Es ist warm in diesem Februar, ungewöhnlich warm. So warm, dass manche Wintersportorte grün statt weiß sind. Der Klimawandel lässt grüßen, und die Touristische Runde stellt deshalb die Frage „Wie nachhaltig kann Winter sein?“
Erfahrungen am Wilden Kaiser
Wir sind zu Gast bei Crystal Communications, und Gastgeber Lukas Krösslhuber vom Tourismusverband Wilder Kaiser hält Nachhaltigkeit für „enorm wichtig“. Dabei sei nachhaltiger Tourismus für den Tourismusverband „nie Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck“. Will heißen, Einkommen sichern ohne die Natur zu schädigen. Dabei sind seiner Ansicht nach auch die Konsumenten gefragt, die für sich die Frage nach ihrem CO²-Fußabdruck in allen Konsumbereichen beantworten müssten. Ein möglichst nachhaltiger Urlaub sei wichtig für die Natur und die Menschen vor Ort – und fürs gute Gewissen. Allerdings klafften Wahrnehmung und Realität oft weit auseinander. Da täte Aufklärung Not.
Grüner Strom und Bahnhofs-Shuttle
In Tirol, so Krösslhuber mangele es nicht an Nachhaltigkeits-Bemühungen. So sei der Strom der Bergbahnen grün, weil er aus der Wasserkraft komme. „Schon aus Eigennutz“ hätten die österreichischen Bergbahnen außerdem den Energieverbrauche in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent verringert – trotz oder gerade wegen modernerer Aufstiegshilfen. Und auch in der Vor-Ort-Mobilität sei man voran gekommen etwa mit Winterbussen, die auch am Abend und zwischen den Orten verkehren. Bei der „grünen Anreise“ werde die letzte Meile finanziert. Immerhin, so betonte der TVB-Geschäftsführer, war der Wilde Kaiser die erste Region, die vor über zehn Jahren schon einen Bahnhofs-Shuttle eingeführt hat.
Die Magie der Winterlandschaft
Was Nachhaltigkeit angeht, schließt sich Prof. Dr. Alfred Bauer vom Bayerischen Zentrum für Tourismus den Ausführungen von Lukas Krösslhuber an, er weist aber auch darauf hin, dass der Wintersport „ein sehr emotionaler Bereich“ ist. Eine aktuelle Studie des BZT zusammen mit der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) zum Winterurlaub unter 3000 Menschen zwischen 18 und 74 Jahren habe ergeben, dass vor allem die Jüngeren Urlaub im Schnee wollten, und die Älteren eher wärmere Regionen bevorzugten. Wintersporturlaub, das sei frische Luft, winterliche Berglandschaft. 30 Prozent derjenigen, die im Winter verreisen wollen, suchten die „Magie der Winterlandschaft“. Da spiele Schnee eine wichtige Rolle – nicht nur beim Skifahren. Aber Skifahren ohne Schnee sei einfach nicht möglich im Gegensatz zum Winterwandern.
Fehlende Bahn-Infrastruktur
Kann also Wintersport nachhaltig sein, fragte der Professor, und gab gleich auch die Antwort: „Ja, wenn wir zu Hause bleiben.“ Doch dann stellt sich die Frage nach der Ökonomie, dem Sozialen – beides ebenfalls Säulen der Nachhaltigkeit. Und das größte Problem bleibe die Mobilität. Solange die Bahn ihre Infrastruktur nicht im Griff habe, könne man niemandem raten, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Mehr Bahn statt Autobahn
Auch für Thomas Frey vom Bund Naturschutz ist die Mobilität ein „Mega-Nachhaltigkeitsthema“. Seine Idee wäre es, „die Milliarden-Investitionen in Autobahn- und Schnellstraßen-Ausbau“ auf die Bahn-Infrastruktur umzulenken. Nur so könnte die Bahn annähernd konkurrenzfähig werden. Allerdings zeigten auch die Bürgermeister in den Wintersportorten „weitgehend wenig Verständnis dafür, wie wichtig ein guter ÖPNV ist“. Da seien denn auch die Tourismusverbände gefragt.
Auslaufmodell Skisport
Skifahren ist für Frey aber eher „ein Auslaufmodell“ und schon gar kein Breitensport mehr. Investitionen in den Wintersport seien deshalb fehl am Platz. Die beschneiten weißen Bänder in einer grünen Landschaft seien auch wenig einladend. Doch der Naturschützer sieht den Winterurlaub trotzdem als Zukunftsmodell. „Wir profitieren von der Klimakrise“. Die Sehnsucht nach einer weiß überzuckerten Winterlandschaft könne auch bei wärmeren Temperaturen gestillt werden, und Bergbahnen könnten auch Winterwanderer in höhere Regionen befördern.
Veränderung fängt in den Köpfen an
Auch Bernhard Joachim von der Allgäu GmbH sieht die Mobilität als Kernthema: „Tourismus ist Ortsveränderung und hat damit einen CO²-Fußabdruck“. Daran habe sich seit 20 Jahren kaum etwas verändert. „Es fängt in den Köpfen an“, ist Joachim überzeugt. Für die Deutschen seit das Auto immer 1. Wahl. Dabei gebe es im Allgäu durchaus Möglichkeiten für den Umstieg – etwa mit dem Gästeticket Oberallgäu, finanziert von den Gemeinden oder Gästekarten wie der KönigsCard im Ostallgäu. Doch solange die Zuverlässigkeit der Bahn zu wünschen übrig lasse, habe sie keine Chance. Auch wenn die einzelnen Ort mit Vorteilen für Bahnreisende lockten. In Oberstdorf etwa böten einige Hotels Preisnachlässe für Bahnanreisende an.
Der Sommer im Winter
Vor Ort sei man gut unterwegs. Zum Beispiel werde die Allgäu-Walser-Card gut genutzt. Der Geschäftsführer der Allgäu GmbH würde sich wünschen, dass die Kommunen die Parkgebühren zur Förderung der öffentlichen Mobilität nutzen würden. „Aber die Kommunen stopfen damit ihre Löcher.“
Grundsätzlich spricht sich Joachim dafür aus, im Tourismus nicht mehr mit Versprechen in Hochglanz zu werben, sondern das harmonische Miteinander von Mensch und Natur in den Vordergrund zu stellen. Dem Skifahren attestiert er „viel Gutes“, und zur Absicherung dieses Sports hält er Beschneiung für notwendig. Trotzdem wirbt er dafür, flexibler auf die klimatischen Verhältnisse zu reagieren. „Wenn wir keinen Winter haben, können wir Sommer machen.“
Umstrittene Beschneiung
Eine Ganzjahres-Saison schwebt auch Prof. Bauer vor. Die Menschen seien durchaus „hybrid unterwegs“ – auch im Winter.
Am Thema Beschneiung scheiden sich allerdings die Geister. Bernhard Joachim betont, dass Beschneiungsanlagen „niemand Energie oder Wasser wegnehmen“. Thomas Frey kritisiert „die oft absurde und von Steuergeldern finanzierte Infrastruktur am Berg“. Lukas Krösslhuber weist auf die Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Errichtung von Speicherteichen hin. Die Begeisterung der Skifahrenden sei dann am höchsten, wenn die Piste gut präpariert und beschneit sei.
Herausfordernde Zukunft
Und in Zukunft? Prof. Bauer weist auf die noch nicht kalkulierbaren Herausforderungen des Klimawandels hin und mahnt: „Wir müssen einfach was tun zur Klima-Anpassung, die Menschen sensibilisieren und Maßnahmen konsequent umsetzen.“ „Es wird nicht mehr so werden wie früher“, warnt auch Thomas Frey. Doch da ist Krösslhuber zuversichtlich. Der Alpentourismus werde sich anpassen Mit seiner hohen Kompetenz finde er sicher wieder neue Möglichkeiten, die Menschen zu begeistern. Bernhard Joachim schließlich zeigt sich skeptisch, ob die Menschen in Zukunft das derzeit bestehende Winterangebot überhaupt noch wollen.
Kinder in Bewegung bringen
Thomas Ammer verweist auf die Bemühungen der Initiative Deine Winter. Dein Sport hin, „Kinder in Bewegung zu bringen“ – möglichst bei Skisport. So könne man die Zukunft des Wintersports sichern und Kindern zu Freude an sportlicher Bewegung verhelfen. Lukas Krösslhuber erklärt, dass es in seiner Region in jedem Kindergarten und jedem Grundschuljahr kostenlos Skikurse gebe. In Deutschland ist das nicht möglich und hohe Preise schrecken viele Eltern ab. Thomas Frey ist ohnehin gegen kostenlose Skiwochen. Man solle nicht dem Schnee hinterher rennen, fordert er. Die Kids könnten nachhaltiger auch am Wohnort in Bewegung kommen.
Weiterführende Infos im Internet
Thema Nachhaltigkeit im Tourismusverband Wilder Kaiser: https://www.wilderkaiser.info/de/region/strategie.html
BZT-Umfrage zum Thema Winterurlaub: https://bzt.bayern/umfrage-winterurlaub-2023-2024/
Bund Naturschutz zum Skisport: https://www.bund-naturschutz.de/fileadmin/Bilder_und_Dokumente/Themen/Alpen/Tourismus/Alpentourismus-Verbaendeforderungen-Seilbahnfoerderrichtlinie-2021.pdf
Wintertourismus im Allgäu: https://www.allgaeu.de/draussen/naturerlebnisse-winter/landschaft-verpflichtet
Initiative Dein Winter.Dein Sport: https:www.deinwinterdeinsport.de
Februar 24, 2024
Hallo Lilo,
vielen Dank für sie informative Zusammenfassung der TR zum Thema Wintertourismus. Schade, dass ich mal wieder aus terminlichen Gründen nicht mit dabei sein konnte.
Liebe Grüße, Peter
Februar 29, 2024
Ja, schade, Peter. Aber was nicht war, kann ja noch werden. Vielleicht gibt’s noch mehr Touristische Runden in diesem Jahr.