Nachhaltigkeit in der Nebenrolle

Die Deutschen reden zwar viel über Nachhaltigkeit – auch im Urlaub. Aber bei der Reisebuchung spielt das Thema seit Jahren eine eher untergeordnete Rolle. Seit 2021 hat sich die Nachfrage kaum geändert. Das ergibt sich aus dem Nachfragemonitor Nachhaltigkeit auf Basis von Daten der Reiseanalyse 2024: „Eine grundlegende Veränderung des Urlaubsreiseverhaltens in weiten Teilen der Bevölkerung hin zu nachhaltigeren Urlaubsreisen nach der Pandemie ist … nicht zu vermuten“, heißt es da mit Verweis auf Corona-Nachholbedarf und die Anteile der Flugreisen, die wieder auf einem ähnlichen Stand wie 2019 liegen. „Unter ökologischen Gesichtspunkten ist diese Entwicklung negativ zu bewerten“, warnen die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), die hinter der Reiseanalyse steht.

Ein Aspekt unter vielen

Bei Urlaubsreisen ab fünf Tagen war die Nachhaltigkeit im Jahr 2023 laut der Studie bei gerade mal drei Prozent der Reisen ausschlaggebend, bei weiteren 17 Prozent war sie ein Aspekt unter mehreren. Besser sieht es bei den Kurzreisen aus, wo Nachhaltigkeit mit 14 Prozent ausschlaggebend und mit 29 Prozent ein relevanter Aspekt war.

Hoher Stellenwert

Der Anteil der Bevölkerung mit einer positiven Einstellung zur Nachhaltigkeit (ökologisch oder sozial) bei Urlaubsreisen lag zu Jahresbeginn 2022 mit 68 Prozent auf einem Höchstwert. Bis Januar 2023 ging er auf 61 Prozent zurück, kletterte allerdings im Januar 2024 wieder auf 67 Prozent. Dieser Wert verdeutliche, dass Nachhaltigkeit bei Urlaubsreisen für einen großen Teil der Bevölkerung wichtig sei und in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert habe, urteilen die Forschenden. Besonders bemerkenswert sei die starke Zunahme bei jungen Menschen, deren Anteil von 53 auf 68 Prozent angestiegen ist.

Weniger Kompensation

Doch zwischen Meinen und Tun klafft eine deutliche Lücke. Denn Nachhaltigkeit bleibt bei der Nachfrage ein Aspekt unter vielen. Das zeigt sich laut dem Nachhaltigkeitsmonitor auch beim Thema CO2-Kompensation. Nur bei fünf Prozent der längeren Reisen wurde 2022 und 2023 kompensiert – ein Rückgang um vier Prozent im Vergleich zu 2021. Auch Angebote mit Umweltzertifizierung wurden in dem Zeitraum mit elf Prozent weniger gebucht (vorher 13 Prozent).

Männersache?

Bei den Kurzurlaubsreisen bewegten sich sowohl CO2-Kompensation (16 Prozent) als auch Buchung von zertifizierten Angeboten (22 Prozent) in etwa auf dem gleichen Niveau wie in den Vorjahren. Im Vergleich zur ersten Messung im Jahr 2018/19 liegen die Anteile der CO2-Kompensationen und der Reisen mit Umweltzeichen bei allen Reisesegmenten immerhin „deutlich höher“. Männer geben übrigens häufiger an, bei einer ihrer Kurzreisen ein Angebot mit Umweltzeichen gebucht zu haben (24 Prozent) als Frauen (18 Prozent). Zudem ist die Nutzung von Umweltzeichen bei jüngeren Menschen deutlich höher als bei älteren.

Mehr soziale Nachhaltigkeit

„Signifikante Veränderungen“ hin zu einem nachhaltigeren Reiseverhalten konnten die Autoren allerdings nicht feststellen. Zwar bleibe der Wunsch nach nachhaltigem Reisen bei vielen Deutschen trotz aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen bestehen, wobei soziale Nachhaltigkeit mehr Zustimmung erfahre als ökologische. Trotzdem entschieden sich die meisten Reisenden für ein schönes Urlaubserlebnis, und nicht vorrangig für Nachhaltigkeit.

Auch für den schmalen Geldbeutel

Fest stehe: Je geringer die Rolle von Nachhaltigkeit, desto höher der Anteil teurer Flug- und Hotelreisen und desto geringer der Anteil von eher günstigen Inlandsreisen. Ein klarer Einfluss von Nachhaltigkeitsmerkmalen auf die Preisbewertung lasse sich aber nicht fest stellen: Nachhaltiges Reisen sei sowohl „für den schmalen wie für den prallen Geldbeutel“ möglich. Es komme auf die Prioritäten an. Für die meisten Reisenden würden jedoch Preis und Nachhaltigkeit nur zwei von vielen Aspekten sein, zwischen denen abgewogen wird.

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert