„Krumme Touren“ sind ihr Markenzeichen. Die hat die Journalistin Renate Just in letzter Zeit vermehrt unternommen, in ihrer näheren Heimat und jetzt auch im angrenzenden Österreich, bei den Nachbarn sozusagen. Diesmal sind sie allerdings besonders krumm geraten.
Die Auswahl der österreichischen Ziele reicht vom königlich-kaiserlich-geprägten Semmering, wo man sich in einer formenverliebten Landschaft in Dichterspuren verlieren kann, über das steirische Weinland, „eine bukolische mitteleuropäische Wald-Wiesen-Wein-Gegend von staunenswerter Anmut“ und den Millstädter See in Kärnten, dem von einem verordneten Imagewandel bedrohten Haider-Land, bis ins Mühlviertel zu Stifters Sehnsuchtsorten.
Nichts da von den wogenden Hügeln der Wachau oder den hohen Bergen Tirols, vom heimeligen Bregenzerwald oder vom wuseligen Graz. Dafür kann sich Linz freuen. Die Kulturhauptstadt 09 kriegt eine gehörige Portion Just-Lob ab: „Wieso war ich hier nicht längst? Das fragt sich der Linz-Besucher fast schuldbewusst, wenn er erstmals auf der zentralen Nibelungenbrücke steht… Linzer Mischung: Funktionalität, Futurismus und gründe Stadtnatur, rühmliche und lastende Geschichte eng verzahnt.“ Wie immer hat Renate Just viel Sehenswertes am Rande aufgestöbert, das Brunnersche Greißlermuseum in Schwanberg etwa, das dem fünfziger Jahre Alltag eine Bühne bietet, oder das Südbahnhotel auf dem Semmering, das alljährlich im Juli bei den „Theaterfestspielen Raichenau“ aus einem Komaschlaf erwacht. Und wie immer stößt sie auf unschöne Begleiterscheinungen des modernen Tourismus etwa am Semmering auf der Passhöhe: „Eine Funktionswüste aus Billa-Markt und Bankomat und Parkplätzen, rabiat ausgeholzten Skipisten- und Mountainbike-Downhill-Hängen“.
Bei den Nachbarn in Böhmen hält sich diese Art von dreister Inbesitznahme der Natur in Grenzen, schon aus Geldnöten. Auch deshalb fühlt sich die Natur- und Kulturaffine Autorin so gut aufgehoben in Franzensbad, „einem Ort wie ein Zitronenbaiser“, weniger freilich im „brenzligen“ Eger. So reist Renate Just durch die Lande, immer mit offenen Augen und wachen Sinnen. Zum Ende zu nächtigt sie noch beim Landadel, auch bei den Vequel-Westernachs auf Schloss Kronburg bei Memmingen, denen sie wegen ihres ökologischen Engagements viele Gäste wünscht. Manchmal gehen ihr die Augen zwar über ob der luxuriösen Schönheit eines Schlosshotels, aber nie lässt sie sich vereinnahmen zu lobhudeligem Gefälligkeitsjournalismus. Das macht ihre Bücher so speziell. Wie Freunde kommen sie daher, charmant plaudernd, mal hierhin, dann dahin mäandernd und so übervoll mit persönlichen Tipps, dass man am liebsten sofort die Koffer packen würde, um loszufahren.
Info: Renate Just, Krumme Touren 4 – Ausflüge zu den Nachbarn Österreich und Böhmen, Kunstmann, 239 S., 19,90 Euro, ISBN 978-3888975615