Männliche Feuchtgebiete: Bodo Kirchhoffs „Erinnerungen an meinen Porsche“

„Es  gibt kein keusches Schreiben, außer man ist heilig, und dann hätte man es noch mit der Sehnsucht zu tun. Schreiben ist immer auch Sex, und Sex, wenn man ihn ernst nimmt, erfordert Mut: Ohne Mut kein gutes Schreiben.“
Mut hat Bodo Kirchhoff, auch wenn er mit dem derzeitigen Literaturbetrieb ganz und gar unzufrieden scheint. Wo es ein „Hämorrhoidenrenner“, in „einer teils kindlichen, teils polymorph-perversen Popelsprache“ geschrieben, monatelang auf Platz 1 der Bestsellerlisten schaffen kann, sieht  sich der erfolgreiche Frankfurter Autor („Infanta“, „Parlando“, „Wo das Meer beginnt“) zu Unrecht in die Schmuddelecke gestellt. Dabei tut der 60-Jährige  in seinem neuen Roman „Erinnerungen an meinen Porsche“ alles, um seinen Platz dort zu behaupten und es sich in der Nähe von Charlotte Roches Feuchtgebieten  gemütlich zu machen.

   

Es geht in erster Linie um männliche Potenz und der Porsche, an den sich der Protagonist  Daniel Deserno wehmütig erinnert, ist weniger der gleichnamige Sportwagen als das von einer wütenden Geliebten ruinierte  Geschlechtsorgan. Dass der in einer Schwarzwaldklinik Rekonvaleszierende auch Banker (nicht Bankier – das waren die Seriösen) ist und  als solcher für Sex- wie Geld-Quickies gerne zu haben war, gibt dem Autor Gelegenheit über die Sündenfälle in der Finanzwelt zu räsonieren  und gleichzeitig der medialen  Scheinwirklichkeit einen Spiegel vorzuhalten.  Während der Enddreißiger Daniel seinen Verflossenen und deren sexuellen Handfertigkeiten nachtrauert,  trauern in der Waldhaus-Klinik   die „Verflossenen des großen Publikums, der Millionen vor dem Fernseher“ ihrer Karriere nach.
Und wie im höchst erfolgreichen „Schundroman“ setzt beim Leser sogleich ein kurzweiliges Personenraten ein: Klaus Zumwinkel und Sabine Christiansen, Elke Heidenreich und Dieter Bohlen nehmen Kontur an und natürlich –  Charlotte Roche als  nonnenhafte Helen, vom ebenso verwirrten  wie faszinierten Daniel zur „frommen Helene“ erhoben.  Daneben kriegt auch noch Andrea Ypsilanti („Isch-basta“) ihr Fett ab.  Nicht zu vergessen der Literaturbetrieb mit seinen vorhersehbaren Mechanismen: „Es gab bei mir weder Gottsuche noch Selbstfindung, und es gab keine jüdische Großtante, die von ihrer Familie erzählt; überhaupt gab es keine Familie und auch keine bedrohte Natur und außer mir auch keinen Behinderten.“
So liest sich das Ganze als deftig gewürzte Parabel, einen Abgesang auf den freien Markt und das Gleichgewicht der Kräfte.
Der nahezu entmannte Banker sucht im Schreiben neue Befriedigung – eine Umkehrung der Tatsachen: gibt doch Bodo Kirchhoff zusammen mit seiner Frau seit zwei Jahren Schreibseminare, an denen auch Ex-Vorstände von Banken teilgenommen hatten. So schließt sich der Kreis. 

 Info: Bodo Kirchhoff, Erinnerungen an meinen Porsche, Hoffmann und Campe, 224 S., 17,95 Euro

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