Jan Neruda: Die Hunde von Konstantinopel – Reisebilder aus einer anderen Zeit

Die Hunde von Konstantinopel: Reisebilder
(Buch)
Autor: Jan Neruda
Verlag: Dva
Erschienen am: 2007-02
Seiten: 370
ISBN: 3421052549

„Die zwei nackt aussehenden Türme der Frauenkirche, oben in zwei riesigen Birnen endend, und rundherum ein paar nichtssagende Häuser und Häuschen, so zeigt sich München dem Fremden. Und von diesem ersten Eindruck verliert sich wahrlich wenig. Die pfeilschnell fließende Isar verzweigt sich, manchmal allerdings künstlich, in zu viele und zu schwache Arme, als dass die Stadt durch den Anblick eines großen Flusses gewänne…“
Da war wohl kein München- Fan am Werke. Auch 1863, als Jan Neruda, der Vielreisende aus Prag sein  Stadtporträt schrieb, war München, seit 1623 kurfürstliche Residenzstadt, schon Groß- und weithin bekannte Kunststadt.

Aber Neruda mochte die Stadt nicht, auch nicht ihre Frauen mit den großen Füßen. Doch die Abneigung des böhmischen Schriftstellers ist kein Grund zur Traurigkeit, teilt München sie doch mit anderen Städten von Welt wie Wien oder Athen, während Konstantinopel, das heutige Istanbul, sich den staunenden Wohlwollens Nerudas sicher sein kann: „Was immer sich die Phantasie von der Ansicht Konstantinopels ergaukelte, Konstantinopel überbietet es, es degradiert nicht die Vorstellungskraft wie Rom, Paris, es regt sie in ungeahnter Weise an. Konstantinopel ist einzigartig in seiner Art.“
Von 1863 bis 1875 reiste der weltoffene Literat durch Europa und den Orient, kam nach Neapel und Hamburg, nach Budapest, Bukarest und Athen, nach Konstantinopel und Kairo, Jerusalem und Judäa – und schrieb nieder, was ihm bei seinen Reisen so in den Sinn kam, kritisch, unverblümt mit leicht ironischem Unterton. Über Berlin etwa notierte er: „Berlin wuchs nicht. Berlin wurde gemacht… die eiserne Hand der Hohenzollern hat hier eine „Weltstadt“ hervorgezwungen, die gleiche Hand, die mit dem Stock „ihre Untertanen die Liebe zu den Herrschern lehrte“… Und auf Kommando stellte sich eine Reihe Häuser neben die andere, hinter sie oder ihr gegenüber, Regiment an Regiment, Karree an Karree… Und all diese Häuser sind einander fast zum verzweifeln ähnlich wie ein Soldat dem anderen, nur manches sticht hervor durch eine reichere Epaulette, ein feineres Uniformtuch.“
Man lässt sich gerne an die Hand nehmen von diesem universell gebildeten Spötter und unbestechlichen Beobachter zu einer Zeitreise in eine andere Welt und erfährt verblüfft, dass der leidenschaftliche Journalist schon ähnliche Probleme beim Reisen hatte wie wir heute: „Schließlich und endlich, wohin auch reisen, wenn nicht auf ausgetretenen Wegen? Vielleicht nach Afrika? Einen Mohren, und noch dazu gleich im Anzug der Kellnergelehrtheit, nämlich im Frack, sieht man im Prager Cafe „Zum Bahnhof“, ein Nashorn sieht man in Schönbrunn, ein Nilpferd im Pariser Jardin des Plantes, Elephant und Krokodil in jeder Menagerie, und was anderes sprießt dort nicht…“    Wie gut, dass der Mann trotz dieser Skepsis noch aufgebrochen ist und uns diese wunderbaren Impressionen hinterlassen hat!
Info: Jan Neruda, Die Hunde von Konstantinopel, aus gewählt, übersetzt und mit einem Nachwort von Christa Rothmeier, DVA,  370 S., 19,95 Euro, ISBN 978-3-421-05254-4               

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