Bei einer Kreuzfahrt kann so manches über Bord gehen, unabsichtlich der Fotoapparat beim Knipsen der schönsten Bilder. So harmlos ist die Sache nicht, wenn Ingrid Noll darüber schreibt. „Über Bord“ heißt ihr neuer Krimi und es gilt „nomen es omen“. Was hier über Bord geht, fehlt eigentlich keinem so recht. Wäre eigentlich eine perfekte Sache, so eine Art Seebestattung. Wenn, ja wenn da nicht der kleine Hinterhalt wäre, der bei der Grande Dame des deutschen Krimis immer wieder für Überraschungen sorgt. Und der kommt natürlich ganz am Ende, als Schlussakkord sozusagen.
Bis dahin kommt dieser Krimi süffig daher wie reifer Rotwein. Da werden zunächst unliebsame Familiengeheimnisse aufgedeckt. Der verstorbene Patriarch hatte noch einen Sohn gezeugt, Gerd. Weil der seine neue Familie kennen lernen will, wirbelt er ganz schön Staub auf und bringt so noch einen Fehltritt ans Tageslicht, der nicht ohne Folgen blieb. Doch man rauft sich zusammen, lässt die Toten ruhen und kümmert sich lieber ums eigene Wohlergehen. Vor allem Ellen, die sich seit der Trennung von ihrem Mann, der ihr ausgerechnet mit ihrer Nichte untreu wurde, auf männlichen Zuspruch verzichten musste, schnuppert Morgenluft. Sie will nicht im Nonnenkloster versauern. So nennen die Nachbarn das Haus, in dem Ellen mit der alten Mutter und einer Tochter lebt – ganz ohne Männer. Der neue „Bruder“ gefällt ihr außerordentlich gut. Dass er verheiratet ist, dürfte kein Problem sein… Als seine Frau und er sie zu einer gemeinsamen Kreuzfahrt einladen, zögert sie deshalb nicht lang.
Zusammen mit dem Ehepaar stechen Mutter und Tochter in See. Und da entspinnt sich, wie Ellen erhofft hat, eine zarte Liebesgeschichte. Ingrid Noll malt dafür die Kulisse der Luxus-Kreuzfahrt genüsslich aus, das Rundum-Versorgtsein, die oberflächlichen Sightseeing-Touren, die opulenten Mahlzeiten, die skurrilen Bordbekanntschaften. Und dann natürlich der lang erwartete Knalleffekt und sein nicht ganz so überraschender Nachhall. Eine echte Noll halt. Und eine ganz andere Kreuzfahrt-Lektüre.
Info: Ingrid Noll, Über Bord, Diogenes, 352 S., 21,90 Euro
Oktober 4, 2012
Ich habe es bei meiner Kreuzfahrt im Board von FTI Berlin gelesen. Das Buch wurde mir empfohlen. Das ist ein perfektes Buch, dass man bei einer Kreuzfahrt lesen kann 🙂
Februar 14, 2013
Für mich gibt es nichts Befreienderes als the deep blue sea, auch wenn ich kein Hai bin Optimaler Urlaubspunkt wäre eine kleine Finca an einem Hang oder auf einem Berg, mit Blick auf das Meer. Im Prinzip hätte ich dann beides.