Menschenrechte im Tourismus: Mit kleinen Schritten in eine bessere Zukunft?

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So steht es in der 1948 von der UNO initiierten Erklärung der Menschenrechte von 1948, in der auch das Recht auf Meinungsfreiheit, auf Gleichberechtigung und Eigentum niedergeschrieben ist.
Und doch werden bis heute überall in der Welt die Menschenrechte mit Füßen getreten – auch im Tourismus. Grund genug für den Studienkreis für Tourismus und Entwicklung, sich bei den 19. Ammerländer Gesprächen dem Thema „Menschenrechte im Tourismus – Urlaub ohne Fragezeichen?“ zu widmen. Um es vorwegzunehmen: Es geht nicht ohne Fragezeichen. Zu komplex ist die Materie und zu unterschiedlich sind auch die Standpunkte, je nachdem ob sich der Evangelische Entwicklungsdienst, Amnesty oder Veranstalter zu Wort meldeten. 

Da war die Rede vom Ruggie Report, der auch die Unternehmer zu verantwortlichem Handeln verpflichte. Im Juni 2011 hatte der UN-Referent John Ruggie nach sechsjähriger Arbeit eine Rahmenordnung veröffentlicht, die auf drei Säulen basiert, Protect-­Respect- Remedy: Der Verpflichtung des Staates, Menschenrechte zu schützen. Der Verantwortung der Unternehmen, Menschenrechte zu achten. Und schließlich dem Rechtszugang für Betroffene. Geändert hat sich seither wenig. Im Gegenteil. In Kambodscha nehmen widerrechtliche Zwangsräumungen zu, etwa am Ufer des nehmen widerrechtliche Zwangsräumungen zu, etwa am Ufer des Boeung Kak-Sees in der Hauptstadt Pnom Penh, wo ein Touristen-Resort entstehen soll und Tausende dafür mit Obdachlosigkeit bezahlen.  Auch die Ausbeutung der im Tourismus Beschäftigten durch schlechte Arbeitsbedingungen und sexuellen Missbrauch, die Amnesty International anprangert, gehört keineswegs der Vergangenheit an. Dabei werden gravierende Verstöße gegen die Menschenrechte nicht nur in Entwicklungs- oder Schwellenländern registriert. Für Amnesty gibt es „kein Land, das absolut koscher ist“. 

Welche Rolle aber könnte der Tourismus bei der Verwirklichung von Menschenrechten spielen? Oder ist diese Forderung nicht auch eine Überforderung? Kann Tourismus dabei helfen, Diktaturen in die Knie zu zwingen oder dabei, den demokratischen Aufbruch zu beflügeln? Oder muss er sich nicht mit dem „Do-no- harm-Prinzip begnügen, damit, die Konflikte nicht zu verschärfen? Einig sind sich die meisten darin, dass Tourismus ein Wirtschaftsektor wie jeder andere ist, aber als solcher „in der Gestaltung der globalisierten Welt eine wichtige Rolle“ spielt. Und da wären Branchenstandards wünschenswert und hilfreich. Zwar gibt es schon erfolgreiche Ansätze einer Corporate Social Responsibility angefangen bei den kleineren Veranstaltern im Forum anders reisen, die sich der Zertifizierung durch TourCert unterwerfen, über den Studienreiseveranstalter Studiosus, der sich im Unternehmensleitbild der „Achtung der Menschenrechte in den von uns bereisten Ländern“ verpflichtet, bis hin zum Futouris-Projekt des DRV. Aber noch immer fehlt eine Deutschland- noch besser eine Europaweite Initiative. Auch um offene Fragen zu klären wie „Was sind faire Arbeitsbedingungen?“ oder „Was ist eine gerechte Entlohnung“. Schließlich könne man nicht alles mit mitteleuropäischen Maßstäben messen.
Während manche hier vor allem die Politik gefordert sehen, stellt ein Referent nüchtern fest: „Politik und Wirtschaft taugen nicht als Vorbild für den Umgang mit diktatorischen Regimen“. Immerhin sei China „der größte Handelspartner und auch der größte Verletzer der Menschenrechte“. Tourismus sei nun einmal „Teil des Lebens“, da dürfe man keine strengeren Maßstäbe anlegen als beispielsweise für die Auto- oder auch die Textilindustrie. Und: Müsste man alle Länder von der touristischen Landkarte streichen, in denen es noch die Todesstrafe gibt – wie in China oder den USA, würde „die Liste der Reiseländer“ extrem schrumpfen. 
Besser als die große Keule eines Boykotts seien wohl kleine Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort durch Existenz sichernde Löhne, auch die „In-Wert-Setzung diskriminierter Minderheiten durch Besuche von Touristen“. Als positives Beispiel dafür, was Tourismus bewirken kann, wurde der Schutz von Frauen und Kindern genannt. Seit pädophile Verstöße im Ausland auch in Deutschland verfolgt werden können, gäbe es eine wichtige Handhabe gegen Sextouristen. 
Strittig war die Frage, ob Tourismus auch in Diktaturen sinnvoll ist. Einerseits könnten solche Reisen als „zynisch“ empfunden werden, andererseits könnten sie dazu beitragen, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Wichtig sei es, trotz des Kostendrucks „keine sozial kontaminierten Produkte“ zu verkaufen und durch Monitoring das eigene Handeln zu kontrollieren. Ein sozialverantwortlicher Tourismus würde von aufgeklärten Reisenden zunehmend gefordert: „Die Menschen wissen, dass es so, wie wir produzieren, konsumieren und reisen, nicht weiter gehen kann.“ Das sei die Chance für einen glaubwürdigen Tourismus, der auch den Respekt vor den tradierten Sozialsystemen der Reiseländer propagieren könne. 
Dass die Lust auf Ramsch im Tourismus abnimmt, erscheint freilich in einer Zeit der Aldisierung von Reisen eine eher gewagte These. Ein Großteil der Touristen, so die ernüchternde Erfahrung, sei an den sozialen Hintergründen im Reiseland nicht interessiert. Da tut Aufklärung not. Allerdings nicht durch inflationäre Hinweise womöglich in den Katalogen. Sondern eher durch ehrliche Berichterstattung in den Medien. 
Die Veranstalter selbst aber sollten auf eine sorgfältige Auswahl der Partner vor Ort achten – ob Hotels, Busfahrer, Reiseführer. Dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben, wurde bei den Ammerländer Gesprächen klar. Dass ihnen womöglich die Zeit davon läuft auch: Dank Internet, wo sich die Touristen ihre Reisen selbst zusammen stellen können, spielen die Veranstalter vielleicht schon in naher Zukunft keine Rolle mehr.  
2 Kommentare
  • Götz A. Primke
    Oktober 13, 2012

    Eine sehr schöne Zusammnfassung der 19. Ammerländer Gespräche des Studienkreis für Tourismus und Entwicklung zum Thema „Menschenrechte im Tourismus – Urlaub ohne Fragezeichen?“. Wer in andere Länder reist, sollte sich wirklich immer fragen, wem – ausser ihm sowie den touristischen Dienstleistern – seine Reise noch nützt. Den Menschen, die dadurch Arbeit haben, sicherlich. Aber auch einem diktatorischen Regime? Sollte man z.B. jetzt schon nach Myanmar, um das weichgespülte Regime auf dem Weg zu mehr Freiheit weiter zu unterstützen? Ich denke ja. Gleichzeitig kann so etwas aber auch zu negativen Folgen führen, wie im Artikel am Bsp. Vietnam aufgeführt. Wir sollten immer mit wachen Augen, Ohren reisen! Und ich sowieso immer mit einer neugierigen Zunge, damit ich die Genüsse der Länder kennenlerne.

  • Götz A. Primke
    Oktober 29, 2012

    Liebe Frau Solcher,
    bitte richten Sie sich *dringendst* Akismet ein. Dieser Spam auf Ihrer Seite ist ja nicht auszuhalten.
    Herzlichst und auf bald,
    GAP

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert