie das Gallien von Asterix und Obelix, meint Dietmar Silly, „widerspenstig“. Widerspenstig ist auch die Wirtin Gingi Peez-Petz im Gasthof „Zur Hube“ in Pisdorf/Kleinstetten. 76 ist sie und kein bisschen müde, aber ihr Restaurant sperrt sie nur Freitag und Samstag auf. Mit einer neun Quadratmeter großen Küche hat sie vor zwölf Jahren angefangen „in der Alterspension“. Innerhalb einer Woche hatte sie die Konzession, ein Jahr später zwei Hauben. Der Weg von der Kunststudentin in Wien zur Haubenköchin in Pisdorf war krumm, er führte über ein Einrichtungshaus, eine Boutique, einen Webladen und ein Lebensmittelgeschäft in Graz bis in die Südsteiermark. Ihr Restaurant hat die grauhaarige Gingi, die so gar nichts von einer alten Dame an sich hat, liebevoll eingerichtet und dekoriert. Wenn sie geöffnet hat, rennen ihr die Leute die Bude ein – sie kommen auch von Sillys Häusern im nahegelegenen Kitzeck. „Das ist das Himmelreich“ schwärmt Dietmar Silly und prostet der Wirtin zu.
Der Schilcher-Sekt schimmert rotgolden im Glas, die Rosen im Garten duften. Wie schade, dass heute kein  Freitag ist…

Info:
Anreisen. Von Graz kommend ist die Südsteiermark mit dem Auto auf der A9 in Richtung Slowenien erreichbar.
Wohnen. PURESLeben, Neudorf an der Mur 105, A-8424 Gabersdorf, Tel. 0043/664-2155044, E-Mail: info@puresleben.at, www.puresleben.at
Die Preise für eine Übernachtung pro Person beginnen bei 145 Euro (in einem Haus ohne Pool und Sauna), bei 195 Euro in einem der Premiumhäuser und beinhalten einen Frühstückskorb bei der Anreise, der auch kostenlos nachgefüllt wird sowie täglichen Gebäckservice, Brennholz für den Holzofen, WLAN, Strom, Endreinigung und die Fremdenverkehrsabgabe.
Essen. Restaurant zur Hube, Sausal 51, A-8443 Pistorf/Gleinstätten, Tel.0043/3457/3271, Handy 0043/664/2211242, E-Mail: restaurant@zurhube.at, http://www.zurhube.at
Hube-Menü 44 Euro.
Informieren. Steirische Tourismus GmbH,  St.-Peter-Hauptstrasse 243, A-8042 Graz,
Tel. 0043/316/4003-0, http://www.steiermark.com/, Südsteiermark Tourismus im Naturpark, A-8430 Leibnitz, Grottenhof 1, Tel. 0043/664/7907200, E-Mail: office@suedsteiermark.com, www.suedsteiermark.com

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert