Heinz Julen: Himmelsstürmer am Kleinen Matterhorn

„Wenn ich da oben so ein Ding baue, ist es eigentlich weit weg von einem Kloster und doch auch nahe dran”, mit weit ausholender Geste weist Heinz Julen in Richtung Matterhorn, das über Zermatt steht wie eine Pyramide aus Fels, ein Göttersitz. Mit dem Ding meint der 42-jährige Zermatter Künstler und Architekt sein visionäres Projekt für das Kleine Matterhorn: eine verglaste Plattform auf einer Art Dreifuß 117 Meter über dem bisherigen Gipfel ­ auf exakt 4000 Meter Höhe. Die Glas-Stahl-Pyramide soll nicht nur das Kleine Matterhorn zum 34. Viertausender in Zermatts Bergwelt machen, sondern auch einen Multimedia-Kongressraum und ein Hotel beherbergen samt Wellnessanlage und Pool . Ein neuer Turmbau zu Babel? Oder schlicht eine Schnapsidee? Wir trafen das Zermatter enfant terrible, das „wilde Kind der Alpenarchitektur” (so ein Kunstprofessor) in seinem Atelier.
Nein, an Hybris leide er nicht, sagt der große, gut aussehende Himmelsstürmer mit dem dunklen Zopf und der schwarzumrandeten Brille. „Für mich ist das Projekt das Gegenteil eines Turmbaus zu Babel. Die Besucher sollen ja auf Gottes Schöpfung hinabschauen.” Die Verlängerung des Gipfels in einer Pyramide soll auch keinen „Erlebnispark a la Disney” beherbergen, sondern ein tiefes Erlebnis bescheren, „sonst müsste ich mich als Zermatter schämen”.
Dass seine Pläne seinen Mitbürgern zu visionär sind, hat Julen schon einmal erfahren. Bei dem Hotelprojekt INTO the Hotel, einem Fünf-Sterne-Wunder auf einer Felsnase über dem Ort, das bei der Einweihung von den Medien frenetisch gefeiert wurde. Doch als der (Geld gebende ) Partner, die Schweizer Möbeldynastie Schärer (USM ) das 40 Millionen (Schweizer Franken) teure Projekt fallen ließ, das Hotel zumachte. und demontierte, wurde Heinz Julen zum Buhmann in den Medien ­und in Zermatt. „Plötzlich war jeder im Dorf ein Kunstkritiker, der es immer schon wusste”, erinnert sich Julen und lächelt bitter.
Die schmerzhafte Trennung vom früheren Freund Alexander Schärer, eine Art Rosenkrieg, hat er in einer Installation verarbeitet, in der er die 30 wichtigsten Menschen porträtierte, die zur Verwirklichung seines Hoteltraumes beigetragen hatten. Auch die beiden, die sein Scheitern verursachten, Alexander Schärer und seine Freundin, die er in Abwesenheit malte. Sie ließen ihre Bilder von der Polizei aus der Ausstellung entfernen und sorgten mit dem „Bildersturm” für neuen Wirbel. Immer wieder ließ der Schärer-Clan das ungeliebte Hotel umbauen, feuerte Architekten, ließ neu planen. Jetzt steht das „Omnia” direkt über Julens Kneipe „Heimberg”, die er im Haus seiner Urgroßeltern eingerichtet hat ­ ein Stachel im Fleisch der Kontrahenten, denn wer mit dem Lift ins Omnia will, muss am Heimberg vorbei.
Auch bei Julen ist die Wunde noch längst nicht verheilt. Aber er eilt von Erfolg zu Erfolg. Das „Coeur des Alpes” wurde im letzten Jahr bestes Ferienhotel der Schweiz. Heinz Julen hat es für seine Schwester Leni geplant. Und ohne das Vernissage ­ Bar, Kino, Club , Ausstellungsraum in einem mit typischem Julen-Interieur ­ wären die Zermatter Nächte nur halb so interessant. Auch Schwager Pirmin Zurbriggen, Skirennläufer, Olympiasieger in Calgary und Ehemann von Schwester Moni, ließ sich in seinem Hotel in Saas Fee von Heinz Julen inspirieren. Und jetzt also der Gipfel, das Klein-Matterhorn-Projekt, das der Visionär im Auftrag der Zermatter Bergbahnen mit dem Architekten Ueli Lehmann realisieren will. Heinz Julen, das Zermatter Eigengewächs, ist ganz oben angekommen.
Aufgewachsen ist er auf einer Berghütte in einer Art Heidi-Welt. „Der Papa hatte die Kühe, die Mama das Restaurant.” Die drei Schwestern servierten, der Sohn durfte schon mal Kaffee kochen. Am liebsten aber bastelte der kleine Heinz „so Sachen”, baute aus Tüchern Zelte und Hütten für die Schwestern. Räume zu entwickeln, in denen die Menschen sich wohl fühlen und „wo ich sie überraschen kann”, wurde zu einer Leidenschaft, die erst einmal im INTO-Hotelprojekt gipfelte. Fließend „ganz ohne Bruch” hat sich Julen weiter entwickelt, seine eigene Sprache, Möbel, Häuser. „Natürlich musste ich auch Lehrgeld bezahlen”, räumt er ein. Aber er habe aus seinen Fehlern gelernt. Beim Malen etwa, wo er seine Anfänge als „Kitsch” abtut. Ein Jahr hat er in der Kunstschule in Sion gelernt. „Ich war so etwas wie ein ungeschliffener Diamant, hatte keine Ahnung, was in der Kunst läuft.”
Das hat sich gründlich geändert. Auch in Zürich wird Heinz Julen als Künstler hoch geschätzt. Ein Galerist bezeichnete seine Installation mit Porträts der INTO-Leute als „eine der größten zeitgenössischen Performances” und ein Buch darüber verschaffte dem Autodidakten Einladungen an Universitäten weltweit. Eine Art später Rehabilitation. Aber noch immer kämpft Heinz Julen mit der Erinnerung an das Scheitern einer großen Freundschaft, bemalt Metallwürfel, steigt auf den Berg und wirft sie runter. „Dann geraten sie aus den Fugen, ich suche die Teile und arrangiere sie neu ­ wie mein Leben”.
Seine ehemaligen Partner, so sieht er es heute, haben einen Mythos geschaffen. „Das INTO stand sieben Wochen, es war jung und schön, als es starb. Wie Marilyn Monroe oder James Dean.” Dass er aus dem neuen Museumsprojekt für Zermatt „in hohem Bogen herausgeflogen” ist, ärgert ihn noch jetzt. „Spekulanten und Immobilienhaie” macht er dafür verantwortlich, denn die Museumsleute hätten seinen Plan befürwortet. Das Klein-Matterhorn-Projekt sieht er als Wiedergutmachung. Mit seinem „Dream Peak” will er nichts weniger als der Seele Flügel verleihen auf dem neuen Zauberberg von Zermatt. „Spacig” soll es werden dort oben, wenn die Menschen über der Landschaft, den Gipfeln, schweben „ein bisschen wie im Weltraum”.

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