Mein Freund, der Affe: Henning Mankells „Erinnerung an einen schmutzigen Engel“

Das Bordell ist ein grausamer Treffpunkt der Macht und der Machtlosen, an dem die Liebe zur Ware wird“, beschreibt Henning Mankell in einem Interview den Inhalt seines neuen Romans, „aber es ist auch ein Ort, wo sich Schicksale zu einer Geschichte verknüpfen, wie ich sie noch nie geschrieben habe.“ Mit „Erinnerung an einen schmutzigen Engel“ wendet sich der Erfolgsautor vom Krimi ab und Afrika zu, seiner Wahlheimat.

Mankell erzählt die Geschichte von Hanna, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als 18-jährige ihre Heimat Nordschweden verlassen muss, um sich an der Küste als Magd über Wasser zu halten. Der Arbeitgeber, mit Hannas Schicksal vertraut und ihr wohl gesonnen, vermittelt sie als Köchin auf ein Frachtschiff. Hier lernt das unbedarfte Mädchen den Steuermann Lundmark kennen und lieben. Die Hochzeit überlebt der junge Ehemann gerade mal einen Monat.
Nach der Seebestattung flieht Hanna vom Schiff und landet – krank und schwanger – in der portugiesischen Kolonie Mosambik. Das Hotel, das sie sich von ihrem Ersparten leistet heißt „O Paraiso“, ein Bordell mit schwarzen Huren. Hier lernt Hanna erstmals Rassismus kennen, die Überheblichkeit der Weißen stößt sie ab, wirkt aber auch ansteckend. Schließlich gibt sie dem hartnäckigen Werben des Bordellbesitzers nach und wird seine Frau.
Der baldige Tod des alten Mannes macht die arme Schwedin zur reichen Witwe. Hanna will das Los der schwarzen Frauen erleichtern, doch mit ihrem Einsatz stößt sie nicht nur bei den Weißen auf Unverständnis, auch die Schwarzen wenden sich von ihr ab. Dass sie eine schwarze Mörderin unterstützt, macht sie vollends zur Außenseiterin. Als sie sich dann auch noch in den Bruder ihres Schützlings verliebt, bringt sie diesen in Lebensgefahr. Am Ende verlässt Hanna das Bordell, nicht ohne die Frauen bezahlt zu haben. Ob sie ihr Glück finden kann, bleibt offen. 
Zu diesem Roman, der ganz weit weg ist von dem, was Wallander-Leser gewohnt sind, hat sich Mankell von einer wahren Begebenheit inspirieren lassen. Er hat sie in künstlerischer Freiheit ergänzt und ausgebaut und liefert dem Leser ein farbiges, facettenreiches Gemälde afrikanischen Lebens, wie es bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts noch an der Tagesordnung war. Der zahme Affe Carlos, zu dem Hanna eine engere Beziehung hat als zu den Menschen, passt da wunderbar ins Bild. Ihm bleibt das Leben der Menschen fremd, so wie Hanna sich zunehmend fremd fühlt in ihrem eigenen Leben. Als sie auch Carlos begraben muss, wird Hanna von Trauer übermannt: „Sie dachte, auf diesem für sie so verwirrenden und widersprüchlichen Kontinent sei es schließlich einzig ein Affe gewesen, auf den sie sich hatte verlassen können.“  
Henning Mankell, Erinnerung an einen schmutzigen Engel, Zsolnay, 348 S., 21,90 Euro


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